Wirkstoffen auf den Markt kam, brachte nur begrenzte Verbesserungen. […] Nur der Preis der Medikamente [war] wirklich innovativ: Die neuen Medikamente waren meist nicht wirkungsvoller als ihre Vorgänger, dafür aber bis zu 350-mal teurer.“23
Aber auch auf einem Gebiet, das zunächst wenig mit Medikamenten und den damit verbundenen Umsätzen in Verbindung gebracht wird, haben die Konzerne sich einen hervorragenden Stand gesichert: bei der Krebsvorsorge. In diesem emotionalen Bereich ist es ein Leichtes, die Frühvorsorge als perfekte Möglichkeit darzustellen, um unnötiges Leid zu vermeiden.
Allerdings muss genau darauf geachtet werden, dass der Nutzen den Schaden überwiegt. Weil die Gesunden immer weit in der Überzahl sind, hat Früherkennung wesentlich häufiger Fehlalarm bei diesen als richtige Befunde bei Erkrankten zur Folge.
Es gibt einige Vorsorgearten, die den Test des überwiegenden Nutzens nicht bestehen. Dabei kommt den Apologeten der Vorsorge zugute, dass die Gesellschaft Taten höher bewertet als Beweise.
Wenn behauptet wird, durch eine Früherkennung könne das Risiko, an Krebs zu sterben, um 30 Prozent verringert werden, führt dies oftmals zu einem Missverständnis. Denn diese Zahl besagt nicht, dass von 100 Teilnehmern 30 darauf hoffen können, nicht an Krebs sterben. Nur die Zahl der Krebstoten sinkt um 30 Prozent. Dies kann bedeuten, dass von 1000 Menschen, nicht mehr 10 Menschen an Krebs sterben, sondern nur noch 7 Menschen. Auf die 1000 Menschen bezogen bedeutet dies eine Verringerung des Risikos um 0,3 Prozent. Und sogar die Berechnung des Rückgangs der Sterblichkeit durch Vorsorgeuntersuchungen ist mit Vorsicht zu genießen. Denn Personen, die an solchen Untersuchungen teilnehmen, sind oftmals generell gesundheitsbewusster. Zudem kann Früherkennung nicht immer dafür sorgen, dass der Krebs besiegt wird. Damit verlängert sich lediglich der Zeitraum, in dem der Krebs bekannt war. Die Früherkennung führt bei einer nicht erfolgreichen Therapie im schlimmsten Fall sogar zu einer sinnlosen Behandlung. Außerdem werden bei den Vorsorgeuntersuchungen vor allem langsam wachsende Tumore gefunden, die eine höhere Heilungsaussicht aufweisen. Aggressive Tumore hingegen werden oftmals von den Patienten selbst entdeckt.24
Krankenkassen müssen sich nicht selten „dem Druck der Wartezimmer“ beugen. Denn wenn eine Behandlungsmethode erst einmal als wirksam in den Köpfen der Versicherten verankert ist – auch wenn Beweise dafür fehlen – würden Versicherte zu anderen Kassen wechseln, wenn diese Leistung nicht erbracht würde. Die Pharmabranche hat hier gute Mittel und Wege gefunden, um das Vertrauen in die Wirksamkeit zu erwecken.
Bei den Ärzten besteht das Problem, dass im Medizinstudium das Wissen um die Grenzen von Diagnoseverfahren nicht im notwendigen Maß vermittelt wird. Und die Politiker sind Teil dieses Versagens der Vernunft, weil sie mit der Früherkennung die Verantwortung auf den Einzelnen verlagern können. Was bei Arbeitslosigkeit funktioniert, klappt auch bei der Gesundheit ganz gut.
Viele Deutsche glauben immer noch, dass psychische Belastungen zu einer Krebserkrankung führen können, obwohl dies bereits wissenschaftlich widerlegt wurde. Fast jeder Zweite ist davon überzeugt, dass chronischer Stress oder traumatische Erlebnisse Krebs auslösen können. Dies machen sich Heiler zunutze, die mit ihrer „Hilfestellung“ viel Geld machen. Fünf verschiedene Techniken sind hier hervorzuheben: Die Seelenheilung des Dr. Sha, die ganzheitliche Krebsberatung, die Psychobionik, die Familienaufstellung nach Bert Hellinger und die Reinkarnationstherapie. Besorgniserregend ist aber nicht nur der mögliche finanzielle Verlust, sondern auch die Gefahr, dass Krebspatienten in ihrem blinden Vertrauen in die alternativen Möglichkeiten die in vielen Fällen wirksamen Medikamente absetzen. Auslöser ist der oftmals verlautbarte Hinweis, die wissenschaftliche Medizin behandle nur die Symptome und nicht die wahre Ursache.
Wenn in einer Wohnung die Möbel verschoben werden, kommt entweder bald der Umzugsdienst – oder die Bewohner haben Feng Shui für sich entdeckt. Diese Lehre soll zur Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung beitragen, indem die Gestaltung der Wohnräume nach bestimmten Kriterien ausgerichtet wird. Auch aus dem Reich der Mitte stammt die traditionelle chinesische Medizin (TCM). Viele Behandlungsmethoden sind in Hinsicht auf ihre Wirksamkeit umstritten, dennoch findet sie immer weitere Verbreitung. Ebenfalls aus Asien, genauer gesagt aus Japan, stammt Reiki, bei der mit Hilfe der Hände die gleichnamige Energie übertragen wird. Auf die Schwäche bestimmter Muskelgruppen führt die Kinesiologie Erkrankungen zurück. Bei einem Muskeltest werden Informationen über den zu behandelnden Körper gesammelt, um anschließend die vorgefundenen Schwachstellen durch Ausstreichen von Meridianen, durch Akupressur, Berühren von Reflexpunkten, der Massage einer bestimmten Muskelgruppen oder eine spezielle Ernährungsempfehlung auszugleichen.
Viel hilft viel, dachte sich wohl Moshé Feldenkrais, als er für die nach ihm benannte Methode Ansätze aus Judo, der künstlerischen Körperschulung und Erkenntnissen der manuellen Medizin – in Deutschland auch als Chirotherapie bekannt – zu einer Körpertherapie vereinte, deren Wirkung wissenschaftlich allerdings ebenfalls nicht belegt ist.
Für viele wohl unverständlich ordnet Jago auch die Religionen unter dem Wahn-Block in sein Periodensystem des irrationalen Unsinns ein. Hier befindet er sich aber in guter Gesellschaft – wie der von Richard Dawkins, der eines seiner Bücher sogar Gotteswahn genannt hat. Die Religionen werde ich weiter unten noch genauer beleuchten. Den Anfang in dieser spirituellen Reihe sollen aber die Kreationisten machen, die der Auffassung sind, das gesamte Universum sei durch einen Schöpfergott entstanden. Diese als Gegenbewegung zur Evolutionstheorie Darwins gestartete Theorie findet besonders in den USA enormen Zulauf. Vor allem die dortigen evangelikalen Kirchen tun sich dabei hervor. Eine Mehrheit in den Vereinigten Staaten ist dafür, dass beide Theorien in Schulen nebeneinander gelehrt werden sollten, obwohl für den Kreationismus keine gesicherten wissenschaftlichen Belege vorhanden sind. „Wenn US-amerikanische Evangelikale von ‚Auferstehung‘, ‚Schöpfung‘, ‚Himmel‘, ‚Hölle‘, ‚Gott‘ und ‚Teufel‘ sprechen, dann sind das für sie keine unverbindlichen Metaphern – nein diese Leute meinen wirklich, was sie sagen!“.25
Ein in der Bevölkerung weit verbreiteter irrationaler Unsinn ist die Astrologie. Zwar geben viele Leser von Horoskopen an, diese nur zur Unterhaltung zu lesen. Aber laut einer Emnid-Umfrage 2012 glauben rund jede dritte Frau und jeder sechste Mann an Astrologie.26
Unter dem Begriff Radiästhesie verbirgt sich die Lehre von angeblichen Strahlenwirkungen auf Organismen. Besonders bekannt in diesem Zusammenhang sind die Wasseradern, die zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen können. Um diese aufzuspüren, kann man einen Rutengänger beauftragen, der mit einer Wünschelrute diesen auf die Spur kommt. Erklärt werden kann der Ausschlag der Rute durch den Carpenter-Effekt, nach dem das Denken an eine bestimmte Bewegung die Ausführung dieser Bewegung auslöst.
Irrende Mehrheit
Wieso sind so viele Menschen religiös? Die Anhänger von Tausenden verschiedenen Religionen sind davon überzeugt, dass sie auf das „richtige Pferd setzen“. Im Namen der Religion wurde unendliches Leid über die Menschheit gebracht, und dennoch haben die Religionen einen festen Platz in unserer Gegenwart. So bekennen sich etwa 95 Prozent der US-Amerikaner dazu, an Gott zu glauben.27
Ungeachtet der Tatsache, dass die Schäfchen den Kirchen in Scharen davonlaufen und wegsterben, gehören in Deutschland immer noch zwei Drittel der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft an. Ein interessanter Gegensatz offenbart sich hingegen, wenn man seinen Blick auf bestimmte Bevölkerungsgruppen richtet. So geben nur 39 Prozent der amerikanischen Wissenschaftler in einer Untersuchung an, gläubig zu sein. Dieser Anteil sinkt bei den Spitzenwissenschaftlern der amerikanischen National Academy of Science auf 7 Prozent, und bei Nobelpreisträgern kommt Religiosität so gut wie gar nicht vor. Es besteht eine Korrelation zwischen dem Vorkommen von Atheismus, dem Ausbildungsniveau und dem IQ.“28
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