Ramona Nagiller

Ausgesetzt


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wurde erniedrigt und geschlagen.

      „Wir stehen das durch, Conny, du wirst es sehen“, sagte sie.

      Conny war daraufhin noch mehr unterwegs, beschimpfte sie.

      Kapitel 3

       Isabellas Geburt

      1958 kam ich auf die Welt, ein gesundes Mädchen, mit dunklen Augen und schon dunklen Haaren.

      Anne, meine Mutter, versuchte verzweifelt, die Situation zu retten.

      Während eines Kinobesuchs meiner Eltern, fanden mich meine Großeltern, die in der Nähe wohnten und einen Schlüssel hatten, nackt am offenen Fenster liegend in meinem Bettchen, bei eiskalter Witterung.

      Ich bekam eine schwere Lungenentzündung und war sehr krank.

      Bei einem erneuten zufälligen Besuch befreiten mich meine Großeltern von Kissen und Deckbett, die auf meinem Gesicht lagen.

      Ich war blau, atmete kaum noch.

      Der Arzt drohte mit Anzeige.

      Meine Eltern zogen mit mir in eine andere Wohnung in ein anderes Viertel.

      Conny, mein Vater, hasste mich, lehnte mich ab, kümmerte sich nicht.

      Ich erfuhr wenig Zuwendung, lebte vereinsamt im oft abgedunkeltem Zimmer, wurde mit nicht ausreichender vitaminreicher Kost ernährt.

      Meine Mutter arbeitete, um das Überleben zu sichern. Es blieb kaum Zeit für Spaziergänge.

      Ein familiäres beschütztes Leben war nicht möglich.

      Anne bat ihre Eltern mich zu versorgen, da sie völlig überfordert war.

      Meine Großeltern lebten früher auf dem Land bei Pirmasens in gutbürgerlichen Verhältnissen. Sie unterhielten damals ein eigenes Geschäft, einen großen Hof und Ländereien. Doch durch den Krieg verloren sie fast ihr ganzes Vermögen, und wohnten jetzt in Kaiserslautern. Sie entschlossen sich mich aufzuziehen, obwohl sie inzwischen finanziell ein sehr bescheidenes Leben führen mussten.

      Sie brachten mich in eine Spezialklinik, weil ich eine schwere Rachitis und psychische Störungen hatte.

      Meine Beinchen wurden gebrochen und

      gerichtet, damit das Laufen später funktionieren konnte.

      Fast ein halbes Jahr war ich in der Klinik.

      Endlich bin ich bei meinen Großeltern.

      Meine Oma Helga und mein Opa Richard lebten in der Stadt.

      Ich war glücklich und geborgen.

      Kapitel 4

       Isabella ist zu Hause.

      Irgendwann kam meine Mutter Anne wieder, nach längerer Zeit, geschieden von Conny, meinem leiblichen Vater.

      Sie war sehr schön und gut gekleidet.

      Sie brachte Schokolade und ein Kleidchen für mich mit. Sie hatte einen neuen Freund, er hieß Charlie. Sie stellte ihn meinen Großeltern vor.

      Das Allertollste war: Sie hatten ein Baby, ein Mädchen, Bärbelchen mit einem wunderschönen Porzellangesichtchen, grünbraunen Augen und dunklen Haaren. Ich fand das so schön.

      Mutter sagte, sie würde so gern wieder für mich sorgen. Wir könnten wieder alle zusammen eine glückliche Familie sein.

      Oma und Opa seihen doch schon ziemlich alt und wir als junge Familie würden doch viel mehr unternehmen können und schöne Dinge machen, einfach mehr Spaß haben.

      Sie fragten mich, ob ich darüber nicht mal nachdenken möchte.

      Ich schaute auf das Bärbelchen und fand sie so süß, ich durfte sie auf den Arm nehmen und das Fläschchen geben.

      Ich schaute auf meine Großeltern und bekam ganz plötzlich ein schlechtes Gefühl.

      „Wenn Mama und Papa mitgehen, sage ich ja", stotterte ich.

      „Du kannst sie oft besuchen fahren, deine Großeltern", antwortete meine „neue Mutter“.

      Ich fühlte mich irgendwie unangenehm und schlecht.

      Fast in Panik gab ich blitzschnell das Bärbelchen zurück zu ihrer Mama, lief zu meinem Opa, kletterte auf seinen Schoß und steckte den Daumen in den Mund.

      Mein Opa lächelte mich an, meine Angst war verschwunden.

      Abends fuhr die neue Familie wieder fort.

      Danach hörte ich eine Weile nichts mehr.

      Kapitel 5

       Entführung

      Ich kam vom Spielen, das Knie aufgeschlagen, es blutete. Kurz vor der Haustüre, die ich schon berührte zum Aufmachen, hörte ich meinen Namen.

      „Isabella-Isabella, bleib stehen, eine Überraschung“, ich kannte die Stimme, irgendwie.

      Ich stand wie angewurzelt, drehte mich langsam um.

      Ein grauer Opel Blitz Kleinlaster mit geöffneter, zurückgeschobener Seitentür stand da an der Straße, direkt am Eingang meines Wohnhauses.

      Die „neue Mama“ winkte fröhlich aus dem Auto, auf dem Arm das Bärbelchen, der neue Mann saß am Steuer des Lieferwagens.

      „Isabella, komm her, die Überraschung", rief meine „neue Mutter".

      „Wir machen einen Ausflug.“

      „Oh ja“, rief ich begeistert.

      „Steig ein, Isabella, schnell", antwortete Anne, meine Mutter.

      „Aber Mama und Papa?“ fragte ich plötzlich ängstlich.

      „Sie treffen uns“, lachte Anne, „los, beeile dich!“

      Ich stieg ein.

      Wir fuhren lange, es war so schön.

      Irgendwann fing Bärbelchen an zu weinen, und Anne, meine Mutter, gab ihr ein Fläschchen, das vorbereitet in einem Körbchen eingewickelt stand.

      Ich fühlte mich auf einmal müde und schlief ein.

      Ein sanftes Rütteln weckte mich auf.

      Es war dunkel, der Wagen hatte angehalten, alle stiegen aus, ich kletterte schlaftrunken aus dem Fahrzeug und schaute mich um.

      Bei spärlicher Beleuchtung sah ich einen großen Platz, der eingezäunt war, mit hohen Blechwänden.

      Das große Eingangseisentor war ganz zurückgeschoben, stand auf, wir alle liefen durch das Tor.

      Ich sah ganz viele Fahrzeuge, Wohnwagen aus Holz, Campingwagen, ein aufgebautes Zelt mit bunter Plane, Autos, Kleinlaster.

      Charlie, der Freund meiner Mutter, fuhr seinen Lieferwagen durch das Tor, stieg aus und schob es zu, schloss ab.

      „Mama, Papa, wo sind sie?“ fragte ich Anne unbehaglich.

      „Isabella, es ist schon spät und dunkel, sie können heute Abend nicht da sein", sagte Anne, etwas unwirsch.

      „Das verstehst du doch, du bist doch schon groß“.

      Ich war noch keine sechs Jahre alt.

      Ich nickte tapfer, kämpfte mit den Tränen.

      „Aber morgen?“

      „Morgen werden sie kommen", sagte Anne.

      „Ja morgen“ wiederholte ich, fühlte mich kalt und verloren.

      „Jetzt gibt es was zu essen", sagte Charlie, ihr neuer Mann,

      „Dann sieht die Welt ganz anders aus“, er lachte mich an.

      Anne nickte dazu.

      Wir alle stiegen die Treppe eines Holzwohnwagens