Achim Grauer

Occupys Soldaten


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Zeder seine kleinen Freunde. 375 Dollar das Stück. – Peanuts. 600 Milliarden Dollar hatte die Investmentgilde im letzten halben Jahr in die Rohstoffbörsen gepumpt, als sie nach dem Platzen der Immobilienblase ein neues Betätigungsfeld gesucht hatten. Der spekulative Handel mit Warenterminpapieren hatte sich zum Renner entwickelt. Und Franz von Moor hatte einen nicht unerheblichen Teil der Transaktionen über das Bankhauses Moor & Moor abgewickelt. Bei einer Bearbeitungsgebühr von 8 bis 10 Prozent auf das abgeschlossene Vertragsvolumen ergoss sich ein warmer Regen von einigen Milliarden in die Kassen der Moorschen Bank.

      Andächtig entnahm Franz dem Spezialschrank eine Cohiba Behike, führte beinahe zärtlich einige Male seine Nase knapp über dem Körper der Zigarre hin und her und sog genießerisch den hauchfeinen Tabakduft in sich auf.

      Ob man ihn eines Tages in einem Atemzug mit Warren Buffet nennen würde? Sein finanztechnischer Geniestreich, die Rohstoffe durch Hamsterkäufe am realen Markt künstlich zu verknappen und damit den Preis in astronomische Höhen zu treiben, hätte es jedenfalls verdient. So kassierte er nicht nur mit den Gebühren risikolos ab, sondern vervielfachte auch noch den Wert seiner Reis-, Mais und Getreideberge, die er in unzähligen Lagerhallen hortete, ins unermessliche.

      Was waren da schon läppische 8-10%. Wir reden hier von einer Rendite von 100-200%. Mit einem Blick auf den Plasmaschirm registrierte er zufrieden, dass der absolute Wert seiner eingelagerten Rohstoffe mittlerweile bei knapp 3,9 Milliarden lag. Tendenz steigend. Nur noch ein wenig Geduld. Noch ein wenig gepokert. Franz grinste. Ja natürlich war er ein Spieler. Das waren sie alle. Das war ja das reizvolle an der ganzen Sache. Das Geniale daran war, dass er keinerlei Risiko dabei einging. Sollte die Blase platzen, dann war er, dann war das Bankhaus „Moor & Moor“ „too big to fail“. Franz lachte leise in sich hinein. Nur noch den letzten Prozentpunkt herauskitzeln. Ja das wollte er. Das musste er.

      „Damit das Mögliche entstehe, muss das Unmögliche versucht werden.“ Franz überfielen wohlige Schauer.Das war eindeutig besser als Sex. Auch wenn Hesse hier philosophierte wie ein katholischer Klosterschüler. Er hatte das Unmöglich geschaffen, weil er die nötigen Mittel besessen hatte und den Mut, sie einzusetzen. Und natürlich weil keine Regierung der Welt ihm Einhalt gebot.

      

      Die kleine Guillotine aus Sterling Silber köpfte das Meisterwerk Kubanischer Zigarrenherstellung exakt 2 mm hinter der Kappe. Mit elegantem Schwung entzündete Franz einen Fidibus und hielt die Zigarrenspitze über die Flamme, drehte sie gleichmäßig, bis sich an allen Seiten Asche bildete.

      Er, Franz von Moor, hatte in den letzten Monaten Werte in einer Höhe angehäuft, die sein Vater innerhalb eines ganzen Lebens nicht erwirtschaftet hatte. Er hatte die Verwaltung des Bankhauses „Moor & Moor“ aus dem historischen alten Familienbesitz hierher in die drei obersten Stockwerke der Taunusanlage 11 im Herzen des Frankfurter Bankenviertels verlegt und sich selbst die Panoramaetage im 16ten Stock mit einem einmaligen Rundblick auf die Doppeltürme der Deutschen Bank, dem Trianon der Deka Bank, der Alten Oper, dem Japancenter, den Garden und Silver Towers, dem Skyper der Deutschen Bundesbank und dem Galileo Hochhaus spendiert. Um nur die Wichtigsten zu nennen. Mitten im Herz der Finsternis. Genüsslich führte Franz die Zigarre an den Mund, schürzte in freudiger Erregung die Lippen, und zog ein paar Mal kräftig an dem edlen Rauchwerk. „Was bin ich doch in guter Gesellschaft“, brummte Franz gut gelaunt. Dünne bläuliche Schwaden feinsten Zigarrenrauchs hüllten ihn ein, wie tiefhängende Wolken eines dieser majestätischen Achttausender. „Meine goldenen Träume“, flüsterte Franz und begann leise zu kichern. Sollte der alte Sturschädel doch in seinem miefigen, unter Denkmalschutz stehenden Granitbunker verschimmeln. „Meine goldenen Träume.“ Vergeblich versuchte Franz die aufkeimende Hysterie zu unterdrücken. Sein Körper schüttelte sich unter dem lautlosen Gelächter. Mit Mühe richtete er sich auf und nahm eine affektierte heldische Pose ein und lies seinen Blick mit bemühter Ernsthaftigkeit durch den Raum streifen.

      „Meine goldenen Träume“, stieß er unter schallendem Gelächter hervor.

      „Willst Du mich nicht teilhaben lassen an deiner ungewohnten Heiterkeit, mein Sohn?“

      Erschrocken fuhr Franz herum und starrte entgeistert in die aristokratischen Gesichtszüge seines Vaters, Ansgar von Moor, die keine Spur von Freundlichkeit zeigten und seine Worte Lügen straften. Franz hatte nicht bemerkt wie der Alte eingetreten war. Jetzt stand er Franz keine 10 Schritte entfernt herausfordernd gegenüber. Seine wachsamen Augen waren pechschwarz und fixierten seinen Sohn mit gnadenloser Kälte.

      The good, the bad and the ugly. – In einer Person. Fehlte nur noch der umgeschnallte Revolver.Zeit zu sterben Fremder. Franz konnte ein hysterisches Glucksen gerade noch unterdrücken. Ein Blick in das Gesicht des alten Mannes tat sein Übriges. Die Lachfältchen um Ansgar von Moors Augen zeugten von einem hohen Maß an Lebensfreude und verliehen dem ergrauten, großen, alten Mann stets eine onkelhafte Aura. Davon war jetzt nichts mehr zu spüren. Die buschigen Augenbrauen prangten wie zwei Ausrufezeichen auf seiner von tiefen Furchen durchzogenen Stirn. Die Nase zeigte spitz und scharf wie die Klinge eines Schwertes anklagend auf Franz. Ansgar von Moor war ein Mann, dessen aufrechte Haltung stets Ausdruck seiner moralischen Größe und seiner Lebensführung gewesen war. Der mangelnde Umgangsformen verabscheute, genauso wie fehlende Bildung oder ein nicht vorhandenes soziales Bewusstsein. Seine ganze Erscheinung strahlte den Stolz eines Mannes aus, der, durchdrungen von seinem humanistischen Gedankengut, ein Bankimperium aufgebaut hatte, das in Politik und Gesellschaft eine hohe Wertschätzung erfuhr. Nicht zuletzt auch, weil Ansgar von Moor nicht müde wurde, die Verantwortung anzumahnen, die seiner Meinung nach erworbene Macht und erwirtschaftetes Geld mit sich brachten. - Wie schaffte es der alte Mann nur, dass er sich in seiner Gegenwart a priori schuldig fühlte?

      Was hab ich dir getan, Vater? Seit Franz denken konnte, hatte er sich bemüht, die Liebe und Zuneigung seines Vaters zu erringen. Gut, nicht immer mit den saubersten Mitteln. Seinem älteren Bruder Karl hatte er ein ums andere Mal übel mitgespielt. Warum musste er ihn auch immer bevorzugen. Karl hier, Karl dort. Der omnipotente tolle Karl.

      Mein Gott, ich kotze gleich. – Das ist doch abartig. – Der Alte schneit hier rein und bei dir geht gleich wieder die „Kain und Abel Nummer“ ab. Da hat ja jeder Zulukaffer mehr Rückgrat. Das ist ja lächerlich. Vor dir steht ein Finanzgenie, Vater. Ein weit größeres als du es jemals warst. Respekt, Vater. Nur ein einziges Mal. Respekt. Franz lehnte sich betont lässig an das bis zur Decke reichende Bücherregal.

      „Was kann ich für dich tun, Vater? Was verschafft mir die Ehre deines geschätzten Besuches?“

      Ansgar von Moor musterte seinen Sohn von Kopf bis Fuß und in seine Gesichtszüge mischte sich kaum merklich eine Spur Ekel und Abscheu. Er war immer stolz gewesen auf seine Selbstbeherrschung. Auf seine Selbstdisziplin. Aber Franz brachte ihn regelmäßig an seine Grenzen. Wut stieg in ihm auf.

      „Das Wort Ehre werde ich nicht in einem Satz mit deinem Namen führen, Franz. Ehre will verdient sein. Der Ehre muss man sich würdig erweisen. Aber dazu bedarf es eines Charakters.“ Ansgar von Moor hielt einen kurzen Augenblick inne und sah seinen Sohn noch einmal prüfend an. Franz hielt seinem Blick trotzig Stand. Nur ein nervöses Zucken seines rechten Mundwinkels verriet seine Anspannung.

      „Bist du nur gekommen um mich zu beleidigen?“ Er würde sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lasse. Das hatte er sich geschworen. Niemals mehr. Nicht von Ihm.

      „Der große Ansgar von Moor lässt sich zu einer infamen Pöbelei herab?“ Also mutig nach vorne. Was hatte er schon zu verlieren. „Womit hab ich das verdient, Vater?“

      Einen kurzen Augenblick schien der alte Mann zu zögern, dann aber straffte sich seine Haltung wieder. Bitterkeit lag jetzt in seiner Stimme.

      „Beleidigen kann ich einen Mann nur, wenn er wenigstens einen Funken Ehre im Leib hat. Von Ethik und Moral will ich gar nicht erst anfangen, denn ich bin überzeugt, solche Begriffe übersteigen deine Auffassungsgabe.“

      „Wird das jetzt eine Vorlesung auf deinem Spezialgebiet?“, kam es höhnisch von Franz zurück. „Der Homo sapiens sapiens