oder doch die unteren Regionen einer Frau reizen sollte, musste man den Mädels ohnehin nicht mehr kommen. Spätestens, wenn man mit einer Frau nackt im Bett lag, war klar, dass etwas, mit körperregionalen Unterschieden, irgendwie in etwas anderes gehörte.
In der Logik einer ernst gemeinten Aufarbeitung, wer der wahre Verlierer dieser Exzesse war, ließen sich einfache Fragen nicht länger ignorieren. Worin lag der Sinn von Triebhaftigkeit? Was hatte er mir gebracht? Welche Erkenntnis konnte ich daraus gewinnen, mich hundertfach verschenkt zu haben? War mein Großstadtleben Segen oder Fluch? Gut! Ich durfte davon ausgehen, dass ich über durchaus brauchbare Erfahrungen im Umgang mit den Verlorenen meiner Stadt verfügte. Doch was nutzten sie?
Ich hatte bis heute einen ausgesprochen geduldigen Schutzengel, schoss es mir bei der Suche nach den Antworten als nächstes durch ins Bewusstsein, einen fassungslos dreinschauenden Bediensteten von Gottes beflügeltem Personal, der mich dennoch wunderbar begleitet hatte. Ich sah ihn neben mir stehen, kopfschüttelnd und nach jedem Akt den Schweiß von der Stirn wischend, weil mir kein Unheil widerfahren war. Vermutlich hatte ich sogar mehrere dieser Jungs verschlissen. Ich war gesund und Kinder hatte ich auch keine, jedenfalls wusste ich von keinem, was spätestens dann der Fall gewesen wäre, wenn ich hätte Unterhalt zahlen müssen, um den Unglücksfall einer Geburt in bezahlbare Bahnen zu lenken, weil ich als Vater nicht erwünscht war.
Da war er also wieder, der Strudel des Eros’ mit seinem Sog. Er würde mir heute erneut, wie damals, jede Standhaftigkeit und jede Moral nehmen, wenn ich mich wieder treiben ließ, weil die Liebe immer woanders war, nur nicht mit mir. Die Vorbotin dieses unbeherrschten Wandels hatte ich bereits getroffen. Immerzu würden mir, hatte ich mich erst einmal derart ergeben, neue Frauen entgegentreten. Sie würden in Betten stöhnen oder sich noch auf der Treppe zu ihrer Wohnung ins Höschen fassen lassen. Sie würden im Auto über mich herfallen oder in den Klos der Kaschemmen zum Angriff blasen. Die Orte des Aktes waren austauschbar, weil schon die Lust keine Scham mehr kannte. Die Stadt, in der ich lebte, brachte immer neues Freiwild hervor. Die Verlorenen strömten aus einem riesigen Reservoir der Verzweiflung auf die Straßen und verwandelten die Bars zu märchenähnlichen Landschaften, in denen statt Milch und Honig sämtliche menschliche Körperflüssigkeiten flossen.
Ging ich durch die Straßen, fuhr ich Auto, Bus oder Bahn, kaufte ich ein oder saß in Bars und Restaurants, erfolgte stets die erste Musterung. Auch die Frauen glotzen ständig. Kamen die, die mir begegneten, als Sexualpartnerin in Betracht, versuchte ich mich ihnen zu nähern. Wer einigermaßen nett war, ein bisschen gebildet dazu und über ein akzeptables Äußeres verfügte, hatte es einfach entsprechende Bekanntschaften zu machen. Wer von alledem ein bisschen mehr besaß und dazu verlogen agierte, weil die nackte Begierde ihn trieb, musste sich selbst so wenig anstrengen. Ich war verlogen. Doch meine Schleimspurensuche kam mir, je länger ich sie reflektierte, erschreckend unheldenhaft vor. Sie machte mich noch bänglicher, während andere vermutlich mit stolzgeschwellter Brust den Verkauf ihrer Seele als Kredo gepriesen hätten, ohne annähernd zu erahnen, wie teuflisch das war. Ich war ein Mann, natürlich. Ein Jäger. Aber ich war geschickt darin, meine Opfersuche mit Charme, Eloquenz und Stil zu maskieren. Und ich war geübt darin, sie schneller und zielsicherer zu erlegen als viele meiner Konkurrenten. Während viele meiner Artgenossen noch mit ihrer absurden Selbstsuche beschäftigt waren, lebte ich die Nachwehen des Nachspiels der Frauenbefreiung.
Die meisten Männer in meinen Umgebungen waren feige und dumm. Sie waren Jammerlappen. Sie hatten möglicherweise davon gehört, dass sich die Rollen im Spiel der Geschlechter irgendwann verändert hatten, doch sie hatten dieses Benehmen weder verinnerlicht noch verkehrt. Sie standen der Entwicklung taten- und willenlos entgegen und sich mit ihren Kleingeistern selbst im Weg. Die Frauen bedienten sich ihrer mit zunehmender Härte und Konsequenz. Wurden Männer zu Opfern, bezeichneten sie ihre Frauen als hinterlistig und soffen sich monatelang die Hirse zu. Viele wünschten sich die Traumfrau, doch sie selbst waren so wenig der Mann weiblicher Visionen. Kamen sie in ihrem Äußeren unvorteilhaft daher, wurden ganze Heerscharen von Agenten bemüht, um sie wider jede Persönlichkeit aufzustylen oder ihnen einen erfolgsorientierten Flirtbenimm beizubringen. Einzig, wenn sie Geld besaßen, viel Geld, war jeder Typ gefragt.
Die meisten meiner Geschlechtsgenossen waren sich darüber hinaus nicht wirklich bewusst, dass sie die Macht verloren hatten, dass sie zum Spielzeug geworden waren, zu einer Figur auf den Schachbrettern der Weiber dieser Republik. Sie hatten es versäumt, sich anzupassen. Ich war mir sicher, dass viele von ihnen immer noch nicht wussten, dass das Blondchen Barbie ihren Ken bereits Mitte der achtziger Jahre aus dem schmucken Einfamilienhäuschen geworfen hatte, weil sie einen Surfer kennen gelernt hatte, dessen wilde Ritte mit der Natur jeden Tag aufs Neue im Bett eine Fortsetzung fanden.
Ihre größte Angst war die weibliche Sexualität. Reihenweise liefen Männer zum Schwanzologen, um sich ihren Penis verlängern zu lassen. Wie oft schon hatte ich sie klagen hören. Weil Frauen ganz selbstverständlich mehr als einen Lover in ihren Betten hatten, befürchteten Männer den Vergleich. Es reichte nicht mehr, ihn nur einmal zu versenken, um sich dann auf die Seite zu legen. Eine Frau zu befriedigen war vornehmlich eine Frage der Dauer, aber wer schon einen Ständer bekam, wenn ihn eine selbstbewusste Frau nur anschaute, sollte besser Mamas Heimschläferkind bleiben. Ohnehin waren viele Söhne der ersten Emanzen entweder verweichlicht oder schwul geworden und damit keine Konkurrenz.
„Jetzt sag’ schon! Ist das dein Geheimnis?“ hatte mich Tom einmal gefragt, als wir an einem dieser Abende der Eroberungen in unserer Bar auf der Lauer gelegen hatten.
Ich berichtete ihm von einer Begegnung mit einer alten Getroffenen. Sie hatte sich mit ihrer Begleiterin zu mir gesetzt und mit zunehmendem Alkoholgenuss aus ihrem Ärger keinen Hehl gemacht, wie sehr ich eine Enttäuschung gewesen war. Ihre Repliken hatten jeden Vorwurf gekannt, den Frauen machen konnten. Ihre vermeintlich beste Freundin war engagiert ins Gespräch eingestiegen, was mich bewogen hatte, auch sie zu sticheln, als die Zeit dazu reif war.
„Was ist mir dir? Bist du allein erziehende Mutter?“ hatte ich von der Gefährtin wissen wollen, die mir durchaus dienlich erschien, ein paar Stunden mit ihr zu verbringen.
„Nein! Wieso fragst du?“
„Willst du dann heute Nacht vielleicht eine werden?“
Sie hatte sich ähnlich empört wie ihre Freundin. Dennoch war sie geblieben und am Ende mit zu mir gekommen. Ihre Fingerfertigkeiten waren nicht einmal schlecht gewesen.
„Yapp! Das ist das Geheimnis. Sie wollen schlecht behandelt werden,” erinnerte ich meine Antwort für Tom. „Sie fragen sich dann viel eher, was sie falsch gemacht haben. Und sie können es nicht ertragen, wenn sie ignoriert werden.“
„Ist es wirklich so einfach? Dass der oder die, die man entweder gar nicht oder nur schwerlich bekommt, besonders reizvoll ist? Ist es wirklich das?“
„Ist es! Es ist so einfach. Genau so!“
Ich hatte Tom damals einen anderen Kniff verraten, Frauen wenigstens für eine kurze Zeit in meinen Bann zu ziehen. Ich blieb einfach bei ihnen, wenn ich gekommen war. Nach wenigen Minuten ließ jede Reizung nach und ich konzentrierte mich darauf, der Vorgabe der männlichen Natur zuvorzukommen. Einfach nicht aufzuhören hieß diese Devise. Nicht zu erschlaffen war das Ziel. Es war tagesformabhängig, doch oft genug hatte ich so die natürlichen Prozesse der Reizweiterleitungen samt dem Ende dieser Impulse in mir genauso überlistet.
Tom war verwundert, probierte sich an dieser Technik und gestand, dass diese Sexpraktik wohl einer besonderen Veranlagung bedurfte. Wenn er in einer Verschleppten explodiert war, meinte er, wünschte er sich in der Regel, dass sie sich in eine Pizza verwandeln könnte oder augenblicklich verschwinden sollte.
Die romantische Verklärtheit vieler Männer, die auch Tom in Wirklichkeit entwickelt hatte, hatte ich noch nie begriffen. Die Frauen von heute wollten zuallererst jene Ewigkeit nicht mehr, mit der viele Pimmelträger in beschämend kitschiger Art immer noch meinten, ihre Auserwählte belegen zu müssen. Zusammen alt und versorgt zu werden, war längst schon so unzeitgemäß wie den Papa zu fragen, seine Tochter ausführen zu dürfen, abgesehen davon, dass weder Mama noch Tochter wussten, wo der Erzeuger seit Urzeiten abgeblieben war. Die Pille und die Selbständigkeit, für sich selbst aufkommen