Stephan Kesper

Hochfrequent


Скачать книгу

      »Mein Name ist Warndorf, ich bin der Sicherheitschef«, drängte sich ein Mann vor. Er mochte um die vierzig sein, hatte eine Glatze und schien vor einer Weile mal recht muskulös gewesen zu sein. Doch langsam verwandelten sich die Muskeln zu Fett. Seine Nase war übersät von rötlichen Adern. In der linken Hand hielt er eine Tasse schwarzen Kaffees. Alle drei trugen dunkle Anzüge – Uniform mit einer kleinen Plakette auf der Brust, die Firmenname und Mitarbeiter kennzeichnete.

      »Wer von Ihnen hat die Polizei gerufen?«

      Ein dunkelhäutiger Mann hob vorsichtig seine Hand. Er hatte schwarze Haare, eine gebogene, unglaublich große Nase und schien sehr verunsichert.

      »Mahmut Abdel Al-Fayet, ist mein Name.«

      »Sind Sie Syrer?«, fragte Hohenstein.

      »Deutscher«, antwortete er etwas beleidigt, dann schränkte er ein: »Ich bin in Ägypten geboren. Meine Eltern und ich wanderten nach Deutschland ein, als ich vier Jahre alt war.«

      Hohenstein nickte und fragte noch den Letzten der Drei: »Und Sie?«

      »Emanuel Stocktanz. Ich bin erst seit halb acht hier. Ich habe nichts mitbekommen.«

      »Mit Ihnen«, sagte Hohenstein und zeigte mit seinem Kugelschreiber auf Al-Fayed, »würde ich mich gerne unter vier Augen unterhalten.«

      »Das kann ich nicht erlauben«, wandte der Sicherheitschef ein, »ich muss bei jedem Gespräch dabei sein.«

      »Ob Sie dabei sind oder nicht, entscheide ich. Und ich habe entschieden, mich alleine mit Herrn Fayed zu unterhalten«, er machte eine »komm-her«-Geste zu Al-Fayed, schob ihn in den Gang hinaus und schloss hinter sich die Tür.

      »Al-Fayed«, sagte der Zeuge.

      »Wie bitte?«

      »Sie haben mich Fayed genannt, aber mein Name ist Al-Fayed.«

      »Oh, Entschuldigung. Gehen wir da vorne hin, da können wir uns ungestört unterhalten«, Hohenstein deutete auf eine Sitzgruppe, die vor einem Fenster stand. Nicht annähernd so feudal und hochwertig wie die in der Lobby. Diese hier war für Angestellte. Anstelle einer Kaffeemaschine stand ein Wasserspender daneben.

      »Wann haben Sie die Polizei gerufen, Herr Al-Fayed?«

      »Das muss so um sieben gewesen sein.«

      »Hatten Sie da schon Dienstschluss? Die Sekretärinnen unten sagten mir, dass Sie nur bis sieben in der Lobby bleiben.«

      »Nein, es gibt noch eine Übergabephase zwischen sieben und acht. Erst ab acht Uhr habe ich frei«, Hohenstein nickte und machte sich Notizen.

      »Und wann genau haben Sie den Toten entdeckt?«

      »Das muss so um sechs Uhr dreißig gewesen sein. Ich hörte einen dumpfen Aufprall. Sehr laut. Ich ging sofort zur Fensterfront in der Lobby und sah Herrn Cox.«

      »Da liegt eine halbe Stunde dazwischen.«

      »Bitte?«

      »Sie haben eine halbe Stunde an der Fensterfront gestanden und dann erst die Polizei gerufen?«

      »Nein, nein. Ich habe direkt nach dem Selbstmord meinen Chef angerufen.«

      »Herrn Warndorf?«

      »Genau.«

      »Warum nicht die Polizei?«

      »Ich bin angehalten, jegliche Vorgänge erst meinem Chef zu melden. Er entscheidet dann, was zu tun ist.«

      »Und er hat wann entschieden?«

      »Nachdem er sich selbst vom Tod von Herrn Cox überzeugt hat.«

      »Das bedeutet, er kam zuerst herunter aus dem ersten Stock? Das dauert keine halbe Stunde.«

      »Nein, er war zu diesem Zeitpunkt noch zu Hause. Er musste erst herkommen.«

      »Und in dieser ganzen Zeit ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, die Polizei zu rufen? Da ist schließlich ein Mensch ums Leben gekommen.«

      »Ich weiß, aber ich darf nichts tun, ohne dass mein Chef entscheidet.«

      »Hm«, Hohenstein war mit dieser Erklärung gar nicht einverstanden.

      »Was hat Ihr Kollege gemacht?«

      »Welcher?«

      »Der im ersten Stock. Wenn die Lobby besetzt ist, wird doch wohl auch der Überwachungsraum besetzt sein?«

      »Der Kollege hatte sich gestern überraschend krank gemeldet. Er hat dies erst kurz vor Dienstbeginn getan, sodass kein Ersatz mehr besorgt werden konnte. Der Überwachungsraum war leer die Nacht über.«

      »Wie heißt dieser Kollege?«

      »Marc van der Joost.«

      »Haben Sie Kontaktdaten?«

      »Nein, aber die können Sie von Herrn Warndorf bekommen.«

      »Wieso sind Sie nicht hoch gegangen, als klar war, dass der Kollege nicht kommen würde? Der Blick auf die Monitore ist doch sicher wesentlich wichtiger, als dass jemand in der Halle unten sitzt?«

      »Das mag sein, aber ich habe noch keine Schulung für die Überwachungsanlage erhalten. Ich darf sie nicht benutzen.«

      »Wer hat denn entschieden, dass niemand die Überwachungsmonitore ansieht?«

      »Solche Entscheidungen trifft nur der Sicherheitschef.«

      Hohenstein nickte, er hatte diese Antwort erwartet.

      »Woher wussten Sie, dass der Tote Herr Cox ist?«

      »Er kam gegen fünf Uhr dreißig. So früh kommen wenige Kollegen. Er grüßte mich und ich konnte seinen Anzug und die braunen Schuhe sehen. Daran habe ich ihn wiedererkannt.«

      »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«

      »An Herrn Cox?«

      Hohenstein nickte.

      »Nein«, Al-Fayed überlegte eine Weile, »vielleicht. Er schien es eilig zu haben. Er kam aus der Tiefgarage, grüßte mich dabei nur mit einem Finger«, Al-Fayed machte mit seiner rechten Hand eine Geste, die dem Gruß entsprechen sollte, »und ging direkt zu den Fahrstühlen. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.«

      »Gut, das wäre es fürs Erste. Ich möchte Sie bitten, sich für die nächste Zeit zur Verfügung zu halten, falls wir weitere Fragen haben.«

      Er fragte ihn nach einer privaten Telefonnummer, und schrieb sich noch die Adresse auf.

      Dann brachte er Al-Fayed zurück und nahm Warndorf mit zur Sitzecke. In diesem Moment kam Brandtner dazu, an ihrer Jacke hing ebenfalls ein Besucherausweis.

      »Herr Warndorf, wenn ich das richtig verstehe, haben Sie darauf bestanden, dass Herr Al-Fayed nicht die Polizei ruft, bis Sie sich die Angelegenheit angesehen hatten. Stimmt das?«

      »Das ist korrekt. Ich habe meine Mitarbeiter angewiesen, immer erst mir Bericht zu erstatten, bevor sie etwas selbst entscheiden.«

      »Das bedeutet, dass der tote Herr Cox da einige Zeit auf dem Vorplatz lag, bevor Sie sich die Angelegenheit ansehen konnten.«

      Brandtner hob eine ihrer Augenbrauen nur ganz leicht, ein Zeichen für Erstaunen, das nur ihr Kollege zu lesen wusste.

      »Und Ihr Mitarbeiter durfte noch nicht einmal einen Krankenwagen rufen? Vielleicht hätte Herr Cox überlebt, wenn Sie nicht eine halbe Stunde vertrödelt hätten, bis endlich Hilfe gerufen wurde?«, das war übertrieben, aber Hohenstein wollte Warndorf unter Druck setzen, er schien etwas zu gefasst in der Situation.

      »Unsinn. Der war doch sofort tot.«

      »Woher wollen Sie das gewusst haben? Sie hatten ja nur die Information, die Ihr Mitarbeiter Ihnen gegeben hatte. Und der ist kein Arzt, wie ich vermute?«

      »Er hatte mir am Telefon gesagt, dass der Mann keinen Kopf