dabei ist, die Bibel nach einem Code zu durchsuchen, in dem angeblich Mitteilungen versteckt wurden, kann anschließend auch noch nach den passenden Stellen suchen, um den nächsten Exorzismus gleich selbst ausführen zu können. Denn wie heißt es so schön: Die Bibel im Haus ersetzt den Pater.
Besonders interessant wird die Parapsychologie, wenn sich das US-Militär dafür interessiert. Dabei muss gar nicht – wie bei George Clooney der Fall – auf Ziegen gestarrt werden. Man kann auch versuchen, mittels Fernwahrnehmung und dem Einsatz von 20 Millionen Dollar, während des Kalten Krieges Informationen über Atomraketen und geheime Militärgelände zu erlangen.16 Aber nicht nur die Streitkräfte vertrauen gerne auf die Unterstützung durch übersinnlich Begabte. Darauf vertraut auch immer wieder die Polizei – unter anderem bei der Aufklärung der NSU-Mordserie, die im siebten Kapitel dieses Buches noch Thema sein wird, bei der die Hamburger Ermittlungsbehörden einen iranischen „Metaphysiker“ zu Rate zogen.17 Aber die Hamburger Polizisten stehen hier nicht allein – nach dem Sprengstoffattentat der Terrorgruppe in Köln befragten Kripo-Beamte eine Wahrsagerin. Vielleicht hätten die Ermittler ja auch einfach nur ein Ouija, ein Hexenbrett, in die Hand nehmen sollen, um die Mörder zu identifizieren.
Besonders beliebt in der Bevölkerung ist der Glaube an Wunder. So gaben bei einer Umfrage 2006 56 Prozent der Befragten an, an solche zu glauben. Mag es da noch „verwundern“, dass auch immer noch der Zauber der Hexen und Hexer unter uns vermutet wird?
Ein eigener Block unter den Leichtgläubigen ist im Periodensystem Jagos den Quacksalbern gewidmet. An erster Stelle steht hier die Homöopathie. Diese möchte ich stellvertretend für andere Irrationalitäten einmal genauer unter die Lupe nehmen. Sie wird wissenschaftlich von ihrer Begründung an bezweifelt und erfreut sich dennoch großer Beliebtheit.
Potenzen, Potenzen, Potenzen
Seit Samuel Hahnemann 1810 die Grundlagen zur Homöopathie unter dem Titel „Organon der rationellen Heilkunde“ veröffentlichte, dauert der Streit an, ob diese Heilmethode – über den Placeboeffekt hinaus – eine positive Wirkung hat. Auch heutzutage existiert kein wissenschaftlicher Beweis für diese Behauptung. Und da ein Nichtbeweis – hier von der Wirksamkeit – nahezu unmöglich ist, kann man nach wissenschaftlichen Grundregeln folgern, dass es keine positive Wirkung gibt. Um diesem Dilemma zu entgehen, haben sich die Apologeten der Homöopathie sogar eine eigene „Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie“ angeschafft, um sich einen wissenschaftlich aussehenden Wirksamkeitsbeweismantel umhängen zu können. Besonders perfide ist hingegen der Trend, sich auch in Hochschulen einzuschleichen. Türöffner ist hier die Pharmaindustrie, die mit den Zuckerkügelchen, Tropfen und Pillen im Jahr 2011 nach Angaben des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller einen Umsatz von knapp 400 Millionen Euro machte. Nicht schlecht für ein wenig Zucker und viel Hokuspokus.
Auch für die Ärzte, die in den letzten Jahren von den Krankenkassen auf eine angebliche Finanzdiät gesetzt wurden, kann sich die Homöopathie durchaus lohnen, weshalb sich viele der Halbgötter in Weiß damit arrangiert haben. Die fehlende Wirksamkeit trifft auf die – mutmaßlich – fehlenden Nebenwirkungen. Das Gleiche gilt für die Dritten im Bunde, die Apotheker, die mit Homöopathika auf der sicheren Seite stehen.
Dass in diesem Trauerspiel auch die Politik keine gestaltende Rolle übernimmt, bedarf eigentlich keiner Erwähnung mehr. Aus den zahllosen Unterstützern sei hier nur die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, herausgegriffen, die sagte: „Ich bin mir sicher, dass die Homöopathie ihren Platz im deutschen Gesundheitswesen nicht nur behaupten, sondern in den kommenden Jahren noch ausbauen kann.“18 Und für die Krankenkassen gilt, dass sie das Geld, das sie zuvor bei sinnvollen Behandlungsmethoden eingespart hatten, wieder für Homöopathie ausgeben können, um damit im Konkurrenzkampf eine bei den Versicherten beliebte Leistung anbieten zu können.
Wer sich eingehend damit beschäftigt, wie Hahnemann den Geistesblitz zu seiner Behandlungsmethode hatte, wird sich fragen, wie sich diese nach den Fortschritten der klassischen Medizin bis in unsere Tage retten konnte und sogar an Zuspruch gewinnen kann. Den Grundsatz „Similia similibus curentur – Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt“ erhob er zu seinem Leitspruch, nachdem er in einem Selbstversuch Chinarinde gegessen hatte. Diese wurde damals eingesetzt, um Malaria zu heilen. Da er nach der Einnahme Fieberschübe bekam, ging er davon aus, dass Arzneimittel, die Kranke heilen, bei Gesunden einen gegenteiligen Effekt hervorrufen. Ohne wissenschaftlichen Beweis begründete er somit eine neue Heilmethode. Im nächsten Schritt bestimmte Hahnemann, nachdem er festgestellt hatte, dass seine Methode für den Patienten gefährlich werden konnte, wenn er etwa einem Fieberkranken die Körpertemperatur steigernde Mittel verabreichte, dass die Wirkstoffe dynamisiert beziehungsweise potenziert werden müssten. Dies sollte im Endeffekt dazu führen, dass die Materie „sich zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen auflöse.“19
War die Ablehnung der wissenschaftsbasierten Medizin zu Zeiten Hahnemanns mit ihren brutalen Methoden verständlich, kann sie heute gefährlich werden – oder sogar tödlich, wenn bei schweren Krankheiten auf die Homöopathie vertraut wird.
Weshalb sich die Homöopathie so großer Beliebtheit erfreut, hat mehrere Gründe. Zunächst einmal findet die Arzneimittelprüfung an Gesunden statt. Nicht gerade ein Test unter Volllast. Zudem macht sich die Homöopathie die Selbstheilungskraft des menschlichen Körpers zunutze. Während man bei wissenschaftsbasierter Medizin von Herumdoktern sprechen würde, wenn verschiedene Medikamente hintereinander auf ihre Wirkung getestet werden, legt man den alternativen Medizinern dies als Gründlichkeit aus. Und abschließend kann sich die Homöopathie immer noch auf die Allopathie – also die pejorativ Schulmedizin genannte wissensbasierte Medizin – herausreden. Denn je schwerer die Erkrankung, desto wahrscheinlicher der Fall, dass die Behandlung mit den „vermutlich teuersten Süßigkeiten der Welt“20 nicht wirkt. Schuld ist dann aber natürlich die normale Behandlungsmethode. Während ein Erfolg bei der Behandlung selbstverständlich durch die Homöopathie erreicht wurde.21 Was für ein phantastisches System im uns alle umgebenden Affentheater.
Laut zweier Umfragen stieg zwischen 1970 und 2009 in den alten Bundesländern die Zahl derer, die schon einmal homöopathische Mittel verwendet hatten, von 24 auf 57 Prozent. Die genaue Funktionsweise dieser Behandlungsmethode war jedoch nur den Wenigsten bekannt. So konnten nur 17 Prozent eines der homöopathischen Grundprinzipien nennen.22 Zugrunde liegt hier oft eine ablehnende Haltung gegenüber der wissenschaftsbasierten Medizin. Ungeachtet dessen, dass es unzählige wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte und Bücher über die Wirkungslosigkeit der Homöopathie gibt, nimmt der Glaube an die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode sogar noch weiter zu. Es scheint so, als wollten viele Menschen unbedingt daran glauben. Aus diesem Grund werden Kritiker attackiert, wovon zahlreiche Journalisten ein Lied singen können.
Im Gegensatz zum Simile-Prinzip in der Homöopathie sollen die Essenzen bei der Bach-Blütentherapie als positiver Gegenpol eine Harmonisierung negativer Seelenzustände direkt bewirken.
Weder Chiropraktik oder Reflexzonenmassage noch Rolfing (Verbindung von Bindegewebsmassage und Körperarbeit) oder Colon-Hydro-Therapie – dabei werden etwa zehn Liter Wasser in den Darm geleitet, abwechselnd 21 und 41 Grad Celsius warm – verfügen über wissenschaftlich belegbare Beweise für über den Placeboeffekt hinausgehende Behandlungserfolge.
Für die Osteopathie gilt dies abgesehen von wenigen Indikationen ebenfalls. An „Schlacken“ aus dem Körper ausleitenden Methoden steht nicht nur die Colon-Hydro-Therapie zur Verfügung. Angeboten werden hier auch Schröpfen, Einläufe, Abführmittel und Fastenkuren, um nur einige zu nennen. Beweise für eine Entgiftung liegen in keinem Fall vor.
Der Unsinn wuchert
Die