Katie Volckx

Erkläre mir das Leben


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zwei Euro.« Ich hielt ihr die Münze hin.

      »Ich brauche nur zwanzig Cent.«

      »Ich habe es aber nicht kleiner.«

      »Dann lass stecken, Cedric!«

      Ich war mehr als irritiert – ich fühlte mich wie in einem falschen Film. »Ich lade dich ein. Was willst du denn? Eine Cola?«

      »Nee, lass mal. Ich werde schon nicht verdursten.« Sie war im Begriff zu gehen.

      »Winter, was soll dieser Schwachsinn?«

      Sie stöhnte genervt. »Woah, na schön, dann gib mir die zwei Euro.« Als sie die Münze aus meiner hohlen Hand nahm, legte sie ihre Centmünzen hinein, um mir nichts schuldig zu sein. Jedenfalls nicht mehr als nötig.

      »Warum bist du jetzt so bescheuert? Ich meine, ich kann auch gehen, wenn dir meine Existenz auf den Keks geht.«

      »Es tut mir leid, okay?« Sie sah mir direkt in die Augen. »Okay?«, wiederholte sie, da ich sie nur anstarrte und es mir offenbar die Sprache verschlagen hatte.

      Aber ihr Blick stach mich nieder wie einen Feind. Wie hätte ich da noch einen klaren Gedanken fassen können? Ich probierte es mit dem Naheliegendsten: »Okay!« Ging doch!

      Zufrieden wandte sie sich dem Getränkeautomaten zu, warf die Münze ein und drückte die Taste für eine Cola. Und zwar eine richtige, echte, wahre Cola. Nicht die light-Cola, sondern die mit den fünf Tonnen Zucker. Ein Mädchen, das auf den ganzen Diätwahn pfiff. Das machte sie im Nu um Welten attraktiver.

      »Aber es ist nicht wahr, dass du alle Zeit der Welt hast. Deine Mutter wartet draußen auf dich. Und meine im Übrigen auch ... Also, auf mich, nicht auf dich.«

      »Stimmt. Aber wir könnten uns später noch einmal treffen.« Dieser Vorschlag kam überraschend. Ich befürchtete, sie könnte an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leiden.

      »Klar doch, wenn du Lust hast.« Ich mimte Lässigkeit mit einem Schulterzucken.

      »Klaro. Und du?«

      »Sicher.« So sicher war ich mir im Augenblick gar nicht, andererseits mochte ich sie nicht vor den Kopf stoßen. Immerhin war sie auf mich zugekommen, wollte so was wie Frieden mit mir schließen, auch wenn ich nicht verstand, woher ihr Sinneswandel kam. Ich war ein unbedeutender Fremder für sie, der sich auch noch lustig über ihren Namen gemacht hatte.

      »Dann reden wir nachher, ja?«

      »Wo?«

      »Bei dir.«

      »Bei mir?« Zu Recht wunderte ich mich, schließlich kannten wir uns überhaupt gar nicht. Und was würde wohl Harro dazu sagen, wenn er erführe, dass sein Mädchen sich mit anderen Typen traf? Und dann war ausgerechnet ich einer dieser Typen.

      »Was dagegen?« Für meine Skepsis fehlte Winter jegliches Verständnis.

      Ich zögerte, erwiderte dann jedoch: »Nein ... nein.«

      Glücklicherweise hatte sich meine Mama mit Nikos Mama für das Abendessen in einem örtlichen Restaurant verabredet. So musste ich Winters bevorstehenden Besuch nicht erwähnen und war keinem ihrer dummen Sprüche ausgesetzt. Außerdem blieb Winter es erspart, kritisch auf Herz und Nieren geprüft zu werden. Mama erging sich gern darin. Und es wäre nicht das erste Mal, dass sie mit ihrer aufdringlichen Art ein Mädchen vergraulen würde. Zwar war Winter keine romantische Verabredung, trotzdem legte ich aus sehr mysteriösen Gründen wert darauf, sie näher kennenzulernen.

      Ich empfing sie mit einem offenen Lächeln, in der Hoffnung, ich würde zur Abwechslung mal eines zurückbekommen. Aber es sollte nicht sein. Sie drängte sich an mir vorbei und ging schnurstracks in die Küche.

      Sie trug noch immer die Kleidung von heute Mittag. Nur das weiße Rippshirt hatte sie gegen ein kürzeres Top mit Punkten getauscht. Nun lag ihre schmale Taille frei. Ihre Rippen zeichneten sich deutlich ab.

      Sie registrierte, dass ich sie musterte. Also sah ich weg und pfiff verräterisch. »Findest du mich sexy?« Neckisch zwinkerte sie mir mit einem Auge zu.

      »Nein«, wies ich eilig ab. Und gleich darauf bemerkte ich, wie schäbig meine Reaktion war. »Ich meine, du bist auffallend dürr. Das gibt mir zu denken.« Mein Erklärungsversuch war zwar nicht besser, aber sie sollte ruhig die Wahrheit erfahren und sich keine falschen Vorstellungen machen.

      »Machst du mir was zu trinken?«

      »Äh, klar. Was stellst du dir vor?« Ich stand mitten in der Küche, verlassen und verloren, sodass ich mir vorkam, als wäre ich der Fremde hier.

      »Cappu.«

      Ich öffnete einen Hängeschrank mit Glastüren, welchen wir Kaffeeschrank nannten, obwohl wir dort auch Tee aller Art, Kakaopulver und Brillenputztücher lagerten, und untersuchte ihn auf Cappuccino. »Ist aus. Wie wäre es mit einem Cafè au Lait?«

      »Komm ich mit klar.«

      »Hast du ein Näschen für Küchen oder warum kennst du dich in diesem Haus so gut aus?«, wollte ich wissen, während ich ein paar Handgriffe machte, um den Cafè au Lait für sie zuzubereiten. Na gut, die Maschine hatte die meiste Arbeit. Ich musste nur einen Knopf drücken.

      »Glückssache.« Sie war beängstigend selbstbewusst. »Seid ihr irgendwie reich?«, fragte sie nun, mehr der Information halber, nicht, weil es ihr wirklich wichtig war. So schien es.

      »Nein, nicht dass ich wüsste.«

      »Dafür lebt ihr aber echt gut.« Mit langsamen Schritten lief sie durch die Küche und berührte Ablagen und diverse Küchengeräte mit dem Zeigefinger. Nur ganz kurz, als wolle sie prüfen, ob ihr irgendetwas davon gefährlich werden könnte. Der Toaster könnte vielleicht kaltblütig zuschnappen wie ein Krokodil, die Kiwi in der Obstschale, zwischen den Bananen und den Äpfeln, könnte vielleicht hochgehen wie eine Granate und die Arbeitsplatte der Kücheninsel könnte sich vielleicht umschlagen und das geheime Waffenlager einer Auftragsmörder-Familie freigeben.

      »Mein Vater ist Chefarzt.«

      »Und deine Mutter?« Nun tippte sie eine Pfanne, die über der Kücheninsel an einem Decken-Hängeregal baumelte, so an, dass sie leicht ins Schaukeln geriet und eine andere Pfanne anstieß.

      »Sie ist Hausfrau.«

      »Verdient man damit Geld?«

      »Das ist nicht nötig. Mein Vater versorgt uns.«

      »Als Chefarzt verdient man garantiert einen Haufen Kohle.«

      Ich deutete grob auf das Haus. »Wie du siehst! – Und was ist mit deinen Eltern?« Ich fand es nur fair, dass auch sie mich wissen ließ, in welchen Verhältnissen sie aufwuchs, nachdem sie mich so neugierig ausgequetscht hatte.

      Sie setzte sich auf einen der hohen Hocker an der Kücheninsel. »Meine Mutter ist Finanzbeamtin.«

      »Meine Mutter schimpft immer auf die Mitarbeiter des Finanzamtes. Alle unfreundlich, sagt sie.« Ich stellte Winter die Tasse mit dem Cafè au Lait vor die Nase, als er fertig war, und setzte mich mit einer kalten Cola aus der Dose zu ihr.

      »Ja, sie sind verpönt. Aber du hast meine Mutter gesehen. Sie ist anders. Und hat mit den Vorurteilen zu kämpfen. Tagein, tagaus.«

      »Ja, deine Mutter scheint nett zu sein. Und dein Vater?«

      Winter umklammerte die Tasse, als beabsichtigte sie, sich daran zu wärmen. Aber da das Thermometer im Haus dreiundzwanzig Grad Celsius anzeigte, ahnte ich, dass sie mit dieser Geste nur Halt und Ablenkung suchte.

      »Der ist von Beruf Idiot.«

      Ich lachte. Das kam nicht gut an.

      Wieder schaute Winter mich mit diesem strengen Blick an, weshalb es mir eiskalt den Rücken herunterlief.

      »Tut mir echt leid, aber das kam jetzt voll trocken rüber und ...«

      Sie unterbrach mich lachend: »Du bist so leicht zu