Alexander Mosca Spatz

Pfad des Feuers


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einem Schlag wurde ihr klar, dass sie überhaupt keine Wahl hatte.

      Er hat mir bereits verraten, was Godric zugestoßen ist und mich davor gewarnt, es irgendjemandem zu sagen. Wenn ich nicht zustimme, dann bin ich ein Risiko und er muss mich verschwinden lassen; er wird mir nicht glauben, wenn ich ihm versichere, dass ich schweigen kann!, schoss es ihr durch den Kopf und sie biss sich auf die Unterlippe.

      An Aarons feinem Lächeln konnte sie erkennen, dass er gerade das selbe gedacht hatte.

      „Hier ist der Wein“, platzte Sirian herein und stellte lautstark zwei Becher auf den Tisch, setzte sich mit einem gemütlichen Seufzen auf einen Stuhl und sah die beiden abwechselnd an.

      „Komme ich … ungelegen?“, fragte er nach einer Weile des peinlichen Schweigens und Lucianas Mundwinkel zuckten leicht, ihre Hand senkte sich auf die goldenen Kronen nieder und sie zog das Geld in ihre Richtung; Aarons Lächeln wurde breiter.

      „Nein, nein“, versicherte sie ihm, bemüht ruhig zu bleiben.

      Du hättest dir keinen besseren Augenblick aussuchen können, um herein zu platzen …

      „Also nimmst du den Auftrag an?“, hakte Aaron leise nach und leerte seinen Becher Wein mit einem einzigen beherzten Schluck; Luciana nickte leicht.

      „Das tue ich. Ich will herausfinden, wer Godric getötet hat und den Mörder zur Strecke bringen!“

      General Aaron erhob sich und der junge Adept folgte dem Beispiel seines Meisters, hielt den Blick gesenkt.

      „Sehr gut, sehr gut. Dann triff mich bitte morgen Mittag auf dem Ares – Plaza der Altstadt. Ich habe dort einen kleinen Test für dich und gleichzeitig auch unsere erste Spur“, Aaron zwinkerte ihr zu, dann klopfte er Sirian auf die Schulter und die beiden ließen Luciana alleine.

      Luciana ließ die Schultern sinken, die Anspannung fiel von ihr ab und sie starrte hinab auf den Geldbeutel in ihrem Schoß, schluckte, als sie sich gewahr wurde, dass sie ein kleines Vermögen in den Händen hielt.

      Ich habe mich verkauft!, dachte sie voll Ekel, jedoch schoss ihr dann das Bild ihrer kleinen Stiefschwester durch den Kopf und sie rang sich ein müdes Lächeln ab.

      Aber zu einem guten Preis …

      Erschöpft griff sie zu ihrem Weinbecher, hob ihn an ihre Lippen und nippte an dem Wein, genoss den Geschmack des Getränks, als es ihre Kehle hinab rann und legte den Kopf in den Nacken.

      Es war erstaunlich, welche Wendungen und Richtungen das Leben einschlagen konnte.

      Im Moment fühlte sie sich, als hätte sie auf ihrem Lebensweg eine halbe Drehung gemacht und befände sich geradewegs auf dem Weg zurück, in die Richtung aus der sie gekommen war … in die Richtung, in die sie nie wieder zurück wollte.

      Wie viele Tote hat dieser Krieg schon gefordert? Ich weiß es nicht mehr und die reine Anzahl bereitet mir Übelkeit. Ich plane bereits in den Krieg hinein und baue den Orden so weit auf, wie es in meinen Kräften steht. Seit der Schlacht der tausend Klingen, in der ich mit meinen wenigen Anhängern eine zehn Mal stärkere Armee der Vampire vernichtete, strömen uns die Menschen geradezu in die Arme und wenden sich von meinem Vater, dem König, ab. Doch Menschen alleine helfen mir nicht. Ich brauche Soldaten! Männer, die kämpfen können und kämpfen wollen! Ich brauche Menschen, die bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen können, ohne zu brechen!

      Die wenigen gut ausgebildeten Männer, die von der königlichen Garde zu uns übergelaufen sind, werden wohl oder übel zu meiner Elite werden müssen, wenngleich ich ihnen nicht traue. Sobald wir genug Männer haben, die kämpfen können, müssen wir Moréngard verlassen und mit der Ausbildung der Männer beginnen; es wird eine lange Reise von hier bis zum Ende des Krieges, aber ich habe es geschafft, dem Volk wieder Hoffnung zu schenken.

      Nun stehen sie hinter mir und können mir helfen, die Gefahr der Vampire zu bannen.

      Ich habe die Stärke in den Augen meines Volkes gesehen!

      Ich habe die Entschlossenheit in den Handlungen meiner Freunde gesehen!

      Wir können diesen Kampf gewinnen – sie müssen mir nur vertrauen und wir werden siegen, werden die Vampire vom Antlitz dieser Welt tilgen und das Land aus der Ära der Dunkelheit hinaus führen, in das es vor Jahrhunderten gestürzt wurde, als die Vampire angriffen.

      I

      Dunkle Wolken verhangen den Himmel.

      Luciana schlenderte mehr oder weniger ausgeruht durch die menschenleeren Promenaden der Altstadt. Heulend rauschte der Wind durch die blattlosen Äste der Bäume, welche links und rechts neben der Promenade gepflanzt worden waren. Die kahlen und von schlammigen Überresten des Schnees bedeckten Wipfel wiegten sich sanft im Wind, das Holz der Bäume knarrte laut.

      Ihre Schritte waren das einzige Geräusch auf den leeren Straßen und sie wickelte sich mit einem Stöhnen enger in den dünnen Mantel, den sie sich hektisch umgeworfen hatte, um nicht zu spät zu kommen. Die Altstadt war das intellektuelle Zentrum der Stadt, das Hirn, das den Rest Moréngards am Laufen hielt; darüber hinaus war es der Mittelpunkt des Glaubens an den Letzten Herrscher als ihren Gott, denn hier residierte der Erzbischof, seine Heiligkeit, die den Letzten Herrscher in ihrer Welt vertrat. Alle anderen Häuser waren in kleinen und größeren Kreisen um die Residenz des Erzbischofs angelegt, den Eingang immer zum Anwesen hin ausgerichtet.

      Hier bündelte sich die Macht des Handels, des Staats und des Klerus' und folglich gab es auch erbitterte Kämpfe um die Vorherrschaft der Altstadt, denn wer hier herrschte … der verfügte über die Möglichkeit, die Studenten und Mächtigen zu beeinflussen.

      Der Erzbischof – seines Zeichens der älteste und auch mächtigste Magier mit knapp vierhundert Jahren – stritt sich seit Jahren mit den hiesigen Adeligen um die meisten Besitztümer in der Altstadt. Immer wieder hatte Luciana Berichte über Gardisten gehört, die verzweifelt versuchten, Frieden zu stiften, doch der Erzbischof schaffte es irgendwie, alle seine Feinde über Nacht verschwinden zu lassen; in den Akten der Stadtgarnison tauchte seltsamerweise kein einziger Vermisstenfall auf. Es war, als hätten die betreffenden Personen niemals existiert.

      Wenn sie schon die Kontrolle über deine Existenz haben, worüber dann noch?, fragte sie sich in Gedanken, als sie die kleinen Fachwerkhäuser passierte, die nichts waren im Vergleich zu den protzigen Villen der Adeligen in anderen Bereichen des Viertels.

      Sie mochte das Regime des Letzten Herrschers nicht, denn genau das war es: Ein Regime; egal, ob nun von Gott oder einem weltlichen Herrscher beherrscht, sie wurden geknechtet. Jeden Monat wurde in der Kirche ein junges Mädchen dem Letzten Herrscher geopfert, zu Ehren seiner vergangenen Taten und Errungenschaften. Beinahe alles, was sie von dem Regime kannte, war schlecht. Die Paladine sollten korrupt sein, die Gardisten sowieso und auf den Straßen herrschte das Recht des Stärkeren und nicht das Gesetz. Sehr oft hatte sie schon gedacht, dass die Idee einer absoluten Herrschaft eigentlich gar nicht so schlecht war – nur die Ausführung war geradezu erbärmlich. Auch der Statthalter der weltlichen Herrschaft, Lyras – der Stiefbruder des Letzten Herrschers – herrschte mit eiserner Hand über die Verwaltung des Landes, so dass ihr Gott keinen Finger krümmen musste. Für ihren Gott selbst war das System gar nicht einmal so übel; er hatte einmal alle seine Kontrollinstanzen des Staates in für ihn verlässliche Hände gelegt und konnte sich nun einfach zurücklehnen und die Ewigkeit genießen, dort in seiner protzigen Festung.

      Sie warf einen verächtlichen Blick auf eine Villa und schüttelte enttäuscht den Kopf.

      Die Priester predigen Gerechtigkeit und die Erleuchtung durch den Letzten Herrscher, doch in Wirklichkeit interessieren sie sich nicht für das entsetzliche Leid der Bürger. Stattdessen lassen sie sich zu Festen der Adeligen einladen und lachen über uns an ihren Tafeln!

      Endlich erreichte sie das Ares – Plaza.

      Ares war einer der wichtigsten Männer in der Geschichte der Menschheit gewesen. Nachdem die Menschen vor fast tausend