Achim Grauer

Occupys Soldaten


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mühelos Franz großzügiges Büro, sodass der unwillkürlich einen Schritt zurück wich.

      „Wie erklärst du mir die 3,9 Milliarden Gewinn aus Transaktionspapiergeschäften? – Und warum besitzt „Moor & Moor“ bald mehr Lagerhäuser mit Getreide, Reis und Mais als zufriedene Sparbuchkunden?“

      Aus. Vorbei. Franz hatte gehofft... Wie infantil naiv!

      „Glaubst du, ich kann nicht eins und eins zusammen zählen?“ Donnerte der Alte Moor weiter. „Du hast aus dem ehrbaren Bankhaus „Moor & Moor“ eine erbärmliche Spekulantenklitsche gemacht.“

      „Vater, ich...“, setzte Franz an, aber Ansgar von Moor schnitt ihm das Wort ab.

      „Deine Zeit ist abgelaufen, Franz. Du bist raus. - Das Leid, das du Millionen Menschen mit deiner Preistreiberei angetan hast, zerstört jegliche Menschlichkeit in mir.“

       Kant. Er zitierte Kant.

      „Meine Geduld ist erschöpft.“

      Diese Selbstgefälligkeit. Wie er seinen Vater dafür hasste. Der alte Sack führt sich auf wie ein Renaissancefürst. Franz spürte, wie der Boden unter ihm zu wanken begann. Der Mund wurde ihm trocken. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Und ich zittere schon wieder vor ihm. Warum? Weil er mein Vater ist?

      „Du willst mich rauswerfen, Vater?“, krächzte Franz. Vater... Er nannte ihn Vater. Aber was hieß das schon. Hatte er ihm jemals das Gefühl gegeben, geliebt zu werden? Geliebt ohne Absicht und nicht als Belohnung für was auch immer. Geliebt einfach nur weil er existierte. Weil er sein Sohn war. Ich bin aus dem gleichen Ofen geschossen wie der Bastard, den du immer bevorzugst.

      „Karl, immer nur Karl!“, zischte Franz hasserfüllt, den Kopf gesenkt und vor unterdrückter Wut bebend. „Ich bin dein Sohn.“, hauchte er tonlos, bevor er förmlich explodierte und seine Stimme sich hysterisch überschlug. „Ich bin auch dein Sohn, Vater. Vergiss das nicht. – Und was deine antiquierte Weltanschauung betrifft...“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. Starrte seinen Vater an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Und dann geschah etwas Merkwürdiges mit ihm. Es war, als hätte er die Schwerkraft überwunden, so leicht fühlte er sich mit einem Mal. Ihm wurde warm. Er nahm den Raum plötzlich mit einer Intensität war, die er in dieser Reinheit nicht einmal von seinen unzähligen gezogenen Lines kannte. Und der Raum sprach zu ihm. Natürlich nicht in Worten, er war ja nicht verrückt. Nein, nein. Der Raum sprach zu ihm in einer Weise, die keiner Worte bedurfte. Der Raum gab ihm zu verstehen, dass er, Franz von Moor, allein in diesem Raum war. - Ansgar von Moor hatte aufgehört zu existierten. – Für ihn. Er hatte keinen Vater mehr.

      Rührung überkam ihn. Und eine tiefe Ruhe. Denn nun wusste er was zu tun war.

      3 Tage zuvor: Kennen Sie Milton?

      Das gleißende Licht blendete ihn völlig und brannte schmerzhaft auf seiner Netzhaut. Der Kopf brummte wie ein Bienenkorb. Als er seine Hände schützend vors Gesicht halten wollte, stellte er erschrocken fest, dass sie an einem Stuhl festgebunden waren. Auch den Kopf zu drehen oder zu blinzeln gelang ihm nicht. Kopf und Augenlider waren mit irgendeiner Vorrichtung fixiert worden. Ihm wurde schlecht. Sein Herz begann zu rasen. Panik stieg in ihm hoch. Was hatte das zu bedeuten? Eben hatte er noch in der Havanna Bar gesessen und an seinem Admiral Highball genippt, er liebte diese Mischung aus Tokajer, Whisky, Ananassirup und Zitronensaft und dann: Filmriss. Jetzt saß er völlig nackt an eine Art Zahnarztstuhl gefesselt.

      „Guten Abend, Herr Schollenbruch. Schön das Sie wieder bei uns sind. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“ Erschrocken zuckte Schollenbruch zusammen. Die Stimme traf ihn wie ein Peitschenhieb. Ihm wurde schwarz vor Augen. In seinen Ohren schien sich ein Orkan auszutoben. Atmung und Herzschlag setzten aus. Sein Kreislauf kollabierte. Dann wurde mit einem Schlag alles still.

      Danke... Mama? Ein beißender Geruch riss ihn wieder aus seiner Ohnmacht. Riechsalz. Verzweifelt versuchte er seinen Kopf von der Quelle dieses grausam stechenden Geruchs wegzudrehen.

      „Na, na, na, Herr Schollenbruch, Sie werden doch nicht jetzt schon schlapp machen? Wir haben doch noch gar nicht angefangen?“

      Nicht angefangen? Ich piss mich gleich an und du sagst mir... Wenn er nur etwas sehen könnte.

      „Bemühen Sie sich nicht, Herr Schollenbruch. Sie werden mich in der kurzen Zeit unseres gemeinsamen Projekts nicht zu Gesicht bekommen. Und glauben Sie mir, das wollen Sie auch gar nicht.“

      Die Stimme war mit einem billigen Verzerrer bis zur Unkenntlichkeit verändert worden. Er hatte keine Chance herauszufinden, wer sich dahinter verbarg.

      Bist du ein Mann oder eine Memme? Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Eingebrannte Verhaltensregeln. Er konnte die Situation immer noch kontrollieren. Er war intelligent. Bei einem Intelligenzquotienten von einhundert-dreiundzwanzig sogar überdurchschnittlich intelligent. Und Intelligenz war der Schlüssel zu jeglicher Lösung, das wusste er. Er merkte wie er ruhiger wurde.

      Ich muss die Initiative ergreifen. Das Gespräch kontrollieren. Die vielen Seminarstunden „Verhandlungsstrategien in Ausnahmesituationen“ die er und seine Vorstandskollegen sich gegönnt hatten, begannen zu greifen. 10-9-8-7... Die Zehnschritte Methode der Profigolfer. Mach ihm Angebote. 6-5-4-3... Tiefenentspannung bei 0. Gib ihm Wahlmöglichkeiten. 2-1-0. Wer wählen kann denkt nach und wer nachdenkt handelt nicht.

      „Hören Sie, ich habe Geld. Sagen Sie mir wie viel Sie wollen. Ich bin nicht nachtragend.“ Keine Reaktion. „Ich habe Beziehungen.“ Sein Peiniger rührte sich noch immer nicht. War er etwa gegangen? „Bitte sagen Sie doch etwas.“ - Stille. „Wenn Sie mir sagen, was Sie von mir wollen, werde ich sehen was ich für Sie tun kann.“ Immer noch rührte sich nichts hinter dem Wall aus Licht. Keine Bewegung, kein Laut.

       Der will dich abkochen. Mach weiter.

      „Sie wissen ja offensichtlich wer hier vor ihnen sitzt. Sie sind ein intelligenter Mensch und ihnen wird auch klar sein, wie mächtig meine Kontakte sind. Es gibt keine Grenzen. Nichts ist unmöglich.“

       Jetzt sag halt was du arroganter Kretin.

      „Lassen Sie uns das Ganze doch wie zivilisierte Menschen behandeln.“

      „Ah, voilà Monsieur le Spéculateur. Ca c’est le sujet d'actualité.“

      Der Kretin war gebildet. – War das jetzt gut oder schlecht? Schnell ging Schollenbruch alle Szenarien, die ihm einfielen durch und landete schließlich, Ironie des Schicksals, bei seinem eigenen Sinnspruch. Seinem Karrieremantra:

      Gegner, die man unterworfen hat, muss man entweder glücklich machen oder vernichten! - Nicht gut! Das war gar nicht gut! – Um genau zu sein, war das richtig Schei... – „Ruhig bleiben, Johannes! – Reiß Dich zusammen! – Noch hat er Dich nicht unterworfen! Vorsichtig nahm Schollenbruch das Gespräch wieder auf.

      „Möchten Sie mit mir über unsere Zivilisation sprechen? Oder über den zivilisierten Menschen an sich? Bitte, ich stehe ihnen voll und ganz zur Verfügung. Ich habe Zeit und laufe ihnen bestimmt nicht weg.“ - „Therapeutischer Humor, richtig angewandt, schuf die Möglichkeit angstauslösende Situationen neu zu bewerten und stellte außerdem eine persönliche Verbindung zwischen den Gesprächspartnern her.“

      

      Aus dem Licht schoss ein Schatten auf ihn zu. Er erkannte die Umrisse einer Guy Fawkes Maske. Erschrocken verspannte sich sein Körper und die Fesseln gruben sich ihm tief ins Fleisch.

      „Herr Schollenbruch, halten Sie mich nicht für dümmer als Sie es sein können. Strengen Sie ihren Spekulantenschmalz ein bisschen an, andernfalls kann das hier sehr schnell sehr unangenehm für Sie werden.“

      „Halten Sie das hier vielleicht für angenehm?“ Die harte Tour...Du musst ihm Paroli bieten.

      „Halten