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kommentierte Robert.

      „Nichts auf der Welt ist jetzt wichtiger als Nuko!“ schloss Paula ab und entfernte sich in ihr Zimmer ohne einen weiteren Laut von sich zu geben.

      Nach einem wärmeren Sonntag kam wieder ein kühlerer Montag. Am Abend dieses Tages klopfte erneut jemand an der Tür. Noch bevor Paula diese öffnen konnte, ging diese schon scheinbar von selbst sperrangelweit auf. Es war der Detektiv. Nicht der kleine Schmitt mit dem bisschen grauen Haar. Es war ein hoher Mann mit hochgelegten Haaren und einem Deutsch-Russlandanstecker auf seinem bleistiftgrauen Anzug. Er stellte sich vor:

      „Meine verehrten Damen und Herren, guten Abend, Detektiv Petrov, zu ihren Diensten. Ich werde alles tun, um den Jungen zu finden!“

      Diesen Satz sprach er langsam, sehr überzeugt und zielbewusst, ohne jegliches Lächeln. Und ohne jeglichen Akzent. Anders als Schmitt begab er sich nicht gleich in Nukos Zimmer, sondern ging mit großen, langsamen Schritten durch den Raum, eher die etwas bezüglich seines Auftretens überraschten Personen ihm etwaige Fragen stellen konnten. In der Mitte des Zimmers blieb er stehen und versank für einen kurzen Moment in seinen Gedanken. Anders als Schmitt streifte er seine schwarzen, bis zum Glänzen polierten Schnürer von Gucci nicht tausendmal an den Fußmatten ab. Streukiesel, der in seinen Sohlen stecken blieb, kratzte sich schon tief in das Nussbaumparkett ein, jedoch traute sich keiner, den Detektiv darauf aufmerksam zu machen. Sein Blick war durchdringend und hart. Seine Augen, hellblau, genauso wie seine Krawatte. Paula gefiel der neue Detektiv sofort. Sie wusste sofort: Dieser Typ, auch wenn er etwas streng erscheine, er wird Nuko finden, egal was er dafür auf den Tisch legen wird. Nach einer kleinen Pause kündigte Petrov an:

      „Setzten wir uns doch alle erstmal hin!“

      Als nächstes wandte er sich an Paula:

      „Dürfte ich fragen, wie sie mit Vornamen heißen, Madame?“

      „Sie können mich duzen, Herr Petrov. Mein Name ist Paula!“ sprach Paula etwas stotternd.

      „Also dann Paula, erzähl mir alles über deinen Franzosen!“

      „Eigentlich ist Nuko ein Polynesier!“

      „Es gehört doch zu Frankreich, also ist er immer noch Franzose!“ sprach Petrov so überzeugt, dass Paula ihm gar nicht widersprechen wollte.

      Auf seinem Schoß lag eine noch dünne, verschnürte Mappe auf der in Kyrillischen Lettern folgendes gedruckt war:

      ДЕЛО № 576 (Verfahren № 576)

      Unterhalb dieser Zeile befand sich noch Weitere, in welche etwas von Hand dazugeschrieben wurde:

      ИМЯ: Нуко (Name: Nuko)

      ФАМИЛИЯ: ? (Familienname: ?)

      Nun hörte sich der Detektiv alles genau an. Dabei unterbrach er die Erzählenden oft und stellte viele Fragen. Er wollte alles bis ins kleinste Detail wissen. Anders als Schmitt hatte er kein Miniatur-Polizei-Notizbuch, sondern eher einen Zeichenblock dabei. Paulas Vater schaute interessiert hinein. Außer kleinen Notizen, zeichnete Petrov schon eine ganze Strategie in sein Heft. Darauf machte er den Block zu, stand ohne Worte auf und schritt in Richtung Nukos Zimmer. Dabei achtete er überhaupt nicht auf Johanna, die ihm gerade etwas lebhaft erzählte. Man hatte den Eindruck, Petrov habe einen Geistesblitz bekommen.

      „Sind diese ganzen Sonderermittler eigentlich immer so unhöflich, und wollen einen einfach nicht zu Ende ausreden lassen?“ sprach Johanna leise vor sich hin.

      „Vielleicht liegt es ja einfach an deinen Redegepflogenheiten!“

      „Robi, die Nachspeise kannst heute vergessen!“

      Mit einem großen Schritt überwand er die Absperrung und begann das Zimmer zu untersuchen, ohne jegliches Hilfsmaterial und Gummihandschuhe. Schon nach drei Minuten fand Petrov im Zimmer mindestens genauso viel, wie Schmitt und die Anderen. Es handelte sich um eine halbe Zigarette, die er nach dem Aufheben zu kneten und den Tabak zwischen den Fingern zu zerreiben begann. Für einen kurzen Augenblick bildete sich eine Grimasse des Abscheus auf seinem Gesicht.

      „Hoyo de Monterrey!“ murrte Petrov.

      „Ja…“ sagte der Detektiv mit einer gesunkenen und leicht besorgten Stimme. Er ließ den Tabak wieder auf den Boden fallen und ging zurück ins Wohnzimmer, zusammen mit neugierigen Zuschauern, die jedoch ganz brav die ganze Zeit über hinter dem Absperrband standen und den Profi bei der Arbeit beobachteten.

      „Wie ist ihnen das so einfach gelungen?“ fragte Johanna sehr interessiert.

      „Die einfachste Art, ein Gegenstand zu verstecken besteht darin, es auf den sichtbarsten Platz zu legen. Oft bemerkt man, wenn man sich mit Pinsel und Handschuhen ausrüstet, die Dinge, nach denen man die ganze Zeit sucht, gar nicht!“ beantwortete Petrov sehr seriös.

      Johanna begann schon etwas an der professionellen Arbeit des neuen Detektivs zu zweifeln, schloss sogar nicht aus, dass Petrov die Zigarette nur mitgebracht hätte, um Furore auf alle auszulösen. Sie wollte jedoch weiterhin intelligent aussehen und stellte deshalb der Person im grauen Anzug eine Frage:

      „Waren da nicht Fingerabdrücke an dieser Zigarette, die sie da vorhin zerdrückten, oder so?“

      Petrov entgegnete ihr prompt:

      „Die Arbeit eines Detektivs besteht nicht nur darin, Einzelstücke aufzusuchen, sondern auch diese wie ein Puzzle zu einem großen Ganzen zusammenzulegen!“ Zwar blieb Johannas Frage genauso, wie beim ersten Mal, unbeantwortet, doch auch die Lust, weitere kluge Fragen zu stellen, verschwand rasant.

      Es war schon Viertel vor Zwölf, als Petrov endlich die Idee bekam, langsam die Arbeit für den ersten Tag zu beenden. Zum Schluss, wieder in Gedanken versunken, machte er nur einen kleinen Kopfnicker und sprach noch ein kurzes «Wiederseh’n», bevor er draußen im und in der Dunkelheit verschwand.

      Dienstagabend kam Petrov wieder. Diesmal trug er einen hellgrauen Anzug und eine pink-gepunktete Krawatte.

      „Interessante Farbwahl für eine Krawatte für einen Detektiv!“ kommentierte Paula.

      „Pink ist eine meiner Lieblingsfarben, doch es wäre ja geradezu unanständig für einen Detektiv, am Arbeitsplatz in einer pinken Hose oder einem rosa Anzug zu erscheinen. Also muss man sich auf kleine Details reduzieren!“

      „Also normal ist es nicht für einen Mann“ sagte Robert, als Petrov im anderen Zimmer war.

      „Die Kleinigkeit kann man ihm doch verzeihen, Hauptsache er findet Nuko. Außerdem mag ich pink auch sehr gerne!“ spaßte Paula.

      Als sie später wieder zusammensaßen, wandte sich Petrov zu Paula und begann zu sprechen:

      „Ich werde voraussichtlich diese Woche nach Russland fliegen, denn dort befindet sich mein eigentlicher Arbeitsplatz!“

      „Vielleicht könnte ich dort auch behilflich sein?“ fragte Paula vorsichtig.

      „Auf keinen Fall, in so ein Land lass ich dich nicht ohne anständige Begleitung fahren!“ rief Robert mit einer entsetzten Stimme.

      „Eher nicht, du wirst mich bei der Arbeit nur stören, außerdem musst du zur Schule gehen!“ fügte Petrov ernsthaft hinzu.

      Paula verstand, dass genau jetzt der richtige Moment gekommen war, Petrov die ganze Geschichte über ihre Edelsteine zu erzählen, natürlich sollten die Geschichten den Familienkreis dabei nicht verlassen.

      „Vor mehr als einem Jahr… – fing Paula an – … und jetzt sind beide Steine bei mir!"

      Petrov machte nur eine kleine Bewegung mit dem Kopf und sprach schließlich: „Ich überleg es mir noch!“ bevor er, wie am Vortag, mit einem weiteren kleinen Kopfnicken sich bei den Hofers verabschiedete und ihr Haus verließ. Genau in dem Zeitpunkt klingelte das Telefon. Es waren Paulas Oma Rosa und Opa Alfred, sie telefonierten gerade aus Schweden.

      „Wir haben heute Elche gesehen und ich ging sogar auf Jagd“, setzte Alfred ein.

      „Er