Jonas Eideloth

Catharsis - Schatten und Wahn


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ausgebrochenen Kobolddame bis zu prustend, lachenden Trollen. Irgendwo schrie einer nach mehr Bier.

      Remus Blick wanderte die Wand hinauf zu dem oberen Stockwerk. Neben einem rostigen Schild, welches entfernt an eine Banane erinnerte, standen die Fenster der Kneipe weit offen. Ohrenbetäubender, knallharter Sound dröhnte daraus durch die Straßenschlucht, ungeachtet dessen, dass direkt unter dem Fenster ein Kobold mit einer Stahlstange an die Mauer gepinnt worden war.

      Das Gesicht war noch immer schreckverzerrt und aus seinem Umhang mit weiter Kapuze troff das Blut an der dreckigen Mauer hinab.

      Remus hatte wohl Master Kar gefunden.

      Unter lauten Rufen wurde ein Zylinder mit einer kleinen Aster im Hutband auf das Ende der Stange geworfen, die dadurch leicht wippte und dunkelroten Lebenssaft in dicken Blasen aus der Wunde hervorquellen ließ.

      Einige Ghule kamen in den tiefen Schatten angrenzender Hauseingänge bleibend näher und schnüffelten bereits an dem vom Regen weggespülten Blut im Rinnstein der Straße.

      Nun ja, das war es wohl mit dem Informanten. Spinnenbein John konnte sich über einen Konkurrenten weniger freuen.

      Remus bekam von einem Troll ein Bier in die Hand gedrückt.

      „Wie er gequietscht hat“, lachte der Troll und klopfte sich wiehernd auf die Schenkel. Tränen liefen über das grobe Gesicht und kurz darauf warf er sich ebenfalls mit dem Rücken gegen die Mauer und quietschte dabei theatralisch. Johlen und lauter Applaus brandete auf.

      Remus´ Blick blieb an der weinenden Kobolddame hängen. Sie schien Master Kar gekannt zu haben, vielleicht wusste sie mehr.

      Er schob sich nach vorne, als er plötzlich etwas in seinem Augenwinkel wahrnahm.

      Vor einer Laterne sah er als Schattenriss ein markantes Profil. Remus blieb stehen und versuchte einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen.

      Der Mann bewegte sich und holte sein Handy aus der Tasche, um einen Anruf entgegenzunehmen.

      Im Licht des Displays leuchtete das Gesicht auf und direkt unter dem Haaransatz lag ein Leberfleck.

      Manchmal brauchte man doch wirklich einfach nur etwas Glück.

      Er hatte seine Zielperson gefunden, die sich unglaublich entspannt am Ort eines selbst begangenen Mordes bewegte.

      Der kräftige Mann mit dem kantigen Gesicht und den halblangen Haaren steckte das Telefon weg, blickte noch einmal mit einem Lächeln zu dem exekutierten Kobold und ging.

      Remus widmete der Szenerie vor der Kneipe keinen Blick mehr, reichte das Bier an einen freudig überraschten Zentauren weiter und heftete sich dem anderen Jäger an die Fersen.

      ***

      Die Verfolgung des Mannes hatte eine ganze Weile gedauert und Remus bis an die Ecke einer Straße geführt, in der es intensiv nach Pizza roch.

      Er hatte wenig Probleme gehabt an dem Anderen dranzubleiben, der sich wenig um seine Umgebung kümmerte.

      Ein paar Mal hatte er überlegt, dem Mann vor sich einfach ein paar Kugeln in den Rücken zu jagen. Doch er bevorzugte elegantere Lösungen.

      Remus machte seinen Job einfach schon zu lange, um sich mit dermaßen einfachen Straßenschlägermethoden zufrieden zu geben.

      Ein inszenierter Selbstmord, das wäre eher nach seinem Geschmack. Ganz klassisch mit einem Strick in der eigenen Wohnung erhängt, während er mit einem Drink gemütlich dabei zusähe wie das Leben aus dem Körper weichen würde.

      Remus spähte um die Hausecke und sah gerade noch, wie der Mann in ein Haus mit vielen Mietwohnungen verschwand.

      Remus lief auf den Hauseingang zu und fand sich vor einer verglasten Türe mit großem Plastikgriff zum Ziehen wieder. Das Schloss stellte sich als einfaches Sicherheitsschloss heraus, welches für ihn kein Problem darstellen sollte.

      Remus ließ seinen Blick über die Namensschilder neben der Türe schweifen. Er glaubte nicht daran, dabei etwas zu finden, außer ein paar hingeschmierter, nur notdürftig angebrachter Namenszettel, doch dann stutzte er.

      `Valen Gahl` stand fein säuberlich ausgedruckt und einlaminiert unter einer der kleinen Plastikscheiben.

      Sehr interessant, dachte sich Remus.

      Es mochte Zufall sein, und dieses ganze Mietsgebäude war ein von Parahumanoiden genutztes Haus, doch davon hatte er in diesem Teil der Stadt noch nie gehört.

      Remus zog einen elektronischen Dietrich aus der Tasche und öffnete die Tür.

      ***

      Valen saß auf seiner gemütlichen Couch mit dem weißen Stoffüberzug, die Füße lagen auf einem passenden Hocker. Eine lange, Stehlampe aus Aluminium mit extra Leselampe spendete etwas Licht und beleuchtete die Seiten seines Buches. Ein Kriminalroman.

      Seine Hand strich immer wieder durch das kurze, weiche Fell der Nachbarskatze `Miezi`, die des Öfteren auf einen Besuch vorbeikam, wenn er diese Wohnung nutzte. Ein leichter Geruch nach Pizza lag noch immer in der Luft.

      Valen genoss den Augenblick, auf diesen Moment hatte er gewartet seit er diesen unleidigen Auftrag hatte übernehmen müssen.

      Irgendwo in der Wohnung knackte es leise. Wohl der Holzboden, dachte Valen und blätterte um.

      Miezi hielt in ihrem Schnurren inne und hob den Kopf.

      „Was ist, Süße?“, fragte er. „Noch Hunger?“

      Die Ohren der Katze zuckten leicht.

      „Warte, ich mach dir was“, sagte Valen noch, bevor es vor seinen Augen plötzlich stockfinster wurde.

      Vor Schreck atmete Valen tief ein und bekam Stoff in den Mund.

      Jemand hatte ihm einen Sack über den Kopf gestülpt!

      Miezi maunzte laut auf, fauchte und Valen spürte wie sie davonsprang.

      „Gute Nacht, Herr Gahl“, flüsterte es heiser neben seinem Ohr und Valen spürte, wie etwas Spitzes in seinen Arm gerammt wurde.

      Er erwachte aus seiner Schreckstarre und versuchte, sich loszureißen, doch ein Arm legte sich stahlhart um seinen Oberkörper und hielt ihn fest.

      Valen wollte schreien während sich Panik in ihm breit machte aber es gelang ihm nur ein leises Keuchen hervorzustoßen, bevor sich Dunkelheit über seinen Verstand legte.

      ***

      Remus schlich leise auf die leicht geöffnete Wohnungstüre zu, neben der auf einem Schild `Valen Gahl` stand.

      Ein Maunzen war daraus zu vernehmen, das rasch zu einem Fauchen wurde und schließlich verstummte. Dann folgten ein paar erstickte Geräusche und Knarzen.

      Vorsichtig schaute Remus durch den schmalen Türspalt in die Wohnung.

      Inmitten des Raums stand eine weiße Couch neben einer umgeworfenen Stehlampe. Dahinter hatte der andere Jäger gerade einen Sack über einen Kopf gestülpt, der vermutlich zu Herrn Gahl gehörte, während er in der anderen Hand eine Spritze hielt.

      Also entführte diese Person wohl tatsächlich gerne Leute, dachte sich Remus. Ob Valen Gahl allerdings mit der Stahlfirma in Verbindung stand, wusste er nicht.

      In aller Ruhe sah Remus zu, wie Herr Gahl unter der Wirkung der Spritze zusammensank. Er würde ausharren und abwarten, was der Mann als Nächstes tat.

      Urplötzlich richteten sich die stechenden Augen des anderen Jägers auf den Türspalt und direkt auf Remus. In einer einzigen, flüssigen Bewegung ließ der Mann den Beamten fallen, griff unter sein Sakko und zog eine große Halbautomatik hervor.

      Scheiße, dachte Remus und hechtete zur Seite, als schon die Tür hinter ihm