etwas schwieriger“, meinte der Mann, nahm seine Melone ab und fing an, sie zwischen den Fingern zu kneten.
„Wir haben nur ein etwas verschwommenes Bild von einer Überwachungskamera, haben es Ihnen bereits aufs Handy geschickt.“
Remus nahm sein Telefon heraus und rief die eingegangene E-Mail auf, ein undeutliches Gesicht war im Profil zu sehen. Die markante Nase und ein großer Leberfleckansatz unter den halblangen Haaren waren gute Anhaltspunkte. Es würde kein Problem sein, die Person auf der Straße zu erkennen.
„Was ist mit ihm?“, fragte Remus.
„Leute verschwinden aus unserer Firma“, zischte der Mann ihm zu. „Wir glauben eine andere Firma will uns ausbluten lassen und hat diesen Jäger auf uns angesetzt. Schalten Sie ihn aus, außerdem wollen wir den Namen unseres Kontrahenten.“
Remus überlegte kurz und überschlug den Zeitaufwand im Kopf. „Fünfundvierzigtausend“, meinte er. „Zehntausend sofort.“
Der Mann kniff die Augen noch weiter zusammen, als sie es sowieso schon waren. „Mein Chef wird nicht erfreut sein, machen Sie ein besseres Angebot.“
„Ihr Chef kennt meine Preise“, mehr zu sagen hielt Remus nicht für nötig.
Der Mann nickte, telefonierte kurz und bald darauf erhielt Remus die Nachricht, dass das Geld eingegangen war.
„Vielen Dank, ich übernehme den Auftrag. Einen schönen Abend noch“, verabschiedete Remus die Person vor seinem Tisch.
Der Mann setzte seine Melone wieder auf, nickte ihm zu und ging in Richtung Ausgang. Dort stieß er fast mit einem älteren Mann zusammen, welcher ebenfalls mit Melone und langem weißen Bart gerade von der Toilette kam.
Zufrieden griff Remus nach seinem Whiskeyglas und ein leicht vorfreudiges Kribbeln breitete sich in ihm aus. Der neue Auftrag war ganz nach seinem Geschmack.
Ein anderer Jäger bedeutete eine größere Herausforderung und er durfte sein Können spielen lassen. Weit besser, als eine Familie in ihrem Auto zu zerquetschen, auch wenn ihm die Inszenierung mit dem Kran Spaß gemacht hatte.
Warum nicht gleich losziehen und den neuen Auftrag starten?, fragte er sich. Der Abend war noch jung.
Der Kaffee hatte seinen eigentlich müden Leib aufgerüttelt und der Alkohol beschwingte ihn zusätzlich. Das war genug, um direkt zu starten.
Aber nicht bevor… er hob die Hand und Jade kam hinter der Theke hervor.
„Doppelter Espresso, extra stark“, bestellte Remus mit vom Rauchen dunkel verfärbter Stimme. „Ich trinke ihn direkt an der Bar.“
Er erhob sich und warf seinen Mantel über. Die Zigarre löschte er und steckte den Rest in die Innentasche, für später. Mit einem zusätzlichen routinierten Griff versicherte er sich, seine Vollautomatik parat zu haben, dann schlenderte er vor zur Theke.
Der Espresso stand schon dampfend auf dem zerkratzten, dunkel lackierten Holz, auf welches er schon so manche Nacht gestarrt hatte. Mit einem schnellen Schluck stürzte er das Getränk hinab, welches sofort eine Woge der Energie durch seine Adern zu jagen schien.
„Danke Jade, bis zum nächsten Mal“, sagte er und legte ihr das Geld für den Abend auf den Tresen, danach wandte er sich dem Ausgang zu.
„Vielen Dank für Ihren Besuch Herr Dracon, kommen Sie bald wieder“, rief sie ihm nach.
Er würde sicherlich bald wieder kommen, doch jetzt freute er sich auf die Jagd.
Und er liebte diesen Job, es war sein Leben. Jede Jagd erfüllte ihn mit unbändiger Energie und großem Stolz auf die erbrachte Leistung.
Hoffentlich machte es ihm der Andere nicht zu einfach.
Remus öffnete die Tür nach draußen und ein kalter Wind schlug ihm heulend entgegen.
Er würde seinen Informanten, Spinnenbein John, aufsuchen. Wenn ihm jemand einen ersten Anhaltspunkt geben konnte, dann diese kleine, alte Parodie auf einen Mann.
Gorks großer Trollschatten zuckte wie von unnatürlichem Leben erfüllt durch die Gasse, als er sich ihm zuwandte und ein „Auf Wiedersehen, Herr Remus Dracon“, grollte.
***
Valen war froh, als er die Grenzen des Schattenviertels endlich hinter sich ließ.
Ein verlassen wirkendes Industriegelände diente als äußeres Tor. Hinter eingeschlagenen Scheiben und schwarz gähnenden Öffnungen, nur notdürftig mit flatternder Folie abgedeckt, machte er immer wieder Bewegungen aus.
Niemals schlafende Augen beobachteten ihn und wachten darüber, dass kein Unbefugter sich Zutritt verschaffte.
Mit einem erleichterten Ausatmen trat Valen auf die Straße und ging zur nächsten Haltestation der Straßenbahn.
Er musste nur kurz im zunehmend auffrischenden Wind warten, bis ratternd und quietschend eine Bahn hielt, um ihn in die Innenstadt zu bringen.
Valen fühlte sich nicht ganz wohl, während er einstieg und sich auf einen der dreckigen Sitze niederließ. Der Blick aus dem Fenster wurde ihm durch Graffitischmierereien verwehrt. Der Abend war durch und durch miserabel gelaufen. Zum einen die unausgefüllten Formulare, die ihn aufgebracht aus seiner Aktentasche aus anzuschreien schienen und dann auch noch diese vollkommen schief gelaufene Sache mit der Kellnerin.
Warum hatte er sie nur nach ihrem Namen fragen müssen? Er wusste selbst nicht, was ihn geritten hatte, er war sonst nicht so. Es lag vielleicht an dem allgegenwärtigen Zigarrenrauch, der ganz und gar nicht nach normalen Zigarren gerochen hatte. Daran lag es sicherlich.
Überhaupt würde er in Zukunft solchen Rauch meiden und diese Bar auch.
Als die Kellnerin ihn nach seinem plumpen Versuch, ihren Namen zu erfahren ausgelacht hatte, war er zuerst in Richtung Toilette verschwunden, von wo er keinen anderen Ausweg sah, als sein Äußeres in das eines alten Mannes zu wandeln und dann schnellstmöglich zu gehen.
Er meinte noch immer, die spöttischen Blicke von zwei Gästen auf Barhockern in seinem Nacken zu spüren, doch die Blamage war nun endgültig vorbei.
Er würde sich noch etwas zu Essen besorgen und dann zu seiner Wohnung in die Kraskaustraße gehen. Danach hätte er das Wochenende frei, um es gemütlich zuhause mit einem Buch und heißem Gewürztee zu verbringen.
Er spürte immer noch die Blicke in seinem Nacken.
Valen drehte sein altes, bärtiges Gesicht um, doch hinter ihm in der Straßenbahn saß niemand mehr. Die dreckigen und beschmierten Sitze lagen verlassen da. Von einem war die Lehne abgerissen worden, auf einem anderen lag eine zerfledderte Zeitschrift, sonst war nichts zu sehen, was ihn ein wenig beruhigte.
Die Bahn ratterte um einen Kurve und Valen hörte den Wind pfeifen. Erste Regentropfen prasselten gegen die Scheiben.
Es würde ein gutes Wochenende zum Lesen werden.
Mit einem Ruckeln und Klingeln hielt die Bahn in der Gostrowstraße. Zeit, auszusteigen.
Draußen ließ der Wind seinen langen, weißen Bart wehen und er musste seinen Hut mit einem schnellen Griff vor dem Davonwirbeln bewahren.
Er stand an der Kreuzung zu seiner Straße. An der einen Ecke erhoben sich Altbaugebäude, während sich in einer anderen Straße moderne Betonklötze mit vielen verglasten Geschäftsfassaden im Erdgeschoss aneinander reihten.
Valen ging gebückt durch die Straße, um weiter den alten Mann zu mimen und folgte dem Geruch von Pizza in ein gut besuchtes Restaurant.
Schnell verschwand er auf die Toilette, wo er zum Glück ganz alleine war.
In der kleinen Ecke mit dem Waschbecken blieb er stehen und nahm seinen Hut ab. Valen richtete seinen Blick konzentriert auf den runden Spiegel. Die Barthaare schienen sich in sein Gesicht zurück zu ziehen, die