Anne Pallas

Lust auf Callgirls


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habe so was gelesen, manchmal auch im Internet gesehen.“

      „Tja, dann ...“

      „Also ich hörte die Schreie und das Poltern. Ich dachte, da drinnen läuft mal wieder ein ganz miserables Spielchen. Doch auf einmal war mir, als würden diese Schreie in höchster Bedrängnis ausgestoßen. Ich hatte das Gefühl, dass Linda Schäfer wirklich Hilfe brauchte. Sie schrie so - so seltsam, so erschreckend echt. Das war kein Spiel, das fühlte ich. Aber was sollte ich machten? Ich konnte doch nicht an die Tür klopfen und fragen, was los ist. Ich war nicht in der Lage, ihr zu helfen, wirklich nicht.“

      „Ich habe nichts gesagt“, erklärte Niklas Zimmermann ernst. „Ich habe Ihnen nicht den geringsten Vorwurf gemacht, oder?“

      „Aber Sie sehen mich so an ...“

      „Irgendwie muss ich Sie doch ansehen. Was machten Sie also?“

      „Ich horchte an der Tür. Die Schreie verstummten. Ich dachte schon, alles wäre okay. Da vernahm ich Schritte. Sie kamen auf die Tür zu. Ich hatte Mühe, noch rechtzeitig in meine Wohnung zu kommen. Kaum hatte ich meine Tür geschlossen, da trat er schon auf den Korridor - der Mörder, meine ich. Er schaute sich gehetzt um. Ich beobachtete ihn durch den Türspion. Er war nicht bei Sinnen. Sein Blick war starr. Er war überhaupt nicht da, geistesabwesend. Ein Verrückter, dachte ich, so sieht ein Verrückter aus. Er rannte davon. Die Tür ließ er offen. Ich wusste sofort, dass diesmal etwas Schlimmes geschehen war. Ich wartete, bis der Lift unten war und ich den Wagen fortfahren hörte. Erst dann wagte ich mich aus meiner Wohnung. Ich ging hinüber zu Linda Schäfers Wohnung und trat ein. Es roch nach Tod. Irgendwie roch es nach Tod. Ich hatte schreckliche Angst, befürchtete, dass der Mann wiederkommen könnte, dass er mich bei Linda antreffen würde, bei ihrer Leiche, dass er dann auch mich ... oh, ich hatte furchtbare Zustände, Herr Kommissar. Im Zimmer nebenan fand ich sie dann. Ich habe sie nicht angerührt. Dass sie tot war, konnte ich auch so sehen. Die Kehle war durschnitten und in ihrem Oberkörper klaffte ein riesiges Loch. So etwas macht doch kein normaler Mensch! Das war ein Monster! Ein Dämon! Ich rief sofort die Polizei an, von hier aus. Dann begab ich mich in meine Wohnung. Hier drinnen hätte ich es allein wohl kaum so lange ausgehalten.“

      „Versuchen Sie, den Mörder zu beschreiben, Frau Krause!“, verlangte Kriminalkommissar Zimmermann. Er nahm die Zigarre aus dem Mund. Sie war inzwischen ausgegangen, weil er nicht oft genug daran gezogen hatte. Missmutig legte er sie weg.

      Elisa Krause kam seiner Aufforderung mit wenigen Details nach.

      Nur eines kristallisierte sich glasklar heraus: zu suchen war ein Mann mit grauen Schläfen.

      3

      Ich parkte meinen weißen Porsche perfekt in eine enge Parklücke zurück.

      Damit hätte ich jeden Geschicklichkeitswettbewerb gewonnen. Auch andere Wettbewerbe wäre ich zu gewinnen imstande gewesen: im Sport, in der Selbstverteidigung, oder einer Schönheitskonkurrenz. Ich war ein Allroundmädchen im King-Size-Format. Spitzeste Spitze. Ohne Übertreibung.

      Aber vielleicht sollte ich mich kurz vorstellen:

      Mein Name lautet Anne Pallas, ich bin 25 Jahre jung, besitze den Körper einer Venus, die Geschmeidigkeit eines Panthers und Augen wie funkelnde Diamanten. Kurz gesagt, ich bin ein ziemlich hübsches Mädchen.

      Aber ich verdiene mein Geld nicht mit einem langweiligen Model Job, obwohl ich hier zu einer Berühmtheit geworden wäre. Nein, ich bin eine Agentin der deutschen CEDIS Niederlassung.

      Und da ich ein bescheidenes Mädchen bin, kann ich anmerken, dass ich nicht irgendeine Agentin bin, sondern die Beste! Ich besaß eine 100 prozentige Aufklärungsquote meiner Fälle, und hatte nicht vor, mir diese Statistik zu versauen.

      Natürlich liegt das auch an meiner Abstammung. Ich gehöre zum Geschlecht der Lykhaner, einer Jahrhunderte alten Hexenfamilie. Ich besitze spezielle Fähigkeiten, auf die ich im Laufe meiner Romanserie noch ausführlicher zu erzählen kommen werde.

      Nach den drei Callgirl Morden in München, bei denen jeweils den Opfern die Kehle aufgeschlitzt und das Herz aus dem Körper gerissen worden war, bekam die CEDIS den Auftrag, selbst zu ermitteln. Bei dem Täter handelte es sich eindeutig um einen sadistischen Vampir, der das Blut seiner Opfer trank und das Herz aß.

      Da die Öffentlichkeit bereits über die Morde Kenntnis hatte, musste die CEDIS diskret ermitteln. Nicht einmal die Mordkommission durfte davon erfahren. Aus diesem Grund hatte Julie Waldenfels, die Leiterin der deutschen CEDIS Behörde, die Idee entwickelt, mich anonym als Callgirl in die Szene einzuschmuggeln.

      Es wurden eindeutige Inserate im Internet veröffentlicht, und ich begann mit den Ermittlungen. Bereits bei der ersten E-Mail oder einem Telefonat mit einem Kunden konnte ich spüren, ob es sich bei dem Interessenten um einen normalen Menschen oder um einen Vampir handelte. Diese Gabe besaß jede Hexe. Aber bisher war der gesuchte Mistkerl noch nicht in mein Netz gegangen. Vielleicht stand der Bursche nicht auf selbstbewusste Schwarzhaarige? Bevorzugte der Blutsauger eher blasse Blondinen? Ich beschloss, diesen Ansatz baldmöglichst mit meiner Chefin zu besprechen.

      Ich stieg aus dem weißen Porsche Cabrio, den ich von der CEDIS für die Dauer meiner Ermittlungen zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Die Rolle als Callgirl sollte immerhin glaubhaft gespielt werden. Warum dazu ein Porsche nötig war, konnte ich mir nicht erklären, aber es gab sicherlich schlechtere Fortbewegungsmittel.

      Ich überquerte nachdenklich die Leopoldstraße in München-Schwabing. Seit Linda Schäfers Tod war die CEDIS unruhig geworden. Die polizeilichen Ermittlungen kamen nicht weiter. Der Mörder des Callgirls lief nach wie vor frei herum. Dreimal hatte er bereits zugeschlagen, und man konnte sich an den Knöpfen abzählen, wann er wieder ausrücken würde, um das vierte Callgirl zu killen. Sein Blutdurst schien stetig zu steigen.

      Deshalb wurde die CEDIS vom Rat der Vier mit dem Fall beauftragt. Die Agenten sollten den Mörder ausforschen und unschädlich machen. Das hörte sich einfach an, aber es war verflucht schwer. Ich war mir dessen bewusst. Und genau wegen dieser Schwierigkeit reizte mich der Job. Einfach konnte jeder.

      Da sich der Kerl ausschließlich an Callgirls hielt, hatte ich die Absicht, mich mit einigen Mädchen aus dieser Branche zusammenzutun. Ich wollte ein Netz spinnen, in dem sich der Unbekannte mit den grauen Schläfen verfangen sollte.

      Deshalb war ich nach Schwabing gefahren. In diesem Haus wohnte Isabelle Fuchs. Ein sehr attraktives Mädchen, das genau in das Beuteschema des Mörders passte.

      Die Musik klang angenehm gedämpft. An den Fenstern waren die dicken Vorhänge vorgezogen. Diesiges Licht füllte den Raum.

      Der Mann hockte mit offenstehendem Mund auf dem Teppichboden, ein Glas in der zitternden Hand. Der Drink wurde allmählich warm, doch das merkte er nicht. Das Zeugs hätte zu kochen anfangen können, der Mann hätte auch das nicht gemerkt. Er war fasziniert von so viel Anmut. Und er genoss jeden einzelnen Augenblick, als wäre es der letzte.

      Isabelle Fuchs ließ die wohlgerundeten Schultern im trägen Rhythmus der schwelenden Musik zucken.

      Die Bewegungen ihrer winzigen Füße waren kaum wahrnehmbar. Während sie ihn mit verlockenden Blicken maß, begannen sich ihre faszinierenden Kurven ganz langsam zu bewegen, schlangengleich. Und sie zischelte auch leise dazu. Ihre Zunge glitt über die vollen Lippen. Isabelle neigte den Kopf weit zurück. Das rote Haar fiel auf ihre Schultern. Es schien wie glühende Lava zu fließen.

      Ein brennendes Prickeln durchrieselte den Körper des Mannes, als Isabelle in gekonnter Manier das grüne Kleid im Zeitlupentempo abstreifte.

      Nun stand sie in einem straffen, schwarzen, mit Spitzen besetzten Korsett vor ihm - sie atmete schwer. Und er atmete genauso schwer mit ihr. Er fühlte die Sinnlichkeit, die sie verströmte, auf sich übergleiten, in sich einfließen, ihn ausfüllen.

      Er betrachtete mit vibrierenden Sinnen das Gleiten ihrer schwellenden Hüften. Ein zarter Schweißfilm bedeckte ihre Stirn.

      Sie