wurden die Gefahren jedoch für beide Bedrohungen etwa gleich bewertet. Aus diesem Grund möchte der Psychologe Gerd Gigerenzer bereits in der Schule den statistischen Analphabetismus bekämpfen: „Statistisches Denken ist eine der wichtigsten Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert.“12
Bei Versuchen mit autistischen Kindern, Gleichaltrigen ohne diese Erkrankung und mental gleich weit entwickelten Kindern fanden englische Forscher heraus, dass Autisten in eine Aufgabenstellung eingebaute unsinnige Handlungen nicht so oft wiederholten. Sie hielten sich an die Lösung der Aufgabe, während die typischen Kinder in vielen Fällen auch die dazu nicht notwendigen Schritte kopierten. Und das obwohl ihnen klar war, dass dies zur Aufgabenlösung nicht notwendig war. Die Wissenschaftler vermuten, dass die getreue Nachahmung zu einer stärkeren sozialen Bindung beiträgt. „Der Mensch ist der Affe, der am besten nachäffen kann. […] [Diese] Fähigkeit zu genauer Imitation ist die Wurzel aller menschlichen Kulturleistungen, allerdings: Sie ist auch die Wurzel aller menschlichen Dummheit.“13
Periodensystem des irrationalen Unsinns
Viele Menschen stehen rationalem, wissenschaftlichem Denken alles andere als aufgeschlossen gegenüber. Ob dies nun an der fehlenden, dafür notwendigen Basis liegt, oder nur reine Bequemlichkeit dahinter steht, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Dass viele Zeitgenossen jedoch dem mit Wissenschaft nicht Fassbaren nahe stehen, ist in Anbetracht der Probleme, vor der die Menschheit steht, als sehr bedenklich anzusehen.
Crispian Jago hat aus dem „irrationalen Unsinn“, wie er es bezeichnet, ein eigenes Periodensystem entwickelt. Dort finden sich in mehreren Gruppen zusammengefasst alle möglichen und unmöglichen Unsinnigkeiten. Im Spinner-Block verortet er zunächst die Spiritisten – die davon überzeugt sind, dass man Kontakt mit Verstorbenen aufnehmen kann. Und diese können sich dabei sogar lebender Menschen bedienen, um mittels Channeling mal wieder mit alten Bekannten zu quatschen. Beides kombiniert ergibt dann eine Séance, bei der mehrere Personen versuchen, mit Hilfe eines Mediums Kontakt zur Welt der Toten aufzunehmen.
Auch die angeblichen Entführungsopfer von Aliens sowie Menschen, die an einen außerirdischen Hintergrund der Kornkreise glauben, subsumiert Jago hier. Auf Besuch von ganz weit her beziehen sich auch die Raëlianer, für die das Klonen der Auftakt zur Unsterblichkeit sein soll. Zu den „Pyramidioten“ zählt zum Beispiel Erich von Däniken, der den Begriff „Prähistorische Astronauten“ geprägt hat. Für ihn ist klar, dass Außerirdische die ersten Hochkulturen ermöglicht haben. Ein so phantasiereiches Konstrukt, dass zahlreiche Hollywood-Streifen dieses Thema aufgegriffen haben. Auch nur zu Besuch auf der Erde sind die Plejadier – Engel in Menschengestalt.
In der irrationalen Tierwelt tummelt sich so einiges im Wasser, an Land und in der Luft. Immer wieder taucht etwa das Monster von Loch Ness auf. Reale Konkurrenz bekommt es in den letzten Jahren vor allem im Loch Sommer von Krokodilen oder beißwütigen Alligatorschildkröten. Haariger ist die Sache da schon bei Bigfoot und dem Yeti, die sich trotz modernster Überwachungsmaßnahmen immer noch in den Rocky Mountains und dem Himalaya verstecken. Weit verbreitet ist in Südamerika der Glaube an einen tierischen Vampir, den Chupacabra.
Das nächste Fabelwesen hat sogar Richard Gere schon gesehen. Die Rede ist vom Mothman, oder auch Mottenmensch, der angeblich in den USA auftauchte, ein schweres Brückenunglück ankündigte und in „Die Mothman Prophezeiungen“ auf den Kinoleinwänden erschien. Während der Mothman ein modernes Fabelwesen darstellt, können die Elfen auf eine lange Geschichte zurückblicken. Aus der nordischen Mythologie stammend konnten sich die Lichtgestalten oder Naturgeister bis in die heutige Zeit retten. Aus der Überlieferung der Aborigines in Australien hat sich das „Wissen“ um den Bunyip gehalten. Dieses sagenhafte Tier lauert angeblich im Wasser auf seine Opfer.
Besonders weit verbreitet sind für Crispian Jago laut seinem Periodensystem des irrationalen Unsinns die Leichtgläubigen. So sehen manche in leuchtenden, kreisrunden Scheiben in fotografischen Aufnahmen gerne Geisterflecke, wobei diese „Orbs“ meist durch Nutzung von Blitzlicht entstehen. Positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden sollen sich Heilsteine auswirken. Darunter werden vor allem Minerale verstanden, die durch Auflegen auf betroffene Körperteile, Einlegen in Wasser oder Cremes oder das Tragen am Körper ihre Wirkung entfalten sollen.14
Vor allem Teenager schwärmen seit ein paar Jahren für die Blutsauger unter uns. Der Vampirmythos ist breit gefächert und schon sehr alt, wird jedoch in letzter Zeit immer mehr von den Zombies verdrängt. Die Untoten übernehmen gerne mal die Weltherrschaft, wenn nicht Helden wie Brad Pitt sie daran zu hindern suchen. Eng verbunden mit den Zombies ist Voodoo, eine überwiegend kreolische Religion, in der weiße und schwarze Magie eine große Rolle spielen. Wer hat nicht in seinem Schrank die Puppenpendants seiner ärgsten Feinde herumliegen, um an diesen einen Analogiezauber auszuführen?
Einen tieferen Sinn entdeckt mancher in der Anordnung von Landmarken, den Ley-Linien. Diese werden als Strömungen magischer Energie aufgefasst, die als Kraftquelle für magische Zwecke genutzt werden kann. Sehr vital ist für die Vitalisten auch eine Lebenskraft, welche die Grundlage alles Lebendigen darstellt. Den Tod überdauert angeblich der Astralkörper, der den Menschen umgibt. Noch eine weitere Stufe dazwischen mochte Rudolf Steiner mit dem Ätherleib erkennen. In der von ihm begründeten Anthroposophie soll der Mensch in seiner Beziehung zum Übersinnlichen betrachtet werden. Den bereits erwähnten „ätherischen Leib“ bildet der Mensch nach Steiners Ansicht im Alter von 8 bis 14 Jahren. Anschließend entwickelt sich sieben weitere Jahre der Astralleib. Um den Kindern diese Entwicklung ungestört zu ermöglichen, erschuf der Esoteriker die Waldorfpädagogik, die derzeit in über 200 staatlich anerkannten Schulen in Deutschland die Grundlage für den Unterricht darstellt. Vielleicht lernen die Kleinen dort dann neben Rechnen und Schreiben auch, wie man in der Akasha-Chronik, dem übersinnlichen „Buch des Lebens“ lesen kann.
Während viele Hobbyforscher auf historischen Landkarten nach dem mystischen versunkenen Atlantis suchen, ist eine Karte ganz anderer Art zur Suche nach den sieben Chakren nötig. Diese Hauptenergiezentren des Menschen sollen – weiterentwickelt aus traditionellen südasiatischen und chinesischen Überlieferungen – nach esoterischen Lehren auch mit dem schon bekannten Astralkörper verbunden sein. Wer bereits nach den Chakren sucht, kann dabei auch gleich nach dem Qi Ausschau halten, den alles durchdringenden kosmischen Geist. Bleibt nur zu hoffen, dass er bei der Suche nicht wie angeblich viele Schiffe und Flugzeuge im Bermuda-Dreieck auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Besonders die Aura, die Kinder umgibt, hat es manchem Esoteriker angetan. So sind angeblich nahezu alle Kinder heutzutage sogenannte Indigo-Kinder, deren Aura indigofarben ist. Diese zeichnen sich durch ganz besondere psychische und spirituelle Eigenschaften aus. Bei Eltern, die bei ihren Kindern eine solche Aura feststellen, mag dies auch nicht überraschen.
Schon Plutarch wusste, „der Tod ist das Ende aller Dinge des menschlichen Lebens, nur des Aberglaubens nicht.“ So ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich um das Ableben immer noch zahlreiche Mythen ranken. Ob es sich dabei um die Reinkarnation, also die Wiedergeburt dreht, oder das Karma, der Glaube an die Folgen der eigenen Handlungen auch auf die nachfolgenden Leben, über ein Weiterleben nach dem Tod haben schon unsere Vorfahren intensiv nachgedacht. Für manche Wissenschaftler liegt hierin sogar die Geburtsstunde der Religionen, auf die ich weiter unten näher eingehen werde.
Nach einem Herzstillstand berichtet etwa jeder fünfte Überlebende von Nahtoderfahrungen. Forscher der University of Michigan in Ann Arbor haben bei Versuchen mit Ratten nachgewiesen, dass die Hirnaktivität kurz nach Eintritt des Herzstillstandes bei diesen stark ansteigt.15 Dies könnte die Erfahrungen erklären, von denen die Patienten berichten: Blick in einen „Tunnel“, Verlassen des eigenen Körpers oder Rückschau auf das eigene Leben. Mit einem Blick ins Jenseits haben diese jedoch wenig zu tun.
Man muss nicht an Superhelden glauben, um Levitation für möglich zu halten. Der wissenschaftliche Nachweis lässt zwar nach wie vor auf sich warten, dennoch sind immer wieder Menschen davon überzeugt, dass man ohne Hilfsmittel schweben kann.