Anne Pallas

Lust auf Callgirls


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      „Ich dachte, das würde Sie auch interessieren“, erwiderte die knöcherne Frau kleinlaut.

      „Überhaupt nicht“, knurrte Zimmermann. „Mich interessiert nur, was unmittelbar mit dem Mord an Linda Schäfer zu tun hat, verstehen Sie?“

      „Sie war ein Callgirl. Habe ich das schon erwähnt?“

      „Fünfmal schon.“

      „Ach so.“

      „Sie hielten nicht viel von ihr, wie?“

      „Hören Sie mal, Herr Kommissar, was soll man von so einer Person denn schon halten? Sie war recht fleißig, emsig wie eine Biene war die. Die Männer gaben sich die Türklinke in die Hand. Linda Schäfer betrieb einträgliche Geschäfte.“

      „Wie war sie zu den Nachbarn?“

      „Freundlich, hilfsbereit. Direkt harmlos wirkte sie, wenn man ihr im Lift begegnete. Aber so wirken die doch alle. Was sie treiben, wie sie sich ihr Geld verdienen, steht ihnen ja nicht im Gesicht geschrieben. Nicht, solange sie noch so jung sind wie diese Linda Schäfer.“

      „Wie alt war sie?“

      „Neunzehn. Aber die hat auf ihre Art mehr Geld verdient, als ich mit ehrlicher Arbeit jemals verdienen werden.“

      „Sie mochten Linda Schäfer nicht, wie?“, fragte der dicke Kriminalkommissar und steckte sich eine Zigarre an. Er blies den Rauch zur Decke und wartete auf eine Antwort.

      „Nun ja, sie war mir nicht unsympathisch“, erwiderte die dürre Nachbarin ausweichend. „Aber ich habe mich bemüht, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen. Man gerät sehr leicht in Verruf, wenn man sich mit einer solchen Person öfter abgibt.“

      Nebenan polterte es.

      Die Männer mit dem Zinksarg waren eingetroffen. Sie holten Linda Schäfer. Stimmen wurden laut. Es hörte sich nach einem Wortwechsel an.

      „Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, Frau Krause“, sagte Kriminalkommissar Zimmermann. Dann watschelte er auf die geschlossene Tür zu und riss sie verärgert auf.

      „Was ist das für ein Lärm da?“, bellte Niklas Zimmermann.

      Kriminalmeister Martin Horn wandte ihm das hochrote Gesicht zu.

      „Tut mir leid, Herr Kommissar ...“

      „Verdammt, es ist mir scheißegal, ob Ihnen etwas leidtut oder nicht, Mann!“

      Der Kriminalmeister - ein Mann, der Kummer gewohnt war - wies achselzuckend mit dem Daumen auf den salopp gekleideten Burschen, der neben ihm stand.

      „Er will unbedingt zu Ihnen, Herr Kommissar. Ich sagte ihm deutlich genug, dass es nicht möglich ist, aber sie kennen den Burschen ja. Der ist einfach nicht abzuschütteln.“

      Clemens Köhler, Reporter bei der Münchner Abendzeitung, grinste den Kriminalkommissar keck an. Der Journalist war hochgewachsen, muskulös, hatte den scharfen Blick eines Falken und männlich-markante Züge. Er war dreißig, und die grauen Schläfen stammten von der Hand eines Friseurs.

      „Lästig wie eine Wanze!“, bemerkte der Kriminalkommissar giftig.

      „Hallo, Herr Kommissar“, sagte der Reporter und hob die rechte Hand. Er war ein Mann, der sich vor keiner Auseinandersetzung fürchtete. Am wenigsten scheute er einen Streit mit Niklas Zimmermann.

      Ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit.

      „Was suchen Sie hier?“, fragte der Kriminalkommissar eisig.

      „Sie!“

      „Was wollen Sie?“

      „Ein paar Informationen.“

      „Die kriegt Ihre Redaktion, wenn ich es für angebracht halte.“

      „So lange will die Öffentlichkeit nicht warten“, stichelte Köhler.

      „Eine Wanze!“, fauchte der Kriminalkommissar. „Bei Gott, Sie sind wirklich eine verfluchte Wanze, Köhler.“

      Der Reporter zuckte gleichmütig die Achseln.

      „Ich weiß, was Sie von mir halten, Kriminalkommissar Zimmermann.“

      „Wanzen sollte man zertreten.“

      „Eines Tages werden Sie sich an mich gewöhnt haben.“

      „An S i e?“

      „Warum nicht?“

      „Niemals! Ich könnte mich eher an hungrige Ratten und Küchenschaben gewöhnen, aber niemals an einen Kerl wie Sie, Clemens Köhler.“

      Der Reporter wies mit dem Kinn auf den Zinksarg, in dem das tote Mädchen lag.

      „Mord Nummer drei!“, kommentierte er. Es klang beinahe wie ein Vorwurf.

      „Ihnen entgeht aber auch gar nichts“, höhnte der Kriminalkommissar. „Wer hat Ihnen eigentlich den Tipp gegeben, hierherzukommen?“

      Köhler schmunzelte.

      „Ich habe einen verdammt guten Riecher für Dinge, die stinken, Kriminalkommissar.“

      „So? Was sagt denn Ihr Riecher zu Ihrer Person?“

      „Sie können mich nicht beleidigen. Sie versuchen es zwar immer wieder, aber Sie schaffen es nicht.“

      Niklas Zimmermann verzog sein fettes Gesicht zu einem heimtückischen Grinsen.

      „Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, können Sie gern wieder gehen. Dort ist die Tür.“

      „Haben Sie das Internetprofil des Mädchens schon durchgeackert? War sie auch ein Callgirl und hat sich über die Internetplattform www.kaufmich.com angeboten“, fragte der Reporter unbekümmert.

      „Haben wir.“

      „Etwas Brauchbares gefunden?“

      „Nichts!“, entgegnete der Kriminalkommissar. „Versuchen Sie, daraus einen Knüller zu machen.“

      „Ich könnte zur Abwechslung mal über einen allzeit übelgelaunten Kriminalkommissar der Mordkommission schreiben.“

      „Ist ja beinahe rührend, wie Sie an meinem Leben Anteil nehmen“, gab Niklas Zimmermann bissig zurück.

      Dann wandte er sich ruckartig um. Während er in das Zimmer trat, in dem Elisa Krause auf seine Rückkehr wartete, rief er dem Kriminalmeister zu, er solle alles tun, den bescheuerten Reporter so schnell wie möglich loszuwerden.

      „Bin ich wieder zurück, und dieser lästige Kerl treibt sich hier noch herum, können Sie einiges erleben, Horn!“

      Was diese Drohung in der Praxis bedeutete, wusste der Kriminalmeister zu gut. Das ging jedes Mal hart an den Rand einer Kündigung.

      Niklas Zimmermann donnerte die Tür hinter sich zu. Elisa Krause zuckte zusammen. Sie schluckte nervös, als der Leiter der Mordkommission mit einem feindselig funkelnden Augenpaar auf sie zu stapfte.

      Zimmermann nahm den Faden des Gesprächs wieder auf.

      „Sie hörten also Gepolter und Geschrei in dieser Wohnung, Frau Krause.“

      „Ja, Herr Kommissar.“

      „Was machten Sie daraufhin?“

      „Erst dachte ich, Linda Schäfer würde es mit einem ihrer Kunden mal wieder besonders bunt treiben, so etwas kann man sich ja vorstellen. Es sind doch ganz ausgefallene Typen, die zu solchen Mädchen gehen.“

      „Meine liebe Frau Krause, wenn das wahr wäre, müsste die halbe Männerwelt pervers sein.“

      „Ist sie doch!“

      „Na, Sie müssen es ja wissen.“

      „Ich hörte schon mal, wie Linda Schäfer einen ihrer Freunde auspeitschte. Die - die haben oft die verrücktesten Wünsche.“

      „Woher