Gerd Kramer

Spielball ferner Welten


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      „Sorry. Ich hab Sie geweckt. Ich hab nicht auf die Uhr gesehen.“

      „Kein Problem. Was haben Sie geschafft?“ Fischer setzte sich aufrecht auf die Bettkante.

      „Ein neues Exemplar, aber dieses Mal mit GPS-Sender. Und es funktioniert!“

      „Fantastisch. Ich komme zu Ihnen.“

      „Jetzt?“

      „Klar.“

      Fischer beendete das Gespräch und sprang aus dem Bett. Im Bad spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, um wach zu werden. Eilig zog er sich an. Eine Viertelstunde später erreichte er die Firma. Die Eingangstür stand offen. Im Büro erwartete ihn Brink, der vor seinem Computer saß.

      „Das müssen Sie sich ansehen! Ich hab eine Kamera installiert und den kompletten Druckvorgang gefilmt. Ich zeige Ihnen das Ganze im Zeitraffer.“

      Fischer schnappte sich einen Stuhl und setzte sich neben Brink. Gespannt starrte er auf den Bildschirm. Die Kamera war auf die durchsichtige Abdeckhaube des Druckers gerichtet. Zunächst schien nicht viel zu passieren. Offensichtlich war der Drucker damit beschäftigt, winzige Strukturen zu erschaffen.

      „Ich bin mir sicher, dass in diesem Moment so etwas wie ein Gehirn entsteht“, sagte Brink.

      „Genau das hatte ich vermutet.“

      „Und jetzt kommen die Elemente für die Motorik.“

      Tatsächlich war nun auf dem Bildschirm zu sehen, wie die Spinne langsam Konturen annahm. Kurze Zeit später war der Rumpf fertig. Die anschließende Erstellung der Spinnenbeine nahm erneut viel Zeit in Anspruch.

      „Wieso dauerte es so lange, die Gliedmaßen zu erstellen?“, überlegte Brink laut.

      „Ich vermute, dass die Tausenden Haarzellen der Energieversorgung dienen. Vielleicht wandeln die die elektromagnetische Strahlung in elektrische Energie um.“

      „Solarzellen?“

      „Keine Ahnung. Aber normale Fotozellen würden nicht genug Leistung bringen, es sei denn, sie könnten das gesamte Spektrum nutzen.“

      „So eine Technik gibt es nicht.“ Brink schüttelte den Kopf.

      „Im Labor schafft man es bereits, 46 Prozent des Sonnenlichts in elektrische Energie zu verwandeln.“

      „Aber das hier ist echt. Ich meine, wenn es solch eine Technologie gäbe, würde man sie überall anwenden und keine Spinne bauen.“

      Fischer nickte.

      Nachdem der Druck offenbar abgeschlossen war, passierte zunächst nichts. Doch dann kam Leben in das Objekt. Zuerst bewegten sich die Augen und dann die vorderen Gliedmaßen. Schließlich fing es an zu laufen und tastete die Abdeckhaube ab.

      Brink stoppte das Video.

      Fischer lehnte sich zurück. „Was glaubst du eigentlich– ich heiße übrigens Markus – was glaubst du eigentlich, was hier abläuft? Das Ding da“, er zeigte auf das Standbild der Spinne, „ist nicht von dieser Welt.“

      „Allerdings.“

      „Ich meine das wörtlich.“

      Brink sah den Physiker entgeistert an. „Was?!“

      „Na ja. Ich weiß nicht. Aber die ganze Konstruktion ist doch, wie du selbst sagst, mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten gar nicht machbar. Allein die elegante Fortbewegung ist der Traum eines jeden Roboterherstellers. Ich kenne mich ein wenig damit aus.“

      „‚Nicht von dieser Welt‘ hast du gesagt.“ Brink lachte. „Glaubst du, dass hier Außerirdische am Werk sind? Sie haben – du hast wohl zu viele Bücher von Erich von Däniken gelesen! – Entschuldigung.“

      „Ist schon in Ordnung. Ich hab in jungen Jahren tatsächlich ein Buch von ihm gelesen. Damals fand ich seine Theorien faszinierend. Aber abgesehen davon, dass die Aliens im günstigsten Fall Jahrhunderte zu uns unterwegs wären, hätten sie sicher Besseres zu tun, als Spinnenroboter herzustellen und damit die Menschen zu erschrecken.“

      „Was hast du also damit gemeint?“

      „Vergiss es. Wie geht der Film weiter?“

      Brink musterte den Physiker einige Sekunden lang, bevor er fortfuhr: „Sieh genau hin!“

      Fischer konnte kaum glauben, was er jetzt sah. Die Spinne verharrte einen Moment an ihrer Position. Dann verkleinerte sie sich auf eine Größe von etwa zwei Zentimetern und verschwand aus dem Sichtbereich der Kamera.

      „Sie kann ihre Größe verändern und ist durch den Lüftungsschlitz der Abdeckhaube verschwunden“, sagte Brink. „Leider hab ich keine zweite Kamera installiert, die den weiteren Weg hätte verfolgen können.“

      „Unglaublich! Wie lange hat das Ganze gedauert?“

      „Der komplette Druck? Zirka fünf Stunden.“

      „Das GPS?“

      „Ist installiert und funktioniert.“ Brink zog sein Smartphone aus der Tasche. „Das Signal ist astrein. Das Objekt hat bereits das Firmengelände verlassen.“

      „Also, worauf warten wir noch?“

      „Gehen wir zu Fuß?“

      „Wo ist es jetzt?“

      „Ungefähr 800 Meter von hier. Es hat fast Schritttempo drauf.“

      „Das Wetter ist ideal für einen Spaziergang. Gehen wir. Es wird uns nicht entkommen.“

      „Glaubst du, dass es intelligent ist?“, fragte Brink beim Verlassen des Gebäudes.

      „Es besitzt vermutlich keine besonders hohe Intelligenz. Das Gehirn scheint mir zu klein dafür zu sein. Aber sicher bin ich mir nicht.“

      Brink blickte auf das Display seines Handys. „Wir müssen hier entlang.“ Er zeigte Richtung Norden, wo in der Ferne hohe Gebäude auftauchten.

      „Warum habt ihr euch in dieser verlassenen Gegend niedergelassen?“

      „Die Miete ist gering hier, und anfangs waren wir knapp bei Kasse. Bis die ersten Drucker serienreif waren, dauerte es vier Jahre. Jetzt könnten wir uns einen besseren Standort leisten. Aber wir haben wenig Kundenverkehr und müssen nicht repräsentieren. Seit Stefan nicht mehr da ist, hab ich sowieso andere Probleme.“

      „Kannst du einen Gang runterschalten, bitte. Ich bin mehr als zwanzig Jahre älter als du und hab leider mein Fitnessprogramm vor drei Jahren unterbrochen.“

      „In Ordnung.“ Brink sah erneut auf sein Smartphone. „An der nächsten Kreuzung scheint es rechts ab zu gehen, ins Industriegebiet. Die Spinne peilt ein ganz bestimmtes Ziel an. Ich bin gespannt.“

      „Was gibt es dort?“

      „Einen Hersteller von Windenergieanlagen, verschiedene Großhandelsbetriebe, eine Bauschuttaufbereitung und einen Recyclingbetrieb für Elektroschrott. Auch unsere Produktion befindet sich dort. Das mit den Außerirdischen war doch ein Scherz, oder?“

      „Hm, ja. Aber das Ding besitzt offenbar eine weit fortgeschrittene Technik. Abgesehen davon, dass mir der Sinn des Ganzen völlig unklar ist, frage ich mich, welche Macht so etwas entwickelt haben könnte.“

      „Das Militär.“

      „Die hätten euer Modell bestellt und ganz in Ruhe fleißig Spinnen gedruckt.“

      „Vermutlich hast du recht. Mir kommen langsam Bedenken, dass unsere Drucker nicht nur zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden könnten.“

      „Das Problem gibt es bei fast jeder neuen Technologie. Deshalb sollte man das immer im Auge behalten. Ich weiß, wovon ich rede. Du bist wieder schneller geworden.“

      „Was?“