Matthias Eckert

Das sagt aber


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      Zwar wusste ich immer noch nicht wo das Phantomschreiben war. Immerhin aber wo es wahrscheinlich nicht war. An sich war es auch nicht wichtig wo es war. Ich wollte nicht das Phantomschreiben, sondern meine Anstellungsurkunde. Dazu hatte mir ein Bekannter einen interessanten Vorschlag gemacht. Er war Jurist und als wir uns Ende Juni zufällig trafen kam die Auseinandersetzung um die Anstellung zur Sprache. Er meinte sich im öffentlichen Dienstrecht nicht auszukennen. Grundsätzlich könne POR Fahle mit der Anstellungsurkunde aber nicht machen was er wolle. Er habe sie lediglich bekommen um sie mir am 14. Juni auszuhändigen. Wenn er das nicht tue sei es möglicherweise eine Urkundenunterdrückung. Weshalb ich gegen POR Fahle eine Dienstaufsichtsbeschwerde anstrengen oder besser gleich Strafanzeige erstatten solle.

      Tatsächlich stand im Strafgesetzbuch § 274 Absatz 1: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt.“

      Laut dem stellvertretenden Inspektionsleiters lag die Anstellungsurkunde seit Mitte Mai in der BPOLI S. Das passte zu RA Tons Aussagen über den normalen Ablauf einer Anstellung. Wonach die Urkunde in der Regel schon Wochen vor dem Anstellungstermin an die Dienststelle geschickt wurde. Dass die Urkunde immer noch in der BPOLI S war vermutete ich, weil sie ansonsten vermutlich an den Sachbereich Personal zurückgeschickt worden wäre. Laut Frau Hummel war dort im fraglichen Zeitraum aber kein Schreiben der BPOLI S eingetroffen. Gut ihr zu Folge war auch das Phantomschreibenn dort nicht angekommen. Der Leiter des Sachbereichs hatte es aber angeblich erhalten und vielleicht lag die Anstellungsurkunde dem Phantomschreiben bei. Für den Straftatbestand schien das ohnehin nicht wichtig. Die Urkunde gehört definitiv nicht POR Fahle. Nicht einmal „nicht ausschließlich“, sondern überhaupt nicht. Er hatte sie lediglich erhalten um sie mir nach Ende der Probezeit auszuhändigen. Gemäß RA Ton hätte POR Fahle, unmittelbar nachdem er Zweifel an meiner Eignung bekommen hatte, den Sachbereich Personal darüber informieren müssen. Der hätte dann eine Verlängerung der Probezeit verfügen und mir, statt der Anstellung, aushändigen lassen können. Das war nicht geschehen und der Verdacht, die Anstellungsurkunde würde ungerechtfertigt zurückgehalten, konnte da durchaus aufkommen.

      Da ich eigentlich ein umgänglicher Mensch bin zeigte ich POR Fahle trotzdem nicht an. Deshalb und weil ich Schiss hatte, wenn ich POR Fahle wegen Urkundenunterdrückung anzeigte, würde das bei der BPOLD S keine Begeisterungsstürme auslösen. Sondern eher zur Verlängerung meiner Probezeit führen. Was die Anstellung anging war ich damals guter Dinge. Zwar war ich nicht angestellt. Aber mehr als sechs Wochen nach der Ankündigung mich zu entlassen oder zumindest die Probezeit zu verlängern war nichts dergleichen geschehen. So leicht wie POR Fahle sich das vielleicht vorgestellt hatte schien es nicht zu sein.

      Das mögliche Vorliegen einer Urkundenunterdrückung lies die Ausbildungsschwerpunkte beim Grenzschutz in einem ganz anderen Licht erscheinen. Zumindest verglichen mit den Polizeien Bayern und Baden-Württemberg wurde in der Ausbildung sehr viel über die Strafprozessordnung und wenig über das Strafgesetzbuch gesprochen. Über die Gründe hatte ich mir bis dahin keine Gedanken gemacht. Es war halt so. Nun schwante mir, dass es dafür einen guten Grund gab. Eventuell sollten angehende Grenzschützer gar nicht alle Straftatbestände kennen. Damit sie nicht merkten wenn ihr Inspektionsleiter gegen einen davon verstieß. Was natürlich völliger Unsinn war. Schon weil Inspektionsleiter bei der BPOL keine Straftaten begingen. Allein dass ich auf so einen lächerlichen Gedanken kommen konnte bestätigte POR Fahles Vorbehalte gegen mich.

      Weshalb ich über meine Bösartigkeit, schließlich hatte ich mir überlegt einen Oberrat anzuzeigen, über alle Maßen entsetzt war und am 16.07. den katholischen Seelsorger der BPOLD S, Pfarrer Kaufinger, verständigte. Vielleicht war ich ja vom Teufel besessen. Das sollte Pfarrer Kaufinger rausfinden und gegebenenfalls eine Teufelsaustreibung in die Wege leiten.

      Ganz so war es nicht. Den Grenzschutzpfarrern wurde ein weit über ihre nominellen Befugnisse hinausgehender Einfluss nachgesagt. Einige gingen sogar so weit zu behaupten, wenn sich ein Pfarrer ausdrücklich gegen eine Personalmaßnahme ausspreche würde sie nicht verfügt werden. Das war umso bemerkenswerter weil die Pfarrer bei Personalentscheidungen nominell überhaupt nichts mitzureden hatten. Es war auch sicherlich eine Übertreibung. Allerdings gab es eine Reihe von Fällen in denen die Hilfe eines Pfarrer ausgesprochen nützlich gewesen war. Warum sollte der Pfarrer nicht auch mir helfen? Für Pfarrer Kaufinger entschied ich mich weil er direkt in der BPOLD S saß.

      Ich schilderte ihm telefonisch den Sachverhalt, mit Schwerpunkt auf dem Anliegen so langsam die überfällige Anstellung zu erhalten. Der Direktion hatte ja mittlerweile genügend Zeit gehabt die Vorwürfe gegen mich zu prüfen. Sollte sie keine ausreichenden Gründe für eine Verlängerung der Probezeit gefunden haben, sei es Zeit mich anzustellen. Einfach bis in alle Ewigkeit, oder alternativ bis zu meiner Pensionierung, weiter nach Entlassungsgründen zu suchen würde doch keinem helfen. Zumindest mir nicht. Er sagte zu sich darum zu kümmern und rief am selben Tag zurück. Er habe mit POR Fahle gesprochen und der habe zugesagt, eine mir entgegenkommende Lösung zu suchen. Da brauchte er nicht lange suchen. Die entgegenkommende Lösung lag auf der Hand. Ich wurde angestellt. Er entschuldigte sich für das ganze Theater und als Ausgleich würde ich eine Stelle im BPOLR Ulm, wo es nun einmal angenehmer als in in Stuttgart war, bekommen. Von POR Fahle erwartete ich ohnehin kein Entgegenkommen mehr. Er wollte mich entlassen. Egal ob es gerechtfertigt war oder nicht. Was Pfarrer Kaufinger hätte wissen müssen. Schließlich hatte ich ihm ausführlich von POR Fahles Vorgehensweise berichtet und ihn gebeten beim Sachbereich Personal oder bei der Direktionsleitung vorstellig zu werden. Nicht bei POR Fahle. Darauf angesprochen meinte er, es sei besser mit den direkt Involvierten zu reden. Zudem sei er überzeugt, POR Fahle tue nur was er für richtig halte. Dann war ja alles gut.

      Am 17 Juli meldete sich RA Ton wieder. Auf Nachfrage habe ORR Strumpf bestätigt, von POR Fahle ein Schreiben, mit dem Antrag mich zu entlassen, erhalten zu haben. Da eine Entlassung die Kompetenzen des Sachbereich Personal übersteige hätte er das Schreiben an das Justitiariat weitergegeben, beziehungsweise weitergeben wollen. Denn leider habe die Leiterin des Justitiariats, ORRin Hafner, die Annahme verweigert. Daher sei beim Justitiariat nichts von ihm bekannt. Damit schien der Weg von, sowie die Verwirrung um, POR Fahles Phantomschreiben vorerst geklärt. Zumindest teilweise, denn ein paar Fragen blieben offen.

      Warum war das Phantomschreiben in keinem Postverzeichnis eingetragen? Direkt nach seiner Annahme war ORR Strumpf vermutlich davon ausgegangen, es gleich an das Justitiariat weitergeben zu können und hatte einen Eintrag daher nicht für nötig erachtet. Da die Annahme des Phantomschreibens durch das Justitiariat, beziehungsweise dessen Leiterin, verweigert wurde war es dort naheliegenderweise nicht eingetragen. Spätestens jetzt hätte ORR Strumpf davon ausgehen müssen, auf dem Schreiben sitzen zu bleiben, es im Postverzeichnis eintragen und sich an die Bearbeitung machen müssen. Was mindestens bis zum 10. Juli nicht geschah. Obwohl das Phantomschreiben, der Email von PK Stumm zu Folge, spätestens seit dem 29 Juni bei ORR Strumpf war.

      Was hatte er in der Zwischenzeit damit getrieben? Spazieren getragen? Wie schon erwähnt war ORR Strumpf, als Leiter eines Sachbereichs der BPOLD S, zweifellos eine absolute Spitzenkraft von nationaler Bedeutung und als solche sehr gefragt und beschäftigt. Gerade deshalb musste es für ihn umso wichtiger sein sich nicht mit der Bearbeitung von Banalitäten wie dem Phantomschreiben zu belasten und es umgehend an einen Mitarbeiter weiterzugeben. Zumindest hätte er es ins Postverzeichnis eintragen können. Gerade für eine viel gefragte und beschäftigte Spitzenkraft sollte das eine Kleinigkeit sein. Wusste die vielgefragte und beschäftigte Spitzenkraft am Ende gar nichts vom Postverzeichnis seines Sachbereichs? Schon wieder so ein lächerlicher Gedanke meinerseits. Vermutlich konnte das Phantomschreiben nicht eingetragen werden weil ein nicht ganz so kompetenter Mitarbeiter das Postverzeichnis gerade verlegt hatte.

      Allerdings warf der Wortlaut von PK Stumms Email noch eine Frage auf. In ihr stand nicht das Schreiben werde an das Justitiariat weitergegeben oder solle weitergegeben werden. PK Stumm verwendete eindeutig das Präteritum im Indikativ. Weshalb ich bei Erhalt der Email davon ausgieng, das Phantomschreiben sei bereits beim Justitiariat. Wo es,