Matthias Eckert

Das sagt aber


Скачать книгу

Stoff für Tragödien. Was wenn der aufstrebende Kollege dadurch in seinem Aufstieg gebremst würde und so Zeit, in der er sich sonst in herausragender Position um die BPOL verdient machen konnte, verlöre. Schlimmer noch, er aufgrund dieser Enttäuschung einen anderen Weg einschlug, sich ganz von der BPOL abwendete und sein Talent für weniger edle Dinge einsetzte. Eine solche Schuld wollte ich keinesfalls auf mich laden. Leider würde POR Fahle dafür kaum Verständnis haben. Ich lies das Thema sein und wollte das Gespräch hinter mich bringen.

      Was gar nicht so einfach war. Denn POR Fahle bewies eine ungewöhnliche Ausdauer, ungewöhnlich dummes Zeug zu reden. Zumindest im Erzählen von dummen Zeug war er mir mindestens ebenbürtig. So behauptete er ohne Lachen oder Grinsen, das Disziplinarverfahren habe nichts mit der Probezeitverlängerung zu tun. Sondern sei völlig unabhängig davon zu betrachten. Selbst wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, konnte er nicht erwarten, ich würde ihm das abnehmen. Er schien es aber tatsächlich zu tun.

      Aber es wurde noch besser. Denn das Beste hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Einen Vortrag warum ich mich in der Sache keinesfalls an Dritte wenden solle. Nicht an Rechtsanwälte, den Personalrat, den Kaiser von China oder sonst wen. Gut, den Kaiser von China hat er nicht eigens erwähnt. Und zwar weil mir in der jetzigen Situation nur einer helfen könne, er. Weshalb ich mich bezüglich Probezeitverlängerung und Disziplinarverfahren zukünftig ausschließlich an ihn wenden solle. Irgendwelche anderen Stellen oder Personen einzuschalten würde meine Situation nur verschlimmern. Das ist kein Witz. Zumindest nicht von mir.

      8

      Nachdem ich es geschafft hatte nicht lachend vom Stuhl zu fallen würgte ich POR Fahles Versuch einen Schwatz über irgendwelche Nichtigkeiten anzufangen ab und ging zurück in den Dosencontainer. Durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens war eine baldige Anstellung vollends unrealistisch. Während eines laufenden Disziplinarverfahrens wurden keine Beförderungen oder beförderungsähnlichen Personalmaßnahmen, worunter eine Anstellung fiel, vorgenommen. Dementsprechend musste erst einmal das Disziplinarverfahren abgeschlossen werden. Und zwar mit nichts anderem als einer Einstellung nach § 32 Absatz 1 Nr.1 Bundesdisziplinargesetz (BDG), weil „ein Dienstvergehen nicht erwiesen ist“. Ansonsten würde der Ausgang des Verfahrens als Rechtfertigung für die Probezeitverlängerung und eine anschließende Entlassung dienen.

      Grund, oder Vorwand, für das Disziplinarverfahren waren zwei Ereignisse bei denen ich mich angeblich dreier Dienstvergehen schuldig gemacht hatte.

      Der erste Vorwurf lautete, am Abend des 15.02.2009 hätte eine im Rollstuhl sitzende nur mit Mantel und Schlafanzug bekleidete ältere Dame die Bahnhofsmission Stuttgart um einen Schlafplatz ersucht. Eine Mitarbeiterin der Bahnhofsmission vermutete daraufhin, die Dame sei aus einem Heim abgängig und kontaktierte die BPOL. Dabei sei es zu einem Wortwechsel mit mir gekommen bei dem ich, „neben weiteren verbalen Entgleisungen“, geäußert hätte „die BPOL sei kein Sozialunternehmen“. Ich hätte dann die Personalien der Dame im Fahndungssystem überprüft aber ansonsten keine Maßnahmen getroffen und dadurch gegen die Pflichten zur vollen Hingabe zum Beruf gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) und zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten gemäß § 61 Absatz 1 Satz 3 BBG verstoßen. Der Vorfall war in dem Gespräch am 29. Mai nicht zur Sprache gekommen. Wahrscheinlich wahr die Sache erst später an ihn oder PHK Kauf herangetragen worden. Vor so was hatte PHKin Beck mich ja gewarnt.

      Der zweite Vorwurf der schon am 29. Mai erwähnte „Vorfall mit einer gewichtigen Person“ und sollte ebenfalls einen Verstoß gegen § 61 Absatz 1 Satz 3 BBG darstellen. Zur Einleitung des Disziplinarverfahrens machte sich POR Fahle die Mühe etwas präziser zu werden. Demnach hätte ich, „während meiner Verwendung in der ehemaligen BPOLI Ulm“, einen namentlich nicht genannten Kollegen mit den Worten „mein Gott schau die Fette an“ auf eine vor der Wache befindliche Dame aufmerksam gemacht. Deren anwesende Mutter hörte es, verlor die Fassung und fand sie erst durch beruhigendes Zureden mehrerer Kollegen wieder.

      Neben der Schilderung meiner Schandtaten enthielt die Einleitungsverfügung eine Belehrung über seinen Ablauf. Aufgeführt waren die Rechte einen Beistand hinzuzuziehen, die Möglichkeit sich mündlich oder schriftlich zu äußern und die dafür vorgesehenen Fristen. Alle weiteren Rechte die ich als Betroffener im Disziplinarverfahren hatte wurden nicht erwähnt und ich halte die Belehrung für missverständlich. So zum Beispiel: „Es steht ihnen frei, sich zu den genannten Vorwürfen mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Sie können sich jederzeit im Verlauf des Disziplinarverfahren eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen (§ 20 Abs. 1 BDG). Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung setze ich Ihnen eine Frist von einem Monat. Falls Sie sich mündlich äußern wollen, bitte ich Sie um entsprechende Erklärung innerhalb von zwei Wochen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 BDG). Die Anhörung wird dann innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchgeführt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BDG). Die jeweilige Frist beginn nach Zugang es Schreibens. Falls Sie aus zwingenden Gründen gehindert sind, die genannten Fristen, einzuhalten, bitte ich Sie um unverzügliche Mitteilung (§ 20 Abs. 2 Satz 3 BDG). Die Erklärung, ob Sie von ihrem Recht auf mündliche Äußerung Gebrauch machen wollen, bitte ich, an mich als zuständigen Dienstvorgesetzten im Sinne der Verordnung zu § 82 BDG zu senden.“

      Das konnte, meines Erachtens, den Eindruck erwecken der Beschuldigte dürfe sich einmal, und zwar zu Beginn des Verfahrens zu den Vorwürfen äußern. Dagegen war in § 30 BDG ausdrücklich das Recht eines Beamten festgelegt sich erst oder erneut nach Abschluss der Ermittlungen zu äußern. Eventuell klingt es nur für mich so. Eventuell kennt jeder andere Beamte § 30 BDG und sonstige Vorschriften zum Disziplinarverfahren auswendig und wenn nicht kann ja jeder im Gesetz nachsehen. Ich war in meinem Wissen und meinen geistigen Fähigkeiten aber stark eingeschränkt und POR Fahle wusste es. Daher enttäuschte mich die Unvollständigkeit der Belehrung, gerade in Anbetracht seiner sonst so vorbildlichen Fürsorge mir gegenüber, doch ein wenig.

      Glücklicherweise war PHM Rund so nett mir die entsprechenden Paragraphen des BDG vorzulesen und deren Bedeutung zu erklären. Weshalb POR Fahles versehentliche Nachlässigkeit, es musste sich um ein Versehen handeln, er würde mich nie bewusst täuschen wollen, ohne Folgen blieb. Gerade nachdem er sich mir als Ansprechpartner in allen Fragen zum Disziplinarverfahen und der Probezeitverlängerung empfohlen hatte wäre so eine List umso hinterhältiger gewesen.

      Als Ermittlungsführer im Disziplinarverfahren war POK Blech bestimmt worden. Aufgabe des Ermittlungsführers war es die Zeugenvernehmungen durchzuführen, Beweise zu sammeln, sie in einem Ermittlungsbericht zusammenzufassen und dem Disziplinarvorgesetzten vorzulegen. Der würde den Ermittlungsbericht objektiv beurteilen und das Verfahren dann entweder einstellen oder sich für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme entscheiden.

      Die möglichen Disziplinarmaßnahmen reichten von einem Verweis, der in der Regel ein Schreiben mit der Aufforderung so etwas nicht wieder zu tun war, über eine einmalige Geldbuße bis zur Kürzung der Dienstbezüge. Was bedeutete, dass der Dienstherr das Gehalt für bis zu drei Jahre um bis zu 20 Prozent kürzen konnte. Alle genannten Maßnahmen konnte der Disziplinarvorgesetzte, bei mir der Leiter der BPOLI S, vorschlagen. Woraufhin sie vom Leiter der BPOLD S genehmigt werden mussten und daraufhin, sollte der Beschuldigte keinen Widerspruch einlegen, rechtskräftig würden. Als schwerste Disziplinarmaßnahmen gab es die Zurückstufung, umgangssprachlich als Degradierung bezeichnet, oder die Entfernung aus dem Dienst. Die konnte die BPOLD S jedoch nicht selbst verhängen, sondern müsste sie beim zuständigen Verwaltungsgericht einklagen.

      Soweit im Grundsatz. Der jedoch von einem Beamten auf Lebenszeit ausging. Dank POR Fahles Bemühungen war ich noch Beamter auf Probe. Dazu stand in § 31 Absatz 1 Nr. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG), „der Beamte auf Probe kann entlassen werden wenn ein Verhalten vorliegt, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte“.

      § 31 BBG enthielt noch weitere Wege einen Beamten auf Probe loszuwerden. Gleich unter Absatz 1 Nr. 2 fand sich die für meinen Fall eigentlich passende Variante. „mangelnde Bewährung (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung“. Passend weil POR Fahle, seinen Einlassungen vom 29. Mai zu Folge, der