Volker Hesse

Der 7. Lehrling


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klatschte. Die Menge schrie auf. Viele hatten den Blick mit verkniffenem Gesicht zur Seite gerichtet, aber diejenigen, die weiter hingesehen hatten, würden noch jahrelang von dem erzählen, was sie nun zu sehen bekamen:

      Die Hände des Magiers trafen das Schwert an der Spitze seiner Klinge und am Knauf. Aber anstatt sich durch seine linke Hand zu bohren, verschwand das Schwert in einem grellen Lichtblitz. Die Hände klatschten zusammen, und auf dem rechten Handgelenk des Magiers saß ein Falke.

      Atemlose Stille.

      Dann brach stürmischer Applaus los. Der Magier verneigte sich mit unergründlichem Lächeln vor seinem begeisterten Publikum. Damit war die Aufführung beendet.

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      Quentin verstand nichts mehr. Was er gerade mit eigenen Augen gesehen hatte, war absolut unmöglich! Völlig verwirrt nahm er seinen Korb auf und drehte sich um. Zufällig fiel sein Blick dabei auf die Rathausuhr. Es war kurz vor Zwölf!

      Gerade wollte er loslaufen, da kroch ihm eine Gänsehaut den Rücken hinauf. Irgendetwas hatte sich wie eine eiskalte Hand förmlich um seinen Nacken gekrallt und zwang ihn, sich wieder umzudrehen.

      Hilflos schaute Quentin in die tiefschwarzen Augen des Magiers, der langsam auf ihn zukam. Als er nur noch einen Schritt entfernt war, schnellte seine nach oben geöffnete leere Hand vor. „Das ist für Dich, Quentin“, sagte er mit einer tiefen, melodischen Stimme und drehte dabei seine Hand um. Fast automatisch hielt Quentin seine Hand unter die des Magiers, und hinein fiel eine walnussgroße gelblich schimmernde Kugel.

      Quentin blickte fasziniert in seine Hand und hob dann wieder den Blick, um sich zu bedanken. Aber der Magier war verschwunden.

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      Der Einspänner war schwerer, als Meara gedacht hatte. Nach dem gemeinsamen Mittagessen hatte sie Hendrik vorgeschlagen, den Wagen zu seinem Hof zu schieben und das Pferd nebenher laufen zu lassen. Hendrik hatte erfolglos protestiert, nach kurzem Disput waren sie schließlich aufgebrochen.

      Hin und wieder hielten sie an, nicht nur, weil sie verschnaufen mussten, sondern weil Meara verschiedene Kräuter am Wegrand sammelte. Nebenbei erklärte sie Hendrik, wofür welches der Kräuter gut war. Hendrik fragte mehr als einmal, woher Meara so viel wisse, aber die Hexe wich ihm immer wieder geschickt aus.

      Am späten Nachmittag erreichten sie schwitzend und vom Straßenstaub bedeckt Hendriks Hof. Sie wuschen sich den gröbsten Dreck aus dem Gesicht und von den Armen, dann machte sich Hendrik daran, den Wagen abzuladen.

      Meara war mit den Kräutern in die Küche gegangen. Ein alter Knecht hatte ihr noch ein paar Utensilien besorgt, um die sie gebeten hatte, und war wieder aus der Küche geschlurft. Dann ging es los.

      Zuerst mussten die sieben Kräuter peinlich sauber gewaschen werden. Nebenbei wurde langsam Fett in einem Topf zerlassen. Dann wurden die Kräuter in einer bestimmten Reihenfolge in einem Mörser so lange bearbeitet, bis sie zu einem Brei geworden waren. Das alles war eine langwierige Arbeit. Es war allerdings unheimlich wichtig, dass alle Kräuter gleichmäßig fein zerstoßen waren, denn sonst konnten sie ihre Wirkung nicht voll entfalten. Meara konzentrierte sich.

      Endlich war alles zu ihrer Zufriedenheit. Das Fett hatte die richtige Flüssigkeit, die Kräuter waren perfekt zerstoßen. Langsam gab sie das heiße Fett unter ständigem Rühren in den Kräuterbrei. Dann bewegte Meara kurz die Finger und murmelte leise „Saira lennan“. Der Mörser zitterte kurz und stand dann wieder still, als wenn nichts geschehen wäre. Anschließend goss sie die Masse in einen kalten Topf, worin das Fett schnell wieder fester wurde. Die Salbe war fertig.

      Hendrik hatte ihr schon eine Zeit lang aufmerksam zugesehen. Meara bemerkte ihn erst, als sie fertig war, und erschrak bis ins Mark. Hoffentlich hatte er den Zauber nicht bemerkt!

      „Entschuldigt, ich wollte Euch nicht erschrecken!“, beeilte sich Hendrik, Meara zu beruhigen. „Es ist ganz erstaunlich, was Ihr alles könnt!“ Hendrik lächelte. „Dann muss die Salbe jetzt ja nur noch wirken.“

      Meara lächelte unsicher zurück. „Das tut sie ganz sicher.“

      Als das Pferd versorgt war, wollte Meara sich verabschieden, aber Hendrik ließ sie nicht gehen. „Es ist schon fast dunkel, da kommt Ihr ohnehin nicht weit. Ich habe viel Platz in meinem Haus und außerdem äußerst selten so kluge und bezaubernde Gäste.“ Er zwinkerte ihr zu.

      Meara bekam gegen ihren Willen ganz rote Wangen, aber sie nahm die Einladung gern an. Hendrik war wirklich ein sehr netter Kerl!

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      Die Sonne hatte sich dem Horizont schon deutlich genähert, als Milan an einem kleinen See ankam. In ein bis zwei Stunden würde es Nacht sein. Im seichten Wasser standen ein paar Graureiher und suchten nach kleinen Fischen. Unsichtbare Vögel zwitscherten im hohen Schilf.

      Milan war hungrig, unterwegs hatte er nur wenig zu essen gefunden. Aber noch mehr sehnte er sich nach einem Bad. Als er in der Nähe des Ufers einen Lagerplatz gefunden hatte, machte er zuerst ein kleines Feuer, streifte sich dann schnell die Kleider ab und ließ sich ins erfrischend kalte Wasser fallen.

      Die Reiher waren von dem Geplantsche und Gepruste alles andere als begeistert und flogen krächzend davon. Milan hatte ihnen das Abendessen verdorben.

      Nachdem er sich gründlich gewaschen hatte, stapfte Milan wieder ans Ufer zurück. Die Sonne hatte bereits den Horizont berührt und beleuchtete seinen von Schrammen und blauen Flecken übersäten Körper. Milan suchte in seiner Gürteltasche, bis er eine kleine Dose mit Salbe gefunden hatte, und rieb sich die schlimmsten Stellen mit der heilenden Substanz ein. Die Salbe kühlte stark und milderte die pochenden Schmerzen.

      Dann machte er sich daran, seine zerrissene Kleidung notdürftig zu flicken. Als er fertig war, betrachtete er sein Werk. Auf einer Hochzeit konnte er sich mit diesen Lumpen sicherlich nicht sehen lassen, aber für den restlichen Weg würden sie ihren Zweck erfüllen. In zwei bis drei Tagen würde er ohnehin in Filitosa sein, dann konnte er sich sicher ausgiebiger um sein arg mitgenommenes Äußeres kümmern.

      Etwas später hockte Milan hungrig in seine Decke eingewickelt am kleinen Feuer und starrte in die Flammen. Er dachte noch einmal an seinen Beinahe-Absturz und schauderte. Was hatte er doch für ein Glück gehabt!

      Während er ins langsam herunterbrennende Feuer schaute, fielen ihm die Augen zu. Ohne dass er es noch wirklich mitbekam, rollte er sich neben dem Feuer in seiner Decke ein und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

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      Quentin war den Rest des Tages völlig in Gedanken versunken. Beim Abendessen erzählte er den anderen dann von seinen Erlebnissen auf dem Marktplatz. Zuerst schilderte er in aller Ausführlichkeit, was er alles gesehen hatte. Dabei fiel ihm ein, dass er ja für Finja ein Geschenk mitgebracht hatte. Er holte das kleine Päckchen aus seiner Tasche und reichte es ihr über den Tisch. Finja machte große Augen, als sie sah, dass Quentin von seinem ersten Geld etwas für sie gekauft hatte. Sofort kam sie um den Tisch herum und drückte Quentin an sich, dass ihm fast die Luft wegblieb.

      Falk saß am Kopfende des Tisches und sah ihn unbemerkt mit einem glücklichen, fast väterlichen Blick an. Er mochte den Jungen wirklich sehr, dabei war er doch erst zwei Tage bei ihnen!

      Dann erzählte Quentin vom Auftritt des Magiers. Er stand immer noch stark unter dem Eindruck der unbegreiflichen Kunststücke, die er gesehen hatte. Falk lachte lauthals über die Tricks und rief immer wieder: „Der ist sein Geld aber wert gewesen!“ Medard hatte in das Gelächter eingestimmt, war aber offensichtlich auch etwas sauer, dass er nicht selbst dabei gewesen war. Naja, irgendeinen Grund zum Sauersein fand Medard schließlich immer.

      Natürlich zeigte Quentin allen die kleine Kugel, die in seiner Hand schimmerte. Erst als er erzählte, wie er sie bekommen hatte, fiel ihm auf, dass der Magier ihn mit Namen angesprochen hatte – den er ja eigentlich gar nicht wissen konnte.

      Finja hatte die ganze Zeit still dagesessen und fragte Quentin nun, ob sie die Kugel einmal haben dürfe. Quentin gab sie ihr bereitwillig, aber sobald