und nach rissen wir die ganze verkommene Bude auseinander. Schweres Werkzeug wurde verwendet. Der gesamte Vorraum der Mietwohnung war mit splittrigem Holz getäfelt, das gute zwanzig bis dreißig Jahre zuvor von den Händen eines großartigen Stümpers an den alten Fachwerkbalken befestigt worden war… Wild zusammengepfuscht, mehrfach unterfüttert, mit Verstrebungen aus Kanthölzern und Wagenladungen rostiger Nägeln befestigt stand es uns wie das Bollwerk einer feindlichen Macht entgegen… Das Wiesel kauerte auf einer Leiter und wütete mit der Kettensäge auf dem schreienden und unnachgiebigen Material herum. Währenddessen eilte ich zwischen den geschossartig durch den Raum sausenden Holzsplittern umher, gab Unterstützung und erstickte in den Abgasen der Motorsäge und dem sich damit vermischenden Staub, als es obendrein das unterliegende Backsteingemäuer mit Hammer und Meißel bearbeitete… All das mit einer irrsinnigen Wut. Es schien seinen ganzen Frust und Jähzorn auf das Haus entladen zu wollen. Wie am Fließband schaffte ich haufenweise Schutt in Eimern die Treppe herunter und kehrte den Staub zusammen, während von oben neuer Dreck auf mich herabrieselte. Der ganze Eingangsbereich sollte neu verkleidet und die Elektrik neu verlegt werden.
Meine romantische Vorstellung vom Schrauben an Amischlitten, sank zusehends in sich zusammen… Stattdessen war ich zum Zimmermannsgehilfen geworden, strich die Wände, entfernte alte Tapeten, half beim Tapezieren, machte immer wieder sauber, schaffte ganze Mülldeponien füllende Berge von Schutt und Unrat weg, half beim Fliesenlegen, beim Makulieren der Balken, beim Verkleiden der Decken, schwang zwischen jedem Arbeitsgang den Staubsauger und atmete doch immer wieder Dreck ein… Schwitzte, fluchte und blutete, half beim Anbringen neuer Türrahmen und fuhr beinah jeden zweiten Tag mit in den Baumarkt, um neues Material zu beschaffen. Sehnlichst wünschte ich es mir, einen Führerschein zu haben, um wie die Kollegen, wenn sie zur Pannenhilfe fuhren, ab und an aus dieser Hölle herauszukommen.
Schmörgel war unterdessen die Entwicklung eines bescheidenen Verständnisses für die komplizierten Mechanismen des sich Drückens gelungen… Er verstand sich immer besser auf sein Versteckspiel in den Ecken, tauchte aber zumeist zum ungünstigsten Zeitpunkt wieder hervor oder wurde erwischt, wie er sich ungesehen glaubte und das aus Alibigründen mitgenommene Kehrblech in die Luft warf und wieder auffing. Damit ging er auch den Kollegen zusehends auf den Wecker und machte sich nicht viel beliebter. Sein Mangel an Intelligenz und seine Ungeschicklichkeit spielten da zusätzlich mit rein. Er wusste sich einfach nicht zu verhalten in dieser prekären Lage, konnte nicht die einfachsten Maßnahmen ergreifen, um Ärger zu vermeiden. Stattdessen verschlimmerte er die Wutausbrüche des Wiesels, indem er mehr im Weg stand, als dass er half. Die meisten der ihm aufgetragenen Arbeiten schaffte er nur mit Hilfe… Aber er bleib lange sorglos dabei… Man konnte sich kaum vorstellen, dass er sich seines Schicksals bewusst war.
Unsere verehrten Vorgesetzten befragten auch mich, was ich von der Sache hielte und schilderten mir ihre Sicht der Dinge. Erzählten mir es gäbe Probleme mit Stefan und er habe sich seit Ende seiner Probezeit sehr zum Schlechten geändert… Sei faul geworden und drücke sich vor der Arbeit. Bald darauf veranlassten sie ein Gespräch mit seinen Eltern. In der Zeit nach diesem Gespräch war der Junge auf einmal sehr verändert… Völlig panisch und verängstigt seinen Job zu verlieren. Er wand sich immer wieder an mich, da er offenbar bemerkt hatte, dass ich besser zurechtkam als er und sagte mir bei jeder Gelegenheit mit vor Demut wässriger Stimme, er müsse sich mehr Mühe geben. Aber was hatte ich denn damit zu schaffen? Ich war der neue Anwärter auf seine Stelle… Auch nur doof hereingefallen… Nach einer Weile ignorierte ich sein Gejammer. Schließlich musste ich ja irgendwie sehen, wie in diesem Irrenhaus zu überleben wäre… Sollten sie ihn doch rausschmeißen.
Hin und wieder überlegte ich zwar, die ganze Scheiße einfach hinzuschmeißen, fragte mich, ob es die Mühe überhaupt wert sei, sah aber auch keinen anderen Weg, aus meiner damaligen Misere herauszukommen… Hatte ganz plötzlich die meiste Zeit meines berufsvorbereitenden Jahres hinter mir… Verdammt noch mal, was war mir die Zeit weggelaufen!… Noch einmal von vorne anfangen kam nicht in Frage.
Es muss den Jungen sehr getroffen haben als er dann rausgeworfen wurde. Ich fragte mich wie sie seine Entlassung überhaupt erreicht hatten, denn seine Probezeit war ja schon vorüber. Sicher hatten sie Methoden. Man konnte alles erreichen, wenn man die verschlagensten Hinterfotzigkeiten im Petto hat, dachte ich mir… Jedenfalls stiegen so meine Chancen, den Ausbildungsplatz zu bekommen beträchtlich. Und ich sollte ihn auch bekommen.
…
Sascha befand sich damals bereits seit ein paar Monaten im ersten Jahr seiner Ausbildung. Er arbeitete im Lager einer Spedition und Lastwagenwerkstatt im Nachbarort. Ich hatte mich, genötigt von meinem Bildungsträger, während der ersten Wochen meines Praktikums selbst dort beworben, war nach Vorladung zum Einstellungstest gekommen und hatte die ganze Sache nach allen Regeln der Kunst und mit voller Absicht versiebt… Das war vielleicht was… Der Verein machte einen äußerst affektierten und selbstverherrlichenden Eindruck… Schlimm genug, einen Masseneinstellungstest zu veranstalten, mussten sie diesen in der schriftlichen Vorladung auch noch als »Assessement-Center« notdürftig zu verkleiden versuchen… Außerdem war das Schrauben an Lkws eine der dreckigsten und undankbarsten Arbeiten, die mir damals in den Sinn kamen… Alle Bewerber hatten in einem Nebengebäude der Firma eingefunden, sich in einem Stuhlkreis platziert und wurden daraufhin einzeln, jedoch so, dass jeder andere mithören konnte, von der versammelten Mannschaft aus Chefs, Juniorchefs und anderen Selbstdarstellern belauert und befragt. Wie Raubtiere auf Pirsch hatten die ihre potenzielle Arbeiterschaft eingekesselt und löcherten die nervösen Mägen mit Fragen… Warum man sich gerade bei diesem Betrieb beworben hätten, was einem an der Tätigkeit des Mechanikers anspreche, ob man bereit wäre, in Schichten zu arbeiten… Allein bei dem Gedanken stellten sich bei mir mit Schlafmangel verbundene Symptome ein… Sie wollten wissen was uns glauben ließe, wir brächten die nötigen Eigenschaften mit, für ihr prestigeträchtiges Unternehmen dienlich zu sein und all den anderen schwachsinnigen Mist, den man bei Vorstellungsgesprächen so zu hören bekommt… Als man mich fragte wie ich dazu käme, Mechaniker werden zu wollen, begründete ich damit, dass ich von Technik, Fahrzeugen und Motoren begeistert wäre… Standardantwort… Noch während ich mich fragte, ob das tatsächlich so wäre, forderte man mich urplötzlich auf, die Namen von ein paar Nutzfahrzeugherstellern aufzuzählen… Wer hätte mit einer derartigen Vorlage gerechnet? Man brauchte sich gar nicht anzustrengen, um sich zum Deppen zu machen… Also nutzte ich die Chance, indem ich nach einer kurzen Zeit des Grübelns antwortete, dass mir jetzt aus dem Stehgreif keine einfielen. Damit hatte ich die Sache auch schon hinter mich gebracht, war mit dieser Antwort sofort unten durch. Jedoch ließ ich guten Willens noch eineinhalb weitere Stunden von Tests und Gesprächen über mich ergehen. Als die Sache beendet war, fand ich mich draußen, in strömendem Regen, auf den Bus wartend und durfte zu guter Letzt eine Fahrt von zehn Minuten, über drei Haltestellen, für etwa drei Euro bezahlen… Na, dann Prost den zukünftigen Azubis der Firma.
Jedenfalls hörte ich nie wieder etwas von diesem unmöglichen Arbeitgeber. Allerdings bekam ich vieles über den Schuppen von Sascha zugetragen. Mit jeder seiner Geschichten wuchs meine Zufriedenheit, nicht dort angefangen zu haben, ein Stück mehr… Anscheinend wateten die Malocher anderswo annähernd genau so tief in der Scheiße wie an meinem Ausbildungsplatz.
Jeden Mittwoch, im Anschluss an seinen Besuch der Berufsschule, besorgte Sascha etwas Gras von einem seiner Klassenkameraden und kam anschließend zu mir. Es wurde zum Ritual… Die Treffen und die paar miteinander gerauchten Joints, während der Abend in die Nacht überging… So zelebrierten wir allwöchentlich das Bergfest… Dazwischen saßen wir herum und hatten, wie das so ist, wenn man mit dem Kiffen anfängt, viel zu Lachen und massenhaft Erzählstoff. Die Vorzüge der rauschbefeuerten Kommunikation waren entdeckt… Unsere Ansichten glichen sich immer mehr an. Vom Stoff auf eine gemeinsame Bewusstseinsebene gehoben… Oder gesenkt… Geblendet… Oder irgendwas, scheißegal… Wir gewöhnten uns bald an, immer genug Trinkbares griffbereit zu haben, um dem lästigen Pappmaul entgegenzuwirken. Das einzige was meinem Kumpan manchmal zu schaffen machte waren seine Augen. Wenn er geraucht hatte, überkam ihn ein Gefühl, dass er mir als ein Eintrocknen seiner Augen beschrieb. Ich ignorierte es zuerst, versuchte davon abzulenken, verspottete ihn bald aber zusehends und meinte das könne gar nicht sein… Irgendwann später