ihre Freunde aus dem Irak, die ebenfalls dort schon versammelt waren, kannten Odin und seine Raben seit Beginn der Achtziger-Jahre. Noch aus der Zeit, als Tuweitha, ein lausiger Vorort von Baghdad, sich als erster und kläglicher Versuch eines irakischen Nuklearforschungszentrums etablierte.
Odin, Munin und Hugin jedoch sahen ihre Gastgeber ganz anders, denn von ihrer Psyche her waren sie gar nicht in der Lage, mit anderen Menschen echte Freundschaften zu schließen; abgesehen davon waren ihre Gastgeber keine Menschen, die einer Freundschaft würdig gewesen wären.
Also sahen sie, wie immer, nur ihren Auftrag und wollten auf dieser Reise jetzt nur die Früchte pflücken, welche sie über die letzten Jahre hinweg gesät hatten.
Ihr Auftrag, diese Früchte, waren dreizehn ihrer Gastgeber. Sie flogen in den Iran, um diese zu treffen, denn ihre Gastgeber planten eine biblische Katastrophe, mit der sie die westliche Welt und Russland überziehen wollten. Odin und seine Raben sollten elf von ihnen töten sowie alle ihnen in der Ausführung ihres Auftrages sich in den Weg stellenden islamistischen Terroristen in höchst möglicher Anzahl auslöschen. Nur für zwei Ihrer Gastgeber hatten sie andere Pläne.
Die Stoßrichtung dieses Auftrages war dabei einerseits einen unvorstellbaren Anschlag auf die westliche Zivilisation nachhaltig zu unterbinden und andererseits ein extrem gewalttätiges Signal für alle islamistischen Terroristen und ihre Sympathisanten zu setzen: Nämlich dass die westliche Zivilisation, aber auch Russland es endlich und endgültig satt hatten, sich terrorisieren zu lassen und dass die Jagdsaison auf solche Terroristen eröffnet war.
Dass dieses Ziel keine Gefangenen oder Verletzte, sondern, bis auf zwei ihrer Feinde, nur Tote dulden würde, war ihnen nur angenehm.
Ja, Odin mit seinen Raben Hugin und Munin freuten sich sogar – so wie normale Männer sich auf eine Verabredung mit ihrer Geliebten freuen – diese Ziele erfüllen zu dürfen. Vielleicht waren sie doch Psychopathen. Jetzt dachte Odin, voller innerlichem Gelächter, an das wattierte Kuvert, welches einen gewissen Generalleutnant Franziskus Mauritz per Einschreiben in einer Woche zu Hause erreichen würde.
Er hatte dieses Kuvert, gegen den Rat von Hugin und Munin, vor ein paar Tagen dem Portier des Hotels „Vier Jahreszeiten“, in welchem er seit vielen Jahren wohnte, wenn er in München war, zusammen mit einem 100-Euro-Schein in die Hand gedrückt und ihn gebeten, dieses Kuvert genau am 26. Februar zur Post zu geben.
Der Portier, der Odin, alleine schon wegen seiner immer üppigen Trinkgelder, schätzte und dessen Zuverlässigkeit bei den Stammgästen des Hotels berühmt war, hatte bei den Instruktionen seines Gastes nur genickt „Es wird mir eine Freude sein und Sie können sich auf mich verlassen!“
Für Generalleutnant Franziskus Mauritz würde es jedoch wenig Freude bringen, denn in diesem Kuvert war ein Zettel: „Diese Kugel hat ein Brüderchen, welches Lügner bestrafen kommt“ und eine 0.50 Kaliber Gewehrpatrone. Mauritz würde wissen, was damit gemeint war und Angst würde ihn von da an begleiten.
Auch wenn Odin und seine Raben zu diesem Zeitpunkt nach allgemeinem Kenntnisstand bereits tot waren.
Kapitel 2
Dienstag, 4. September 2001
Moskau/Washington
An diesem Dienstag fand ein Telefonat zwischen der Kreml-Zentrale von 18:26 h bis 19:37 h, Ortszeit Moskau, und dem Weißen Haus, Ortszeit Washington10:26 h bis 11:37 h, also mit einer von Dauer 71 Minuten statt.
„Washington White House, hier spricht Kreml Moskau auf Kanal 1265, Dringlichkeitsstufe Topeka, Präsident Putin bitte um sofortigen Kontakt zu Ihrem President Bush.“
„Hi, Natalja, was ist denn so dringend, geht Euch der Vodka aus?“ Leutnant Gregory Taylor konnte sein Vergnügen kaum unterdrücken, denn, wenn die Russen anriefen, war es stets dringend.
Obwohl diese sehr hübsche Natalja Petuchow, die er zwar nur im Rahmen von vertrauensbildenden Maßnahmen aus Fotos kannte, aber seit zwei Jahren seine Ansprechpartnerin für Russland an jenem anderen Ende der Welt war, ihm nie den Eindruck hinterlassen hatte, alles stets besonders wichtig und eilig zu sehen, wollte er doch den stets ruhigen Routinier beweisen und dies durch seine vergnügt gemeinte Frage unterstreichen.
„Gregory, ich mag Ihren Humor, aber bitte achten Sie jetzt sofort auf die Kanal-Nummer. Oberst Porovkin ist hier jetzt auch zugeschaltet“.
Taylor realisierte auf einmal die immer wieder vor ihm auf dem Bildschirm blinkende Zahl 1265, und es wurde ihm bewusst, dass er in den fast zwei Jahren, die er in der Notfallzentrale des Weißen Hauses saß, noch niemals eine Kanalnummer über 1100, geschweige denn 1200 gesehen hatte.
Seine Stimme war auf einmal beschlagen und er war aufgeregt, weil alle Kanäle über 1100 waren nur Ereignissen vorbehalten waren, welche einen unmittelbaren Krisenfall bedeuteten; 1200-er Kanäle jedoch hatte er außer im Training vorher nie gesehen, denn diese waren ausschließlich für Katastrophenfälle bestimmt.
„Natalja, ich bestätige auf Kanal 1265 eingehendes Gespräch, Dringlichkeitsstufe Topeka, mit in der Leitung bei Ihnen Oberst Porovkin, bleiben Sie in der Leitung, ich brauche hier fünf Minuten um alles einzuleiten.“
Er rief auf seinem Computer die Checkliste auf, Kanal 1265, Russland, nahm das Telefon und rief den Situation Room „Wir brauchen sofort den President am Telefon für Präsident Putin, zwei Simultan-Dolmetscher, alle Aufzeichnungsgeräte auf 100 %. Lasst mich sofort wissen, wann der President sprechbereit ist!“
„Leutnant Taylor, hier spricht Oberst Ethan Young, Situation Room, ich bestätige Ihre Meldung eines eingehenden Gespräches aus dem Kreml auf Kanal 1265.
Leutnant, ich bitte um Ihren Bestätigungscode.“ Die ruhige Stimme ließ Taylor sofort wieder die Beherrschung finden und er rief den Bestätigungscode im Computer auf: „Colonel, Code ist Echo 4 Tango Alpha 16, 3 Sterne.“ „Bestätigt auch bei mir“ war die Antwort „zwei Minuten bitte!“
„Leutnant Taylor, hier spricht Oberst Young, Situation Room, POTUS (President Of The United States) ist in genau 5 Minuten, also um 10.35 Uhr am Telefon verfügbar, schalten Sie den Kreml bitte jetzt zu mir durch.“
„Hier spricht Colonel Young, guten Abend nach Moskau, wer spricht für den Kreml?“
„Aus dem Kreml spricht jetzt Oberst Porovkin, Ihnen einen guten Morgen, Colonel Young.“
„Leutnants Petuchow und Taylor, verlassen Sie jetzt die Leitung.“ Von den vier leuchtenden Lichtern auf Kanal 1265 in der Vermittlung im Weißen Haus erloschen zwei binnen drei Sekunden.
„Oberst Porovkin, hier Colonel Young, die Leitung ist geschaltet und gesichert“. „Auch bei uns jetzt, Colonel Young, Übergabe an die Präsidenten jetzt.“
„Präsident Putin, hier spricht Oberst Porovkin, Sie sind jetzt mit dem President der Vereinigten Staaten, Mr. George Bush verbunden. In der Leitung sind jetzt noch Oberst Porovkin und Oberst Young sowie jeweils zwei Dolmetscher des Kreml und des Weißen Hauses.“
„President Bush, hier spricht Oberst Young, Sie sind jetzt mit dem Präsidenten von Russland, Mr. Wladimir Putin, verbunden. In der Leitung sind jetzt noch Oberst Young und Oberst Porovkin sowie jeweils zwei Dolmetscher des Weißen Hauses und des Kreml.“
„Guten Abend, Wladimir, wie geht es Ihnen und was kann ich für Sie tun?“
„Guten Mittag, George, sparen wir uns alle Begrüßungszeremonien und kommen wir direkt auf den Punkt.“
„Hier spricht Colonel Young: Computer gestützte Sprachidentifikation beider Präsidenten eindeutig und klar, Leitung wird hier freigegeben.“
„Hier spricht Oberst Porovkin: Computer gestützte Sprachidentifikation beider Präsidenten eindeutig und klar, Leitung wird auch hier freigegeben.“
Sobald das Sicherheitsritual, welches das Vortäuschen der Präsidentenstimmen durch andere Personen ausschloss, durch Colonel Young und Oberst Porovkin abgeschlossen war und auf beiden Seiten des Atlantik an dem jeweiligen