Ausbruch der Wirtschaftskrise, eine Vielzahl an Neuerscheinungen, die sich mit den systemimmanenten Nachteilen des kapitalistischen Wirtschaftssystems auseinandersetzen. Zudem wurde schon vor mehreren Jahrzehnten der geringe Unterschied zwischen Mensch und Tier eindrucksvoll herausgestellt. Mein Ziel ist es, diese beiden Themenkomplexe zu vereinen und als das darzustellen, was sie sind: Ursache und Wirkung.
In den ersten beiden Kapiteln konzentriere ich mich hauptsächlich auf die inneren Vorgänge, die uns zum Menschen machen, und welche davon problematisch für den weiteren positiven Verlauf der Menschheitsgeschichte sind. Welche Auswirkungen sich aus dem menschlichen Bauplan ergeben, wird Bestandteil meiner Überlegungen in den Kapiteln drei bis sechs sein. Anschließend gehe ich in Kapitel sieben auf die wahrscheinliche Zukunft näher ein. Wie man diese zu erwartende dramatische Verschlechterung der derzeitigen Situation verhindern könnte, beleuchte ich im abschließenden achten Kapitel.
1 Waal, Frans de: Der Affe in uns, S. 26
I – Nah am Affen gebaut
„Gott hat den Menschen erschaffen, weil er vom Affen enttäuscht war. Danach hat er auf weitere Experimente verzichtet.“
(Mark Twain)
Triebgesteuert
Dieses Buch über die Zukunft der Menschheit beginnt, wie der Mensch selbst: mit Sex. Natürlich durch eine neutrale Brille betrachtet, die wir uns von einem beobachtenden Wissenschaftler ausgeliehen haben.
Einige Leser werden sich fragen: „Was hat der Geschlechtsakt mit den Auswüchsen des Kapitalismus zu tun?“ Diesen antworte ich: „Mehr als Sie denken“ und „Warten Sie es ab“.
In diesem Kapitel möchte ich in einem kleinen Exkurs verdeutlichen, wie wichtig das Gehirn für unser Leben ist. Der bekannte Gehirnforscher Dick Swaab behauptet in seinem gleichnamigen Buch sogar, dass „wir unser Gehirn sind“. Das Handeln wird zu 100 Prozent vom Gehirn gesteuert. Da unser Rechenzentrum das Ergebnis einer mehr als drei Milliarden Jahre dauernden Evolution darstellt, darf es nicht verwundern, wenn biologische Restbestände unbewusst tief in uns schlummern und dafür sorgen, nicht immer erklärbare Entscheidungen zu fällen.
Der Sexualtrieb stellt einen wichtigen Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit dar. Auch deshalb eignet er sich gut, um zu zeigen, dass der Mensch vielen Tieren entwicklungsgeschichtlich näher steht als gemeinhin bekannt ist. Bereits Charles Darwin stellte 1871 fest, „dass es keinen grundlegenden Unterschied zwischen dem Menschen und den höheren Säugetieren hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten gibt.“
Ohne Fortpflanzung gäbe es weder den Menschen, noch seine nächsten Verwandten, Schimpansen und Bonobos, nicht einmal Mäuse oder Fliegen. Unsere Spezies ist auf Sex angewiesen, um sich selbst zu erhalten. „Reproduktion ist zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen.“1 An sich eine triviale Erkenntnis, dennoch sind Menschen immer wieder verwundert, weshalb dieser Trieb über rationale Entscheidungen gestellt wird. Viele Scheidungsanwälte können davon gut leben.
Die Sexualität ist überall auf der Welt durch Rituale und Strafen reguliert, da sie wegen der damit verbundenen Fortpflanzung nicht nur eine biologische Komponente besitzt, sondern auch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflüssen unterliegt. Dennoch ist folgendes festzustellen: „Ein funktionsfähiges Moralsystem löst seine Regeln selten völlig ab von den biologischen Imperativen des Überlebens und der Reproduktion.“2 Dies zeigt sich in unseren Tagen etwa in einem nach wie vor größeren „Verständnis“ für Seitensprünge von Männern und der Bevorzugung der Mutter bei einer Sorgerechtsentscheidung.
In zahlreichen Umfrageuntersuchungen behaupten Wissenschaftler, dass Männer über einen stärkeren Sexualtrieb als Frauen verfügen. Aber diese Umfragen können als Beleg dafür dienen, dass sowohl Männer als auch Frauen in Bezug auf Sexualität nicht die volle Wahrheit sagen. Bei einer Umfrage mit Collegestudenten gaben die weiblichen Testpersonen der ersten Gruppe an, dass sie durchschnittlich 2,6 Sexualpartner in ihrem Leben hatten. Die Teilnehmer der zweiten Testgruppe dachten, dass sie von einem Lügendetektor überwacht werden. Diese Frauen gaben einen Durchschnittswert von 4,4 Sexualpartnern an – 1,8 Partner mehr als die „ungeprüften“ Teilnehmer. Bei den Männern zeigte sich ein entgegengesetztes Bild – allerdings nicht so extrem. Ohne Lügendetektor gaben sie 4,0 Sexualpartner an, mit angeblicher Überprüfung des Wahrheitsgehalts ihrer Aussage 3,7 Sexualpartner.3 Die Forscher halten die sozialen Erwartungen an das sexuelle Verhalten verantwortlich für dieses „Flunkern“ – besonders bei Frauen. Dieses Experiment verdeutlichte, dass die „Paarung“ auch für Frauen wichtiger ist als gemeinhin angenommen wird.
Außerdem beweisen die traditionellen Umfragen zur Sexualität, dass viele als gesichert angesehene wissenschaftliche Fakten ein Ablaufdatum besitzen, oftmals dadurch zustande gekommen, dass die Forscher zu viel Vertrauen in die Wahrheit der Aussagen der befragten Personen hatten. Was heute noch als richtig gilt, kann morgen schon widerlegt sein.
Vorurteile bergen oftmals einen wahren Kern in sich. Aber manchmal ist auch genau das Gegenteil der Fall. Wohin schauen Männer bei Frauen zuerst? Viele Leser und vor allem Leserinnen werden jetzt mit Überzeugung behaupten, auf Brust oder Po. Weit gefehlt. Wie Tests ergaben, richtet das (heterosexuelle) männliche Geschlecht beim Anblick einer Frau in einer pornographischen Szene die Augen zuerst auf das Gesicht, um dann in südlichere Gefilde vorzudringen. Also sind Männer doch nicht so viel anders als Frauen, werden Sie jetzt denken. Doch. Frauen schauen nämlich bei Pornos zuerst auf das Glied und sehen anschließend auf das Gesicht. Glauben Sie nicht? Dann fragen Sie die Wissenschaftler vom Center for Behavioral Neuroscience in Atlanta.4 Hier kann man zwei Punkte feststellen: Manches stellt sich anders dar als man denkt und die rudimentäre Steuerung des Sexualtriebs betrifft sowohl Männer als auch Frauen.
Wie sehr dies zutrifft, lässt sich gut an einem Thema verdeutlichen, über das nach dem Zweiten Weltkrieg der Mantel des Schweigens ausgebreitet wurde. Während sich die deutschen Männer an der Front befanden, blieben die Ehefrauen zurück und mussten oftmals die schwere Arbeit, etwa auf dem Bauernhof, alleine weiterführen. Um sie zu unterstützen, wurden Kriegsgefangene zur Hilfeleistung abgestellt. Nachdem der biologische Kern eines Menschen sich niemals ganz abstellen lässt, begannen einige dieser Frauen eine Liebesbeziehung mit einem Kriegsgefangenen, obwohl den Frauen bekannt war oder bekannt gewesen sein sollte, dass eine derartige Liaison gesetzlich untersagt war. So wurden viele Frauen zu Gefängnisstrafen verurteilt und die Kriegsgefangenen erhängt. Objektiv betrachtet ist es schon verwunderlich, wieso eine Frau unter diesen Umständen eine Beziehung beginnt. Einzige Erklärung: Ab einem gewissen Punkt übernimmt der Trieb die Steuerung und führt auch zu für sich selbst und andere gefährlichem Verhalten. Für die Natur ist dieses jedoch absolut sinnvoll. Wird so die eigene Art doch unter allen Umständen erhalten.
Ein Kampf im Inneren
Was die primitivsten Wünsche des Menschen sind, ist uns in der von Konsum bestimmten Welt oft nicht einmal mehr bewusst. Haben Sie schon einmal bei den Handygesprächen anderer Menschen zugehört? Natürlich nicht absichtlich, was soll man auch machen, wenn der Sitznachbar in der U-Bahn inbrünstig telefoniert. Ist Ihnen dabei aufgefallen, wie banal die meisten Gespräche sind? Es geht um den Freund/die Freundin, ums Essen, was man am Wochenende gemacht hat – hin und wieder sogar mit wem – und sonstige alltägliche Dinge. Hieran erkennt man gut, was für die meisten Menschen zählt. Nur selten bekommt man ein Gespräch mit über politische Themen oder wissenschaftlichen Austausch. Sicher, diese Interessenbereiche werden vermutlich eher persönlich oder im Internet behandelt. Dennoch lässt sich feststellen, dass zwischenmenschliche Interaktion sich wie bei unseren haarigen Vorfahren vor allem um zwei Dinge dreht: Wer wen gelaust hat und dass man den Bauch vollbekommt.
Treffend hat eines der „menschlichen Urbedürfnisse“ Diogenes von Sinope benannt, als