Matthias Eckert

Das sagt aber


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der Umstrukturierung war. Er gab auch zu, dass es keinen Beleg für Anschuldigungen gab. Wenn jedoch Aussage gegen Aussage stünde müsse er natürlich einem Dienstgruppen- und einem Inspektionsleiter statt einem persönlich Betroffenen glauben. Den Einwand, letztlich sei nicht entscheidend wem er sondern wem das zuständige Verwaltungsgericht glaube, provozierte ihn zu einer argumentativen Meisterleistung die fast einem POR würdig gewesen wäre. Es sei, so meinte er, selbstverständlich möglich gegen die Probezeitverlängerung zu klagen. Allerdings sei es gar nicht nötig. Denn bis das Verwaltungsgericht über so eine Klage entschieden habe sei die verlängerte Probezeit wahrscheinlich abgelaufen und die Sache somit erledigt. Ein grandioses Argument. Auf welches ich zurückgreifen würde wenn ich das nächste mal einen Schwarzfahrer hatte. Schließlich war die Schwarzfahrt dann schon abgeschlossen und hatte sich somit von allein erledigt. Da konnte ich mir den Papierkram mit der Strafanzeige sparen. Eigentlich waren fast alle Straftaten bei ihrer Entdeckung, spätestens wenn sie vor Gericht kamen, schon abgeschlossen. Warum also der ganze Aufwand mit der Strafverfolgung? Ach ja, dieses vermaledeite Legalitätsprinzip.

      In einem Punkt hatte er recht. Die Verwaltungsgerichte waren überlastet. Nicht selten dauerte es vom Eingang der Klage beim Verwaltungsgericht bis zur Verhandlung mehr als ein Jahr. Weshalb, sollte eine Klage gegen die Probezeitverlängerung nötig werden, die gerichtliche Entscheidung über die Probezeitverlängerung leicht erst nächsten Sommer oder später fallen konnte.

      ORR Strumpf bestätigte den Plan, mich während der verlängerten Probezeit an die BPOLI STR umzusetzen. Das habe er mit POR Fahle so abgesprochen um mir einen Neustart in einem unbelasteten Umfeld zu ermöglichen. Ich wiederholte den Vorschlag, wenn ich schon an eine andere Dienststelle sollte, nach Bad Bergzabern zu gehen. Was er genau aus dem Grund ablehnte aus dem ich dort hin wollte. Weil Bad Bergzabern nicht zur BPOLD S gehörte. Er gab vor mein Schreiben mit der Stellungnahme bislang nicht erhalten und diese Woche noch nicht in sein Postfach gesehen zu haben. Klar es war ja erst Dienstag gegen Mittag. Eine für die Umstrukturierung der BPOL so zentrale Figur wie er konnte unmöglich täglich in sein Postfach sehen.

      Wirklich weiter gebracht hatte mich das Gespräch nicht. Die Verlängerung der Probezeit schien beschlossene Sache. Aber vielleicht würde ihn die Aussicht auf Widerspruch und Klage zum Umdenken bewegen. Immerhin bedeutete das zusätzlichen Arbeitsaufwand und der Sachbereich Personal war schon mit der Umstrukturierung ausgelastet. Da könnte er in der Angelegenheit einfach noch eine Weile weiter machen wie bisher. Nämlich nichts tun. Zwar würde ich solang das Disziplinarverfahren lief ohnehin nicht angestellt. Aber erstens war mit der Probezeitverlängerung die Umsetzung an den Flughafen verbunden und zweitens würde die Verlängerung wahrscheinlich auch nach Ende des Disziplinarverfahrens erst einmal weiterlaufen.

      In § 4 BDG stand: „Disziplinarverfahren sind beschleunigt durchzuführen“. Was, man sollte es kaum glauben, bedeutete, sie waren so schnell wie möglich zu Ende zu führen. Diese Regelung bestand aus gutem Grund, allein die während eines Disziplinarverfahrens gültige Beförderungssperre und der Ausschluss von Bewerbungen stellten beachtliche Nachteile dar. Selbst wenn man gar nichts angestellt hatte. Für den Fall der Dienstherrn schenkte § 4 BDG nicht die nötige Aufmerksamkeit gab es § 62 BDG. Danach konnte der Betroffene eines Disziplinarverfahren, wenn die führende Behörde es nicht innerhalb von sechs Monaten abschloss, bei Gericht eine Frist hierfür beantragen. Der Haken dabei war natürlich die erwähnte Überlastung der Verwaltungsgerichte. Allein bis zur Fristsetzung konnte einige Zeit vergehen. Trotzdem hoffte ich das Disziplinarverfahren bis Jahresende hinter mich zu bringen, um dann zu tun was ich eh vorgehabt hatte. Stuttgart verlassen.

      Zumindest hatte ich ORR Strumpf mal gesehen. Wobei er durchaus Eindruck hinterließ. Vor allem weil er die Probezeit scheinbar nicht verlängern wollte, weil er es für richtig und sachlich begründet hielt, sondern weil es ein Oberrat beantragt hatte. Er ging einfach den bequemsten Weg. Ein toller Typ. Musste er ja sein. Wenn nicht wäre er in der BPOL niemals ORR, was ein Dienstgrad des höheren Verwaltungsdienstes war, geworden. Zu gute gehalten werden konnte ihm seine, zumindest verglichen mit POR Fahle, größere Ehrlichkeit. Er machte gar kein Geheimnis daraus, dass er mich entlassen hätte. Was ich ihm nicht übel nahm. Vermutlich zog er die Entlassung aus dem selben Grund vor wie jetzt die Probezeitverlängerung. Sie machte ihm weniger Arbeit.

      Im Anschluss an das Gespräch mit ORR Strumpf entschied ich spontan Pfarrer Kaufinger aufzusuchen. Ihn in der Vorwoche eingeschaltet zu haben hatte zwar nichts gebracht. Ein zweiter Versuch konnte trotzdem nicht schaden. Grundsätzlich hatten die Pfarrer beachtlichen Einfluss. Mal sehen wie er reagierte wenn er erfuhr, wie die mir entgegenkommende Lösung, die POR Fahle ihm gegenüber angekündigt hatte, aussah. Allerdings war Pfarrer Kaufinger nicht auffindbar und so ging es zurück in den Dosencontainer, von wo ich ihn erreichen und einen Termin am 27. Juli vereinbaren konnte. Hoffnung machte mir als PHKin List am 23. Juli fragte ob ich mit einem längerfristigen Verbleib im Ermittlungsdienst einverstanden sei. Was ich sofort bejahte. Und kurz darauf bereute nicht gefragt zu haben, was sie unter längerfristig verstand. Nach Ende des Disziplinarverfahren hatte ich besseres vor. Jedenfalls sah ich ihre Nachfrage als Zeichen, dass mein Protest gegen die Umsetzung zur BPOLI STR vielleicht doch nicht umsonst war und nun nach Alternativen gesucht wurde.

      In der selben Woche besuchte mich ein Ulmer Kollege im Dosencontainer. Er wusste natürlich, dass ich, wie er es ausdrückte, nicht in den Ermittlungsdienst gelobt worden war und wollte mehr wissen. Ich erzählte vom kleinen Missverständnis mit dem Dienstherrn und gab ihm die Einleitungsverfügung zum Disziplinarverfahren. Er las sie und meinte, nach dem Maßstab müsse gegen jeden der sich gerade beim Inspektionsfest, während der Arbeitszeit, ein Bier reinkippe eins eingeleitet werden. Anschließend erzählte er von einem Verwandten, der ebenfalls beim Grenzschutz gewesen sei und bei einem Einsatz einen Schlaganfall erlitten habe. Woraufhin sein Vorgesetzter mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen Arbeitsverweigerung drohte. Eine Geschichte die meine Probleme etwas relativiert.

      Trotzdem bitte ich besagten Vorgesetzten nicht grundlos zu verteufeln. Die etwas unglückliche Drohung mit dem Disziplinarverfahren hat er sicher nicht ernst gemeint. Sondern in der Hoffnung ausgesprochen, so den Gesundheitszustand seines Mitarbeiters zu bessern. Er meinte es also gut und war in Wirklichkeit ein überaus fürsorglich. Wovon ich den Kollegen aus Ulm gern überzeugt hätte. Jedoch war er nicht in der richtigen Verfassung die Sache differenziert zu betrachten. Statt dessen lies er seiner durch nichts gerechtfertigten Ablehnung unseres wunderbaren Arbeitgebers freien Lauf und schockierte mich mit einer geradezu blasphemischen Aussage. Die ich, um die Geschichte umfassend zu erzählen, leider wiedergeben muss. Er sagte tatsächlich, der Grenzschutz sei immer schon scheiße gewesen und werde es auch immer bleiben.

      Am 24. Juli hieß es, POR Fahle würde doch nicht wieder auf seinen Dienstposten als stellvertretender Leiter der BPOLI STR zurückkehren. Statt dessen solle er in der Direktion die Leitung des Sachbereichs Prävention übernehmen. Erstmal nur ein Gerücht. Aber das Gerücht über seine Rückkehr an den Flughafen war etliche Wochen durch die BPOLI gegeistert, bevor er es bei der Eröffnung des Disziplinarverfahrens bestätigte. Es galt damals als offenes Geheimnis, dass er gehofft hatte der eigentliche Inspektionsleiter würde nicht zurück kommen und er könne die Leitung der BPOLI S dauerhaft übernehmen. Mit seiner Stelle als stellvertretender Leiter der BPOLI STR soll er sehr unzufrieden gewesen sein. Nicht zuletzt da er bis zur Umstrukturierung deren Leiter war und dann von einem anderem POR, mit dem er eher schlecht als recht auskam, verdrängt wurde. Mit so was musste man halt umgehen können. Ich bekam auch keine Heulkrämpfe als mir zwei unerfahrene Kolleginnen bei der Besetzung der Gruppenleiterstellen vorgezogen wurden. Wobei der Vergleich zwischen mir und POR Fahle natürlich völlig unpassend, ja geradezu absurd ist. Schließlich war er ein echter Leistungsträger, ein Leuchtturm der inneren Sicherheit und tragende Säule der Gesellschaft.

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