Robert Cacic

Selamün Aleyküm, Herr Schmidt. Ich liebe ihre Tochter!


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nicht-Türken einfach nicht ernst nehmen kann. Es ist so, als würde man in ein chinesisches Restaurant gehen und dort trifft man nur auf arabische Mitarbeiter. Es wäre nicht authentisch. Genauso wie bei dem vom Deutschen betriebenen Dönerladen. Der Döner fühlte sich nicht echt an. Ich glaube, dass ich nicht der Einzige war, der so dachte. Der Ladenbesitzer musste nach einigen Monaten sein Geschäft dicht machen, denn es lief anscheinend nicht so gut. So etwas tut mir natürlich leid. Ich gönne jedem eine finanziell abgesicherte Existenz, dennoch hätte er als Deutscher nicht einen Dönerladen eröffnen sollen. Eine Imbissbude, das wäre doch typisch Deutsch und authentisch gewesen.

      „Ich wäre besser in den Tag gestartet, wenn meine Frau nicht da wäre. Die ist morgens immer nur am rumbrüllen.“ antwortet mir Herr Koch auf meine Frage und fängt an zu lachen.

      „Genau dasselbe Problem habe ich mit meiner Mutter. Ich kann es nachvollziehen Herr Koch.“ füge ich hinzu und gehe dabei einige Stufen weiter in Richtung Ausgang, da ich sonst meine Bahn verpasse. Herr Koch und seine Ehefrau sind erst vor einigen Monaten in unser Gebäude eingezogen. Sie sind beide etwa 60 Jahre alt. Herr Koch und seine Ehefrau haben zwei erwachsene Söhne, diese wollten eigentlich den Umzug machen. Kurz vorher haben ihre Söhne abgesagt, da ihnen wohl etwas dazwischen gekommen ist. Für uns ist so etwas nicht verständlich. Bei uns Türken sind die Eltern das Heiligtum, man verspricht ihnen nicht etwas, um es dann zu brechen, es gleicht einem Mord. Als mein Vater mit Herr Koch ins Gespräch gekommen ist und von der spontanen Absage seiner Söhne gehört hat, da hat es ihn sehr getroffen. Auch Herrn Koch sah man seine Betroffenheit und Enttäuschung an. Kurzerhand rief mein Vater einige Bekannte zu uns. Noch am selben Tag kamen zehn Mann, um Herr Koch und seiner Frau beim Umzug zu helfen. Ich gehörte auch zu den Helfern. Wir haben den Umzug in zwei Tagen gemeistert. Herr Koch und seine Ehefrau waren darüber sehr glücklich. Am Ende boten sie jeden von uns 50 Euro an, welche wir natürlich nicht angenommen haben. So ist es bei uns. Man hilft nicht, um einen finanziellen Profit daraus zu schlagen, sondern einfach nur, um eine gute Tat vollbracht zu haben. Ein Danke vom Herzen hat dabei einen größeren Wert als Geld. Die Familie Koch war überrascht, sie kannten so etwas nicht. Es ist traurig zu sehen, wie kapitalistisch die Gesellschaft veranlagt ist. Tatsächlich kennen es viele nicht anders. Man denkt immer, dass die andere Person für seine Hilfstätigkeit Geld verlangt. Durch uns haben sie zum ersten Mal das Gegenteil kennengelernt. Als der Umzug fertig war hat mein Vater alle, die Familie Koch mit eingeschlossen, zu uns nach Hause eingeladen. Meine Mutter und meine Tante Manuela haben Essen zubereitet. Für die Männer gab es auch eine Flasche Yeni Rakɪ, ein türkisches Nationalgetränk. Herr Koch war sehr verwirrt, als er die Alkoholflasche gesehen hat, da er dachte, dass für Türken Alkohol verboten sei.

      Mein Vater saß, während die restlichen Männer den Rakɪ tranken, am anderen Tisch, da er als Moslem so etwas nicht unterstützen darf. Normalerweise dürfte er in seinem Haus erst gar keinen Alkohol zur Verfügung stellen, aber da ist mein Vater noch etwas locker.

      Ich erhöhe mein Schritttempo, da die Zeit knapp wird. Zwei Freunde und ich wollen uns an der Bahnstation treffen, um gemeinsam zur Uni zu fahren. Ich besitze zwar einen Führerschein und ein eigenes Fahrzeug und könnte damit zur Universität fahren, allerdings ist es dort sehr schwer einen Parkplatz zu finden, man muss ziemlich viel Glück haben. Zu Beginn meines Studiums habe ich es noch versucht, daraufhin kam ich des Öfteren zu spät zur Vorlesung, da die Parkplatzsuche viel Zeit in Anspruch genommen hat.

      Ich bin gleich beim Bahnhof. Aus der Ferne sehe ich meine zwei Freunde. Milan, Berkan und ich kennen uns schon aus Kindheitstagen. Milans Eltern kommen ursprünglich aus dem ehemaligen Jugoslawien. Seine Mutter ist Serbin und sein Vater Kroate. Ja, ich weiß. Es ist eine hochexplosive Mischung, da sich beide Länder, während des Jugoslawienkriegs, in den Haaren hatten. Seine Eltern sind da anders, sie haben ihr Verhältnis durch diesen sinnlosen Krieg nie beeinflussen lassen. Milan ist das zweitjüngste Kind seiner Eltern. Er hat einen kleinen und zwei ältere Brüder. Berkan ist auch Türke. Er lebt für den Fußballverein Galatasaray Istanbul. Deswegen haben wir schon oft eine kleine Auseinandersetzung gehabt, denn ich feuere den Verein Fenerbahçe Istanbul an. In der Türkei gibt es drei Top- Fußballklubs, alle drei sind aus Istanbul und konkurrieren miteinander. Jeder Türke entscheidet sich, im Laufe seines Lebens, für einen von diesen drei Vereinen. Oft ist es so ein Familiending. Wenn der Vater beispielsweise Galatasaray Fan ist, dann sind es die Kinder in der Regel auch. Aber es gibt Ausnahmen. Mein Vater zum Beispiel ist für den Verein Beşiktaş Istanbul und ich, wie bereits erwähnt, für Fenerbahçe Istanbul. Wenn diese Fußballklubs gegeneinander spielen, dann spricht man von einem sogenannten Derby, dann werden die Gemüter heiß und die Atmosphäre in dem Stadion ist unglaublich. Wenn es aber um die türkische Fußballnationalmannschaft geht, dann sind wir alle eins. Es gibt bei uns keine Liebe zu einem Verein die größer ist, als die zu der Nationalmannschaft. Unser größter Erfolg war die WM 2002 in Südkorea und Japan, dort haben wir den dritten Platz belegt. Seitdem schwächelt unsere Nationalmannschaft, ich bin mir aber sicher, dass wir bald wieder eine Top- Platzierung erreichen werden.

      „Endlich hast du deinen Arsch in die Gänge bekommen. Wir verpassen wegen dir noch unsere Bahn.“ sagt Milan und wirft dabei seine Zigarette auf den Boden.

      „Sorry Jungs, ihr kennt mich.“ antworte ich, strecke ihm meine Hand aus und gebe ihm einen Kuss auf die rechte und dann auf die linke Wange. Danach strecke ich Berkan meine Hand aus und begrüße ihn auch. Während wir uns begrüßen sagt Berkan „Kein Problem Kardeşim Benim, wir sind nicht sauer, dafür lieben wir dich zu sehr.“. > Kardeşim Benim< bedeutet >Mein Bruder<. Berkan ist schon immer ein verständnisvoller Junge gewesen. Er und ich sind immer auf einer Wellenlänge und teilen dieselben Interessen, vor allem Fußball ist unsere gemeinsame Leidenschaft. Wenn am Wochenende gute und interessante Fußballspiele stattfinden, ist es schon des Öfteren passiert, dass wir ab Vormittag bis zum Abend hin vor dem Fernseher saßen und uns alle Spiele angeschaut haben.

      Wir gehen in Richtung Bahn. Ich war sehr spät dran. Laut Anzeige kommt die Bahn in zwei Minuten.

      „Hey Jungs, schaut mal dort drüben, die Schwarzhaarige!“ sagt Milan so, als sehe er zum ersten Mal in seinem Leben eine Frau. Dort, einige Meter von uns entfernt, stehen drei Mädels. Die, welche Milan ins Visier genommen hat, sieht ganz okay aus. Mir selbst fällt nur eine von den drei Mädels besonders auf. Sie hat langes dunkelblondes Haar, leicht wellig. Aus der Ferne stechen ihre Augen hervor. Obwohl wir relativ weit voneinander entfernt stehen erkenne ich ihre Augenfarbe, sie ist Blau wie das Meer an einem Strand in der Karibik. Mir geht nur ein Wort durch den Kopf -Wow!-. Ihre Schönheit ist unglaublich. Milan ist ein Draufgänger.

      Nachdem er uns auf die Schwarzhaarige aufmerksam gemacht hat geht er auch schon in ihre Richtung, um sie anzusprechen. Ich kenne ihn und ich weiß ganz genau, dass er es vermasseln wird. Ich beginne langsam damit mich fremdzuschämen. Berkan ahnt auch schon, was passieren wird. Beide drehen wir uns mit dem Gesicht in die andere Richtung, damit die Mädels bloß nicht mitbekommen, dass wir zu Milan gehören und damit wir diese peinliche Situation nicht mit ansehen müssen.

      „Tat der Aufprall eigentlich sehr weh?“ fragt Milan die Schwarzhaarige. Sie schaut ihn nur verwundert an.

      „Was für ein Aufprall?“. Jetzt geht Milan in die peinliche Offensive.

      „Als du wunderschöner Engel vom Himmel auf die Erde gefallen bist.“. Er hat doch nicht allen Ernstes diesen typischen Google- Anmachspruch gebracht, den jeder schon seit Jahren kennt. Aber irgendwie schien es der Schwarzhaarigen nicht bekannt zu sein, vielleicht kann er doch punkten. Sie schaut ihn mit ernster Miene an, wartet einige Sekunden, fängt dann an zu lachen und sagt „Aus welcher Trickkiste hast du diesen Spruch denn her?

      Ich werde des Öfteren angebaggert, aber so einen billigen Anmachspruch habe ich schon lange nicht mehr gehört.“. Ihre Freundinnen fangen an zu lachen. In diesem Moment drehe ich mich um und schaue hinüber. Die, welche mir so sehr gefällt, lacht auch mit. Ihr Lachen ist so süß, es stimmt einfach alles an ihr. Ich will nicht behaupten, dass es Liebe auf den ersten Blick ist, aber dass in mir einige Gefühle aufgekommen sind, kann ich nicht leugnen. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Ihr dürft mich aber auch nicht falsch verstehen. Es ist nicht so, dass ich jetzt am liebsten vor ihr auf die Knie fallen würde, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.