Robert Cacic

Selamün Aleyküm, Herr Schmidt. Ich liebe ihre Tochter!


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Dosis Zocken benötige, dann hört es sich schon verdächtig nach einer Sucht an. Ich ignoriere die Aussage meiner Mutter und suche meine Sachen für die Uni zusammen. Ich gehe in den Flur, stelle meinen Rucksack neben der Haustür ab und gehe daraufhin in die Küche, um noch eine Kleinigkeit zu frühstücken. Mein Vater sitzt bereits am Esstisch und trinkt seinen Mokka. Für alle, die nicht wissen was ein Mokka ist, es ist die türkische Variante eines Espressos, nur viel besser!

      „Afiyet olsun“ sagt mein Vater und nippt an seiner Tasse.

      „Danke Baba. Afiyet olsun“ antworte ich ihm. Afiyet olsun ist Türkisch und bedeutet so viel wie > Guten Appetit<. Baba bedeutet >Vater<, aber das wissen einige sicherlich bereits. Es ist erstaunlich, wie viele in Deutschland die türkischen Begriffe kennen. Die Türken sind schon seit so vielen Jahren ein Teil der deutschen Gesellschaft, sodass diese Begriffe geläufig sind. Manchmal wurde ich sogar von Deutschen mit einem Merhaba begrüßt, was so viel wie >Hallo< bedeutet. Die Deutschen lieben es ihre Fremdsprachenkenntnisse zu zeigen.

      Sobald sie in irgendeiner Sprache etwas aufgegriffen haben, dann versuchen sie es bei jeder passenden Gelegenheit anzuwenden. Ich setze mich hin und nehme ein warmes Simit. Bei fast allen Türken gibt es zum Frühstück Simit. Es ist ein ringförmiges Gebäck mit Sesamkörnern obendrauf. Käse, Salami, Sucuk und eine Schale mit Olivenöl, Tomaten- und Gurkenstücken sind auf dem Tisch. Die Salami und der Sucuk sind Helal, es bedeutet, dass das Tier auf islamische Art und Weise geschlachtet worden ist. Mein Vater achtet sehr darauf, dass alles in unserem Haus Helal ist, da er ein gläubiger Moslem ist. Er war es nicht immer, aber vor ungefähr drei Jahren hatte er einen Sinneswandel gehabt, seitdem betet er fünfmal am Tag und hält sich an alle weiteren Vorschriften. Er trinkt kein Alkohol, raucht nicht mehr und vollzieht das Fasten, wie es sich gehört. Ich hingegen bin das Gegenteil. Ich sehe mich zwar als Moslem, aber daran halten tue ich mich wenig. Mein erstes Mal Sex habe ich im Alter von 15 Jahren gehabt und das ironischerweise auch noch mit einer Türkin, die zwei Jahre älter war als ich. Trinken tue ich nur zu besonderen Anlässen. Ein besonderer Anlass wäre hierbei schon ein Treffen unter Freunden. Es ist nicht so, dass ich den Geschmack von Alkohol toll finde, aber es macht die Atmosphäre entspannter und unterhaltsamer, erst recht in guter Gesellschaft unter Freunden. Rauchen tue ich selten, ich würde mich als Gelegenheitsraucher bezeichnen, vor allem wenn ich trinke, dann rauche ich extrem viel, ansonsten halte ich es in Grenzen. Ich habe viel zu große Angst davor von meinem Vater erwischt zu werden. Vermutlich halte ich es deshalb in Grenzen. Fasten tue ich nur scheinheilig. Ich bin der klassische Papier- Moslem, der elf Monate im Jahr Haram lebt -Haram bedeutet so viel wie >Verboten< oder >Sündhaft<- und im Monat der Fastenzeit nach außen hin der fromme Moslem ist. Kurzgefasst, ich sehe mich zwar als Moslem, halte mich aber so gut wie gar nicht an unsere Gebote. Ich trinke und rauche zwar gelegentlich und Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist für mich persönlich auch okay, aber Schweinefleisch würde ich dennoch nie im Leben essen. Das sehe ich weniger als muslimisch an, sondern vielmehr als ein kulturelles Verbot. So bin ich halt aufgewachsen. Es wurde uns von klein auf an eingetrichtert, dass Schweinefleisch schmutzig sei und es die größte Sünde ist, etwas davon zu essen. Genau deshalb hat es sich in mein Kopf eingebrannt, sodass ich es nie im Leben anrühren würde. Es gibt vielleicht nur eine Ausnahme und die wäre Bacon. Viele christliche Freunde von mir schwärmen so sehr von Bacon, dass es, um ehrlich zu sein, ab und zu mein Interesse geweckt hat, es auch zu probieren. Aber bis ich es tue wird noch eine sehr lange Zeit vergehen. Meine Mutter ist so ein Mittelding. Sie ist weder streng, noch gar nicht muslimisch. Es ist schwer zu erklären, aber ich versuche es mal. Sie isst zwar kein Schweinefleisch und fastet, ihr wäre es aber egal, ob sie Rindfleisch von Aldi oder vom türkischen Laden kauft. Anders formuliert, es wäre ihr egal, ob das Rindfleisch kein Helal- oder Helalfleisch ist. Mein Vater achtet eher darauf. Sie selbst trägt auch kein Kopftuch. Mein Vater drängt sie nicht dazu, auch wenn er strenggläubig ist. Er lebt es für sich selbst aus und nötigt keine anderen Menschen dazu es auch zu tun, denn er sagt immer -Jeder Mensch wird alleine vor Gott stehen, dementsprechend muss jeder für sich seinen eigenen Weg finden.-. Das finde ich persönlich sehr schön, denn ich kenne viele Familien, wo ein Elternteil streng muslimisch ist und es die ganze Familie zwangsweise auch sein muss. Ich tunke das Simit in das Olivenöl und fange an zu frühstücken. Nur mein Vater und ich sitzen am Esstisch. Meine Mutter frühstückt so gut wie nie mit uns, denn während wir essen, beginnt sie schon damit die Wohnung aufzuräumen. Sie isst erst, wenn mein Vater und ich nicht mehr da sind und sie soweit alles in der Wohnung erledigt hat. Meine Mutter ist eine wirklich sehr tolle Frau. Sie hat meinen Vater im Alter von 19 Jahren geheiratet. Kennengelernt haben sie sich auf einer türkischen Hochzeitsfeier. Und nein, es war keine Zwangsehe, wie viele, die unsere türkische Kultur nicht kennen, jetzt denken werden. Die Türkei ist ein sehr modernes Land, auch wenn einige den Eindruck haben, dass dort dorfähnliche Verhältnisse in den Städten herrschen. Betrachten wir mal die Stadt Istanbul, welche seit 2018 auf Platz fünfzehn unter den größten Metropolregionen der Welt steht mit ihren 15,06 Millionen Einwohnern. Diese Stadt ist nicht einfach nur vollgestopft mit Menschen, im Gegenteil, sie überzeugt durch die Verschmelzung von Moderne und Orient. Die Türkei hat viele wundervolle und moderne Städte. Es gibt natürlich auch in Deutschland türkische Familien, die so manche alte Tradition haben. Diese Familien kommen allerdings ursprünglich aus dem tiefsten Dorf der Türkei und haben dementsprechend ihre Traditionen und Sitten mit hierher gebracht. Einige haben sich mittlerweile dem modernen Deutschland angepasst und eine kleine Anzahl davon leider nicht. Genauso finden wir auch hier in Deutschland in den tiefsten Dörfern Familien, die auch noch altmodisch sind, es ist normal. Je ausgeschlossener von der Moderne, desto altmodischer die Familie und ihre Traditionen. Als sich meine Eltern auf der Hochzeit kennengelernt haben hat sich mein Vater sofort in sie verliebt. Ab diesen Moment an bezeichnet er sie überwiegend nur noch als seine Königin. Dass er sie so nennt hat auch einen besonderen Grund, denn der Name meiner Mutter ist Melike, was so viel wie >Königin< bedeutet. Ich nehme noch einen Bissen von meinem Simit und stehe auf, denn ich darf meine Bahn nicht verpassen.

      „Baba, ich wünsche dir einen schönen Tag“ sage ich zu meinem Vater und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke Oğlum, ich dir auch“ antwortet mein Vater und klatscht mit seiner rechten Handfläche sanft auf meine Wange und lächelt dabei. Ich gehe zur Haustür. Meine Mutter steht bereits, mit meinem Rucksack in ihrer Hand, da. Ich nehme den Rucksack, gebe ihr einen Kuss auf die Wange und verabschiede mich. Sie ist eine sehr emotionale Frau. Jedes Mal, wenn ich die Haustür verlasse, verabschiedet sie sich mit einem Ausdruck der Sorge in ihrem Gesicht. Ich glaube einfach, dass ein Kind für eine Mutter nie erwachsen sein wird. Mütter sehen immer nur das kleine Baby vor sich, dabei spielt es keine Rolle wie alt du bist. Und wenn man das Haus verlässt, dann macht sich die Mutter natürlich große Sorgen. Des Weiteren bin ich das einzige Kind meiner Eltern. Ja, ihr habt richtig verstanden, das einzige Kind. Ich weiß, viele denken sich jetzt -Aber Türken haben doch normalerweise vier bis fünf Kinder-. Witzig, aber es ist nur ein Klischee. Wir kennen viele türkische Familien, die nur ein oder zwei Kinder haben. Ich verlasse die Haustür, drehe mich noch einmal um und lächle meiner Mutter zu.

      -2-

      Diese verdammten Stufen. Leider wohnen wir im vierten Stock und haben keinen Fahrstuhl. Sich so früh am Morgen die Treppen hinunter zu schleppen, obwohl man noch im Halbschlaf ist, ist anstrengend. Auf dem Weg nach unten begegne ich unseren deutschen Nachbar Herr Koch aus dem zweiten Stock.

      „Merhaba Emre.“ ruft mir Herr Koch zu. Da haben wir das, wovon ich euch erzählt habe. Es ist zwar eine nette Geste von unseren Nachbar, aber wenn Deutsche versuchen mit mir Türkisch zu sprechen, dann geben sie mir das Gefühl, als sei ich gestern erst aus den Bergen Ankaras, auf einem Esel sitzend, nach Hamburg gekommen und dass ich dementsprechend nicht die deutsche Sprache verstehe. Ich antworte ihm.

      „Moin Herr Koch, ich hoffe sie sind gut in den Tag gestartet.“. Eine verkehrte Welt. Ein Deutscher spricht Türkisch und der Türke spricht Hamburger-Deutsch. Wenn es so weiter geht, dann werden die Deutschen bald Dönerläden eröffnen und die Türken Currywurstbuden. Tatsächlich war ich einmal in einem Dönerladen, welcher