wir nichts übersehen. Jeder von euch ist gefragt und gefordert. Die Cas als Heerführer und oberste Krieger. Menrir und Imra für die Erkundigungen in den Fremdländern. Akosh kann sie dabei unterstützen, aber er sollte sich auch auf seine frühere Berufung besinnen. Talmirs und Mondors Aufgaben sind klar, auch wenn ich es für besser halte, wenn sie ihnen getrennt nachgehen. Ich erwarte bis morgen von jedem einen Bericht, der seine Zuständigkeit betrifft. Übersichten über unsere Streitkräfte, die Waffenproduktionen und alle sonstigen militärischen Belange. Aufstellungen der Cycala, die sich außerhalb unserer Grenzen befinden. Den gesammelten Schriftverkehr mit unseren Kundschaftern und Spionen aus den letzten sechs Wochen. Außerdem alle alten Schriften und Informationen aus den Tempeln, die Iandal möglicherweise unter die Augen gekommen sein könnten und die er jetzt gegen uns verwenden könnte. Ohne Ausnahme. Eine detaillierte Zusammenfassung über alle außenpolitischen Vorgänge, unter anderem in Bezug auf Log und den Vorsteher von Goriol. Insbesondere neue Gesetzesentwürfe, Heeresbewegungen, Handelsbeziehungen und alle Gerichtsverhandlungen, die Hinrichtungen zur Folge hatten. Sämtliche Unterlagen zum Tode Makk-Uras. Und ich will die Namen aller Cycala, die bis zu seinem Untertauchen engeren Kontakt zu Iandal hatten. Verwandte, Freunde, Ausbilder. Und alles, was sonst noch von Belang sein könnte. Jeder, der sich seinen Aufgaben nicht mit vollem Einsatz widmet oder sich unnötiger Verzögerungen schuldig macht, wird sich wünschen nie geboren zu sein!“
„Hat sie eigentlich in den nächsten paar Monaten eigentlich auch einmal die Absicht zu schlafen?“ fragte Sham kopfschüttelnd, als er etwas später zusammen mit Rahor den Großen Saal verließ. „Wann will sie sich denn all diese Berichte und Listen und was sie sonst noch haben will, ansehen?“
„Frag mich nicht.“ Rahor machte ein ratloses Gesicht. „Auf jeden Fall ist es im Moment besser, sie nicht zu verärgern. Sie bringt es noch fertig und lässt jeden von uns in den Kerker werfen, wenn wir ihr auch nur den Hauch einer Information vorenthalten.“
„Und das alles bis morgen....“ ächzte Sham. „Wie sollen wir das denn schaffen? Ich muss sämtliche Stadtwachen erfassen. Allein für Zarcas bräuchte ich schon drei Tage, wenn ich genau arbeite. Und denk nur an die Grenzposten bei Askaryan.“
„Mir geht es nicht besser. Mein oberster Verwalter hat zuletzt im Frühling eine Generalinspektion durchgeführt. Aber es hat keinen Sinn, sich zu beklagen. Lennys ist nicht in der Stimmung sich irgendwelche Entschuldigungen anzuhören. Vielleicht sollten wir uns mit Tinogal zusammenschließen. Er ist doch für die Ausbildung der Säbelkämpfer zuständig und hat ein Register über alle Ränge und Zuteilungen.“
„Du hast recht. So könnten wir es schaffen. Aber bitte nicht jetzt. Mir brummt schon der Schädel. Können wir nicht wenigstens eine kurze Pause machen, bevor wir loslegen? Lass uns zu Sara hinuntergehen. Ich würde sie gern näher kennenlernen....“
„Sham, lass das. Lennys bringt dich um, wenn du dich an ihre Dienerin heranschmeißt. Mir hat sie deswegen auch schon die Hölle heiß gemacht. Aber eine Pause könnte ich auch brauchen. Meinetwegen, gehen wir also zu Sara, aber mach um Himmels Willen keine Annäherungsversuche. Ich habe wirklich keine Zeit, jetzt noch einen Ersatz für dich einzuarbeiten, wenn Lennys dich zu Hackfleisch verarbeiten lässt.“
Zu Rahors und Shams Überraschung war Sara nicht allein, als sie an ihre Zimmertür klopften.
„Akosh? Du hier? Solltest du nicht Imra und Menrir helfen?“
„Die beiden kommen gerade ganz gut ohne mich klar.“ antwortete der Schmied. „Aber das heißt nicht, dass ich mich langweile. Wie Lennys es gewünscht hat, werde ich mich so schnell wie möglich mit den Schmiedemeistern treffen, die für die Shajkane zuständig sind. Vor Sonnenaufgang kann ich da aber nichts ausrichten.“
„Dafür, dass Lennys es so eilig hat, lassen wir es aber alle sehr ruhig angehen.“ bemerkte Rahor grinsend. „Sara, du kannst wirklich froh sein, dass du dich nicht durch irgendwelche Papierberge arbeiten musst.“
„Leider...“ seufzte die Novizin. „Ich komme mir gerade ziemlich nutzlos vor. Kann ich euch nicht irgendwie helfen?“
„Ich fürchte, nein.“ antwortete Akosh. „Alle Cas haben Verwalter, Schreiber und Heerführer unter sich, die sich gut in diesen militärischen Angelegenheiten auskennen. Ich selbst werde nicht viel zu tun haben, mein Nachfolger ist sehr zuverlässig und wird mir morgen alle nötigen Informationen übergeben können. Und Menrir und Imra haben ebenfalls gut vorgearbeitet und alle Erkenntnisse, die sie in den letzten Wochen gewonnen haben, fein säuberlich niedergeschrieben. Was Talmir und Mondor angeht, so kannst du dir sicher denken, dass sie keinen anderen als ihren höchsten Priestern Zutritt zu den alten Archiven gewähren. Lennys' Erwartungen an uns scheinen im ersten Moment unerfüllbar, aber im Grunde ist es nur eine Frage der guten Organisation.“
„Du hast leicht reden...“ murmelte Sham.
Akosh ging nicht weiter darauf ein. „Sara, ich kann verstehen, dass du nicht gerne zusiehst, wie alle anderen ihren Beitrag leisten. Aber niemand erwartet irgendetwas von dir. Und niemand wird dir irgendeinen Vorwurf machen, wenn du dich einfach ein paar Tage ausruhst. Das hast du dir verdient. Vergiss nicht, dass wir Sichelländer auch mehrere Tage und Nächte durchwachen können, ohne zu ermüden. Zumindest für eine gewisse Zeit. Auch Menrir gönnt sich regelmäßig Pausen und keiner würde es wagen, darüber ein Wort zu verlieren. Entspanne dich einfach ein bisschen.“
„Das ist nicht leicht. Ich wäre schon froh, wenn ich den anderen Dienstboten beim Waschen und Kochen helfen dürfte. Aber ich fürchte, sie sind froh, wenn sie mich nicht sehen...“
„Du hast es nicht nötig, dich darüber zu ärgern. Überlege doch, was du erreicht hast. Und wer du bist. Was du schon alles geleistet hast. Jetzt bist du ein Teil des Hohen Rates und trotz allem noch Leibdienerin der Shaj der Krieger des Sichellandes. Auch wenn du sie jetzt kaum noch zu Gesicht bekommst, an deinem Rang ändert das nichts. Viele junge Cycala würden dich sehr beneiden.“
Als die drei Besucher Sara kurze Zeit später allein ließen, fand die Novizin keine Ruhe. Noch lange lag sie wach, starrte an die Zimmerdecke und dachte nach.
Jeder sollte tun, wozu er bestimmt war, hatte Lennys gefordert. Jeder sollte dafür sorgen, dass in seinem Aufgabenbereich keine Versäumnisse vorlagen. Im Grunde war es ganz einfach. Und es war Akosh gewesen, der sie daran erinnert hatte, was sie eigentlich zu tun hatte.
Die Versammlung am nächsten Abend dauerte nicht lange. Lennys war immer noch schlechter Stimmung und verlangte nur nach den angeforderten Berichten und Dokumenten. Nacheinander wanderten Pergamentrollen, in Leder gebundene Bücher und unzählige lose Bögen aus handgeschöpftem Papier über den Tisch. Die Shaj prüfte jedes Schriftstück nur mit einem kurzen Blick und übergab schließlich alles in gewaltigen Stapeln an mehrere Diener, die sie herbeigerufen hatte.
„Bringt alles ins Kaminzimmer.“ befahl sie knapp. Dann befragte sie die Ratsmitglieder noch einmal nach Neuigkeiten, doch keiner wusste etwas zu berichten. Lediglich Imra merkte kurz an, dass anscheinend in Thau vermehrt Hantua auftauchten und dort größere Einkäufe tätigten.
„Sie brauchen Vorräte für Orjopes Festung.“ nickte Lennys wenig überrascht. „Sie können ja nicht alles selbst herstellen oder von Zrundir herunterbringen. Also kaufen sie ihre Nahrung zum Teil in Gahl und Thau. Versuche herauszukriegen, was genau sie dort mitnehmen und in welchen Mengen. Vielleicht gibt uns das einen Hinweis auf die Anzahl ihrer Soldaten dort.“
Sie stand auf. „Ich erwarte sofort Mitteilung, wenn jemand etwas Relevantes erfährt. Ansonsten wünsche ich keine Störung bis zum nächsten Treffen. Wann es stattfindet, lasse ich euch zu gegebener Zeit wissen.“
Froh, diesmal so glimpflich davongekommen zu sein, zerstreuten sich die Ratsmitglieder schnell. Sie alle waren erleichtert darüber, dass für den Moment keine neuen Aufgaben verteilt worden waren. Im Angesicht der drohenden Gefahr hatte jeder mehr als genug zu tun, die Verteidigungen zu stärken und ständig neue Kundschafter auszusenden und ihre Berichte auszuwerten. Langweilig würde es keinem werden, aber wenigstens konnten sie ihren Tagesablauf wieder selbst bestimmen. Und bis Lennys sich durch all die Papiere gearbeitet hatte, die sich nun im Kaminzimmer