Matthias Eckert

Das sagt aber


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wurde er enttäuscht. Ich habe seinen mühsam gewonnen und wasserdicht bewiesenen Erkenntnissen weiterhin widersprochen. Was zwar nutzlos war, geschadet hat es aus dem selben Grund, er hatte eh schon entschieden, aber auch nicht. Vielleicht konnte ich ihn so zumindest etwas ärgern. Irgendwas muss man ja können.

      Zum Abschluss teilte POR Fahle daher mit, er habe leider keine andere Wahl als bei der Bundespolizeidirektion Stuttgart meine Nichtanstellung, man könnte auch sagen meine Entlassung, zu beantragen. Bis dahin würde ich, da die Dienstgruppe vor mir geschützt werden müsse, im Ermittlungsdienst der BPOLI Stuttgart eingesetzt. Es kann also niemand sagen PHK Kauf hätte mich falsch informiert. Er hatte halt vergessen ein unbedeutendes Detail zu erwähnen. Kann ja mal passieren.

      Damit war das Gespräch beendet, zumindest für mich. Denn während ich vor POK Fahles Büro geschickt wurde blieben er, PHK Kauf und PK Stumm im Raum. Vermutlich unterhielten sie sich wie der Dienstplan während des Cannstatter Wasens so mitarbeiterfreundlich wie möglich gestaltet werden konnte. Nach vier, fünf Minuten gesellte sich PK Stumm zu mir vor die Tür, nahm sich meiner an und wollte wissen was ich jetzt vorhabe. Auf die Antwort, mir möglicherweise einen anderen Beruf zu suchen, riet er, ich solle versuchen um jeden Preis bei der BPOL zu bleiben. Schließlich sei die Wirtschaftslage ausgesprochen unsicher und da habe die Sicherheit des Beamtenverhältnisses einen kaum zu überschätzenden Wert. Zudem sicherte er mir die Unterstützung des Personalrats zu. Gerade habe er sich schon für mich eingesetzt und POR Fahle gesagt, im Streifendienst würde nun einmal eine andere Ausdrucksweise herrschen als die Leitung sich das vorstelle und gern hätte. Eine paar deutliche Worte dürften da nicht überbewertet werden. War es in meiner Abwesenheit etwa doch nicht um den Dienstplan zum Cannstatter Wasen gegangen?

      Jedenfalls hatte POK Stumm damit wahrscheinlich wieder meine Streitlust geweckt. Ich wollte ihm erst einmal klar machen, dass sich nicht einer der mir vorgeworfenen Sachverhalte tatsächlich so abgespielt hatte. Was schon im Ansatz scheiterte, da er sich zur nahegelegenen S-Bahnhaltestelle Nürnberger Straße aufmachte. Schließlich fuhr im Hauptbahnhof gegen zehn nach vier ein ICE Richtung Ulm und wer möchte schon wegen so einer Lapalie verspätet ins Wochenende kommen. Kurz darauf kam PHK Kauf aus dem Büro und wir fuhren zum Hauptbahnhof Stuttgart zurück. Wobei wir kurz, vor der S-Bahnhaltestelle, PK Stumm aufsammelten und mitnahmen.

      Das Gespräch hatte ungefähr eineinhalb Stunden bis 15:30 Uhr gedauert. Bedingt durch die folgenden Unterredungen dürften wir gegen 15:40 Uhr von der Inspektion losgefahren sein. Da ich an die Fahrt und die herrschenden Verkehrsverhältnisse keine Erinnerung habe drängt sich mir jetzt eine Frage auf. Hat es PK Stumm auf den ICE nach Ulm geschafft? So unglaublich es klingt, bisher kam mir dieses Problem noch gar nicht in den Sinn. Was zweifellos meiner mangelnden Intelligenz und Empathie geschuldet ist. Daher möchte ich mich bei PK Stumm für die fehlende Nachfrage diesbezüglich, und wenn er den ICE verpasst haben sollte hierfür ebenfalls, in aller Form entschuldigen. Hätte ich doch meine Klappe gehalten und das Gespräch nicht unnötig in die Länge gezogen.

      Zurück im BPOLR Stuttgart wurde zunächst der Ablauf meines Wechsels in den Ermittlungsdienst geklärt. Ich entschied die Spätschicht regulär zu Ende zu bringen und den Rest des Umlaufs, also die Frühsicht am 30. Mai sowie die Nachtschicht vom 30. auf den 31. Mai ausfallen zu lassen. Meine Wahl lies PHK Kauf triumphierend feststellen, das habe er sich schon gedacht. Wirklich eine beeindruckende Leistung. Schließlich hätte jeder andere darauf bestanden den kompletten Umlauf mit PHK Kauf genießen zu dürfen. Das war schließlich viel besser als ein freies Wochenende.

      Als nächstes informierte ich die Dienstgruppe über das Gespräch und meinen Weggang in den Ermittlungsdienst. Natürlich lies es sich PHK Kauf nicht nehmen dabei anwesend zu sein. Was meine Möglichkeit zu freien Meinungsäußerung doch etwas einschränkte. Aber freie Meinungsäußerung wird sowieso maßlos überschätzt.

      Außerdem brachte seine Anwesenheit auch eine Erkenntnis. Als ich PK Stumms Einlassung, er hätte mich verteidigt, erwähnte, wurde das von PHK Kauf sofort bestritten. Was zum Schluss führt, ich litt, wie schon von POR Fahle festgestellt, unter einen völlig verqueren Wahrnehmung. Gut, theoretisch konnte es auch bedeuten, dass einer der beiden log. Allerdings war das bei einem Polizeihauptkommissar, wie mir erst kurz zuvor erklärt worden war, völlig unmöglich. Bliebe PK Stumm. Der, schon da von POR Fahle zum vorhergehenden Gespräch eingeladen wurde, logischerweise ebenfalls über jeden Zweifel erhaben war.

      Die Dienstgruppe selbst reagierte überrascht. Protest äußerten in Gegenwart von PHK Kauf jedoch nur zwei Beamte. Alle anderen bekundeten ihren Unmut lediglich im weiteren Verlauf der Spätschicht unter vier oder sechs Augen. Alle sicherten zu mit der Sache nichts zu tun zu haben. Ich ging jedoch davon aus, dass ein oder zwei von ihnen gegen mich intrigiert hatten. Ansonsten ging die Schicht ganz normal zu Ende.

      2

      Aufgrund eines Feiertags musste ich erst am Dienstag dem 02. Juni im Ermittlungsdienst, der wie die Inspektion selbst in der Martha-Schmidtmann-Straße 17, kurz MS17, untergebracht war, aufkreuzen. Nachdem dessen Leiterin, PHKin List, gegen 08:00 Uhr erschien folgte die übliche Begrüßung. PHKin List gab an bis letzte Woche nie etwas von mir gehört zu haben. Das mag ungewöhnlich anmuten, aufgrund der räumlichen Trennung zwischen Ermittlungsdienst und BPOLR S, sowie großteils unterschiedlicher Dienstzeiten, war es aber gut möglich. Zudem war sie erst vor einigen Wochen aus der Elternzeit zurückgekehrt. Ich selbst kannte bis dahin nur ihren Namen und hatte sie noch nie gesehen. Lediglich mit ihrem Stellvertreter hatte ich ein- oder zweimal telefoniert. PHKin List teilte mit ich würde im Bereich Sachbeschädigungen eingesetzt. Dort bestünde dringender Personalbedarf und der zuständige Polizeihauptmeister (PHM) Rund hätte erst vor einigen Tagen um Verstärkung gebeten. Da ich PHM Rund bereits kannte kam mir dies durchaus entgegen. Trotzdem war mir der Wechsel in den Ermittlungsdienst erst gar nicht recht. Ungeachtet der damit verbundenen Nacht- und Wochenendarbeit zog ich den Streifendienst, sowohl aufgrund er Arbeitszeiten als auch der Tätigkeit, vor. Zusätzlich war es nicht üblich, dass ein noch recht junger Streifenbeamter derart kurzfristig in den Ermittlungsdienst wechselte. Mein plötzliches Auftauchen dort schuf also gute Voraussetzungen für wilde Spekulationen. Um dem vorzubeugen erzählte ich einfach jedem den es interessierte oder interessieren konnte, also so ziemlich jedem, warum ich im Ermittlungsdienst war. Nämlich weil ich am 29. Mai zu POR Fahle bestellt worden war und der mir mitgeteilt hatte, Sie wissen schon. Dabei habe ich es wahrscheinlich auch ein paar Leuten erzählt die es nicht im geringsten interessierte. Aber darauf konnte ich in der Situation keine Rücksicht nehmen.

      Ansonsten lies es sich im Ermittlungsdienst ganz gut leben. PHM Rund und ich waren zusammen in einem Büro. Von denen immer zwei über einen gemeinsamen Vorraum verfügten, welcher wiederum durch eine Tür vom Flur getrennt war und Zugang zu einem zwischen den Büros liegenden Badezimmer mit Dusche, WC und Waschbecken bot. Diese Anordnung hatte, neben der guten sanitären Ausstattung und dem kurzen Weg auf die Schüssel, den Vorteil einer gewissen Vorwarnzeit. Ungebetener Besuch wurde bereits wahrgenommen wenn er die Tür zum Vorraum öffnete. Um die Vorwarnzeit weiter zu erhöhen konnte die Tür zum Vorraum durch Kartons mit sichergestellten Spraydosen blockiert werden. Es kamen nämlich immer wieder Kollegen auf die Idee, bei der Aufnahme von Graffitistraftaten am Tatort gefundene Spraydosen als Beweismittel sicher zu stellen. Vor der Untersuchung auf Fingerabdrücke wurden sie dann in unserem Büro zwischengelagert. Weshalb es, zwecks eindeutiger Benennung, ab sofort als Dosencontainer bezeichnet wird.

      Da zudem PHM Rund ein sehr umgänglicher Mensch war hatte ich gute Voraussetzungen mich dem etwas getrübten Verhältnis zum Dienstherrn, beziehungsweise dessen Vertreter in Person von POR Fahle, zu widmen. Selbstverständlich beseelt von der Absicht selbiges wieder gerade zu rücken. Dafür schien es mir am geeignetsten erst einmal nichts zu tun. POR Fahles Absichten waren bekannt und ich würde sie nicht ändern können. Sollte er doch loslegen. Meine Gelassenheit lag nicht zuletzt an den zeitlichen Umständen. POR Fahle wollte mich nach Ablauf der Probezeit nicht, wie es der Normalfall war, anstellen sondern entlassen. Die für mich gültige beamtenrechtliche Situation sah, nach Abschluss der Ausbildung, eine zweieinhalbjährige Probezeit vor. Auf welche die sogenannte Anstellung und, mit Abschluss des 27. Lebensjahres, die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit folgte. Um zu verdeutlichen, dass sich ein Beamter