Markus Tödter

Affentheater, letzter Vorhang


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Wolf, der seinen kleinen, individuellen Interessen Vorrang gibt, kann bald allein Mäuse fangen.“36 Dies gilt auch für den Menschen. „Individualisten und Eigenbrötler hatten keine Überlebenschance; aus dem Grund ist in unserem Erbgut das Abweichen von der Mehrheitsmeinung überhaupt nicht vorgesehen.“37 Die meisten Menschen scheuen es, sich gegen den Standard zu wenden. Man könnte despektierlich sogar von einem Herdentrieb sprechen, wenn Menschen zum Beispiel eine Organspende ablehnen, wenn man sich aktiv dafür entscheiden muss, dieser jedoch nicht widersprechen, wenn der gesetzliche Rahmen als Standard die Organentnahme vorsieht.

      Dass diese Konformität auch bereits bei Tieraffen besteht, konnte durch einen Versuch der Primatologen Erica van de Waal und Andrew Whiten von der University of St. Andrews und Christèle Borgeaud von der Université Neuchâtel nachgewiesen werden. Sie fütterten zwei Gruppen Grüne Meerkatzen mit zwei Sorten unterschiedlich gefärbtem Popcorn. Eine Sorte war jedoch zuvor mit einem Bitterstoff ungenießbar gemacht worden – in jeder Gruppe eine andere. Nachdem zehn Männchen in eine andere Tiergruppe versetzt worden waren, übernahmen neun von ihnen die Vorliebe der neuen Gruppe, obwohl nun wieder beide Sorten Popcorn genießbar waren. Nur ein Alpha-Männchen ignorierte die Vorgabe und griff weiter zu dem für ihn vertrauten Futter.

      Im Zusammenleben mit anderen Gruppenangehörigen gilt es, diesen zu helfen, um die Überlebenschancen zu steigern. Diese Hilfe beinhaltet stets einen Schuss Eigennutz. Nach dem Motto: Helf ich dir, hilfst du mir. Dies geht sogar so weit, dass man nicht explizit eine Gegenhilfe von der Person erwartet, der man geholfen hat. Dieses „Recht“ liegt mehr als ein Anspruch gegenüber der gesamten Gruppe vor. Wenn jeder jedem hilft, ist damit auch allen geholfen.

      Ein gravierendes Problem aus diesem Pfeiler unseres Verhaltens ergibt sich jedoch, wenn sich Teile der Gruppe nicht an dieses ungeschriebene „Gesetz“ halten. Und nachdem unsere Gruppe im Laufe der Zeit immer größer wurde und im Endeffekt jetzt mindestens die Bevölkerung Deutschlands umfasst, durch die Globalisierung vermutlich sogar die ganze Weltbevölkerung, muss man entsprechend auch darauf achten, wer aus dieser gigantischen Gruppe dieses soziale „quid pro quo“ bricht. Auf genügend Beispiele werde ich im Laufe des Buches noch eingehen.

      Um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe zu stärken, werden jedoch oftmals Mitglieder stigmatisiert. Für die Gruppe ergibt sich ein Machtgefühl, wenn Schwächere verachtet werden. Auch in unseren Tagen ist dies noch häufig zu beobachten, etwa bei HIV-Infizierten oder Menschen mit psychischen Krankheiten. Hieran zeigt sich einmal mehr, wie gespalten sich das menschliche Verhalten offenbart.

      Globales Affentheater

      In diesem Kapitel habe ich einen sehr weiten Bogen gespannt von der Sexualität des Menschen über die Funktionsweise seines Gehirns bis hin zu hierarchischen Ordnungen. Mir war dabei besonders wichtig zu zeigen, dass der Mensch mehr Tier ist als er weiß oder eingestehen möchte. Nur mit diesem Verständnis ist es in meinen Augen möglich, das Dilemma zu erkennen, in dem sich die menschliche Spezies zu Beginn des 21. Jahrhunderts befindet. Von mächtigen Interessengruppen wird eine Scheinwirklichkeit aufgebaut, die der Bevölkerung vorgaukelt, dass zumindest in den Industriestaaten gerechte Zustände herrschen. Sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in rechtlicher und sozialer. Die meisten Menschen sind dafür sogar dankbar und hinterfragen diese „künstliche Realität“ nicht. Wie Marionetten lassen sie sich von einzelnen Vertretern der Menschheit an unsichtbaren Fäden über eine Bühne führen. Und diese Bühne befindet sich im Affentheater Erde. Die Gründe dafür, dass so viele Bürger dies nicht zu erkennen vermögen, liegen vor allem im animalischen Kern des Menschen.