Jonas Eideloth

Catharsis - Schatten und Wahn


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wie eine schmale Person in kariertem Trenchcoat zögerlich von der Tür zur Bar ging. Nach einem kurzen Gespräch mit der Kellnerin, wies diese in seine Ecke.

      Remus nahm einen langen Zug von der Zigarre und hüllte sich in eine Rauchschwade. Zeit, es hinter sich zu bringen.

      „Herr Dracon, Remus?“, fragte der Mann vor seinem Tisch.

      „Ja.“

      „Ich bin Herr Valen Gahl, vom Amt für Außeneinsätze, Ministerium. Darf ich mich setzen?“

      Remus nickte und der Beamte ließ sich ihm gegenüber nieder. Unter dem Trenchcoat saß ein ordentlicher Anzug. Der Blick des Herren Gahl war etwas nervös, wie Remus bemerkte. Genauso wie die Bewegungen mit der er seine lederne Aktentasche öffnete.

      „Ich soll mit Ihnen folgende Unterlagen durchsprechen“, sagte Herr Gahl und legte eine Mappe vor ihm ab.

      Wenig interessiert schaute Remus auf das Deckblatt.

      Unterlagen für außergewöhnliche Sichtungen, Formular A bis F stand dort.

      Das konnte ja heiter werden.

      „Meine Vorgesetzten scheinen sich für Ihre sogenannte Schattensichtung sehr zu interessieren. Ich will direkt zur Sache kommen: Im ersten Formular benötige ich allgemeine Daten wie Name, Wohnsitz und so weiter. Dieses können Sie gerne selbst ausfüllen.“ Er reichte ihm das erste Formular und einen silbernen Kugelschreiber, in dem ´Valen´ eingraviert war.

      Remus drehte die Öllampe etwas heller und legte das Dokument mit einem kritischen Blick vor sich ab. Wie sehr er so etwas hasste.

      „Meine Herren, was darf ich Ihnen noch bringen?“, fragte Jade, die an ihren Tisch getreten war.

      „Ich denke, ich benötige noch einen Whiskey“, knurrte Remus und beobachtete, wie Herrn Gahls Blick über Jade wanderte. Er schien sichtlich von ihrem Äußeren angetan zu sein.

      „Einen Tee, bitte. Mit etwas Zucker und Milch.“

      „Sollt Ihr bekommen“, sagte sie lächelnd und verschwand wieder.

      Remus füllte inzwischen das erste Formular aus. Fragen wie Körpergröße, Augenfarbe und Gattung der Eltern reihten sich in einer schier endlosen Schlange der Belanglosigkeiten aneinander.

      Er hielt immer wieder inne, um Fragen zu überspringen. Als ob das irgendein Amt etwas anginge.

      Nach einer Weile schob er das dürftig ausgefüllte erste Formular wieder in die Mappe.

      „Haben Sie alles beantwortet?“, fragte der Beamte.

      „Natürlich“, antwortete Remus und ließ sich mit seiner Zigarre wieder zurück in die Couch sinken.

      Nach einem tiefen Zug hüllte er sein Gesicht in Rauchschwaden, was der Beamte mit einem Naserümpfen quittierte.

      „Ihr Tee, Mister“, sagte Jade in dem Moment und stellte ein leise klapperndes Gedeck ab. Herr Gahl zuckte zusammen.

      „Vielen Dank“, sagte er leicht verspätet.

      „Und Ihr Whiskey, Remus.“

      Der Jäger nahm ihr das Glas aus der Hand und bedankte sich mit einem kurzen Nicken.

      „Nun denn, machen wir weiter“, meinte der Beamte.

      „Standen Sie bei der Beobachtung jener Schatten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss?“, fing er an.

      Remus runzelte die Stirn und beugte sich ungehalten nach vorn. „Herr Gahl, ich führe meinen Beruf schon seit sehr langer Zeit aus. Ich lege höchste Priorität auf einen sauberen und exakten Ablauf oder glauben Sie, Ihre Regierung würde ihr Vertrauen in einen Amateur setzen?“

      „Also nein?“, fragte der Beamte mit einer hochgezogenen Augenbraue nach.

      „Ich werde Ihnen noch einmal mein Erlebnis in allen Einzelheiten schildern, schreiben Sie es nieder oder lassen Sie es bleiben.“

      „Meine Vorgesetzten bestehen auf die Formulare“, meinte der Beamte und versuchte dabei autoritär zu klingen.

      „Dann füllen Sie sie selber aus.“

      „Ich werde Meldung über Sie erstatten müssen, Herr Dracon, sollten Sie sich nicht kooperativ zeigen. Sind Sie sich dessen bewusst?“

      „Tun Sie sich keinen Zwang an“, sagte Remus und nahm genussvoll einen weiteren Schluck Whiskey. Er war sich sicher, diesen Beamten bald los zu sein und endlich seine verdiente Ruhe haben.

      Unschlüssig spielte Herr Gahl an seiner Teetasse herum, um schließlich einen Schluck zu nehmen.

      „Dann schildern Sie mir bitte den genauen Vorgang der Ereignisse, ohne auch nur ein Detail auszulassen“, sagte er schließlich und nahm ein liniertes Blatt aus seiner Tasche.

      Remus begann, sein Erlebnis mit den Schatten, die sich auf das Fahrzeugwrack zu stürzen schienen, noch einmal zusammenzufassen.

      Es mochte eine optische Täuschung gewesen sein, doch selbst wenn es keine war, interessierte es ihn nicht. Außer jemand gab ihm einen gut bezahlten Auftrag dafür.

      „Das wars“, schloss er seine Erzählung.

      „Nun ja“, meinte der Beamte unzufrieden, schaute auf seine nur halb vollgeschriebene Seite und danach auf die dickere Mappe mit den Formularen.

      „Ich werde nochmal mit meinem Vorgesetzten telefonieren, vielleicht geht es wirklich ohne die Formulare. Vielen Dank für die Auskunft, Herr Dracon.“

      „Falls Ihre Vorgesetzten wieder einen Auftrag haben, geben Sie mir bescheid“, antwortete Remus.

      „Wir werden sehen, wie zufrieden meine Kollegen mit Ihrer Arbeit sind.“

      Der Beamte packte seine Sachen zusammen und erhob sich. „Nun denn, ich empfehle mich, auf Wiedersehen, Herr Dracon.“

      Remus nickte ihm zu.

      „Ach ja, eine Frage noch“, meinte der Beamte zögerlich, während er sich noch einmal umdrehte.

      „Sie scheinen öfters hier zu verkehren, wissen Sie ähm…“, er geriet kurz ins Stocken. „Wissen Sie, wie die Kellnerin hier heißt? Nur falls ich doch noch einmal einkehren sollte.“

      Remus schaute kritisch zu dem Beamten hinauf, nahm noch einen Schluck aus seinem Glas und sog an seiner Zigarre. Mit dem ausgeatmeten Rauch stahl sich ein spöttisches Lächeln auf seine Lippen. „Fragen Sie sie doch einfach, Herr Gahl. Auf Wiedersehen.“

      Remus beobachtete, wie der Beamte nach vorne ging und noch einmal kurz mit Jade sprach, die nur lachend abwinkte.

      Remus meinte zu erkennen, dass Herr Gahl leicht errötend schnell in Richtung der Toiletten verschwand. Er schmunzelte und ließ sich wieder in die dicken Polster sinken.

      Die meisten scheiterten schon bei dem Versuch, den Namen der hübschen Bedienung zu erfahren.

      Nach einigen Zügen an seiner Zigarre, hatte er sein Inneres wieder zur Ruhe gebracht und beobachtete entspannt das Treiben in der Bar.

      Das Treffen war doch nicht so schlimm gewesen wie erwartet, eher amüsant. Beamte waren wohl doch allesamt Dilettanten.

      Ein Mann mit verkniffenem Gesicht und schwarzer Melone auf dem Kopf trat plötzlich an seinen Tisch.

      „Hallo Dracon, wir hätten wieder einen Auftrag für Sie“, sagte er mit einer genauso verkniffenen Stimme.

      Der Mann war die rechte Hand des Chefs einer Stahlfirma aus der Oberen Stadt. Die Firma trug immer wieder blutige Kleinkriege mit verschiedensten Organisationen aus und Remus bekam die Aufträge zugewiesen, woran sich ihre Straßenschläger die Zähne ausbissen.

      „Haben Sie die Unterlagen mit allen wichtigen Informationen zum Zielobjekt dabei?“, fragte Remus. Das wäre der zweite Auftrag innerhalb eines Tages, sein