Christine Boy

Sichelland


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setz dich wieder hin!“ Widerwilig zog Rahor wieder den Stuhl heran, von dem er aufgesprungen war.

      „Ihr habt beide recht.“ sagte Lennys. „Niemand hat sie gezwungen, fortzugehen und manch einer hat sich mehr den Fremdländern angeglichen, als uns recht sein kann. Aber es ändert nichts daran, dass es geborene Cycala sind, die jetzt vor einer Entscheidung stehen. Weiter den Schein waren und ein geordnetes Leben im Süden führen? Oder alles zurücklassen, was sie sich in den letzten Jahren erarbeitet haben und zurückkehren in ein Land, das kurz vor einem Krieg steht? Ich bin um jeden Sichelländer froh, der sich innerhalb unserer Grenzen befindet. Wir haben in der Welt dahinter nichts zu suchen und sie ist es auch nicht wert, dass wir uns groß mit mit ihr abgeben. Aber es kann auch hilfreich sein, wenn wir noch Kräfte in der Hinterhand haben, die sich im Augenblick noch zwischen Mittelländern und Manatariern verbergen, zwei Völkern, die sich vielleicht schon bald gegen uns wenden werden. Ich mache niemandem einen Vorwurf, ganz gleich wie er sich entschieden hat. Und damit eines klar ist, Rahor.... Niemand hat das Recht, einen Sichelländer der Feigheit zu bezichtigen. Auch du nicht!“ Sie wandte sich an den grauhaarigen Zom. „Und du solltest nicht alles und jeden blindlings in Schutz nehmen. Mag sein, dass es keine Krieger waren, die sich zum Leben im Süden entschlossen haben. Aber allesamt sind Nachkommen unseres Volkes und somit dazu bestimmt ihr Land zu verteidigen. Ich dulde es nicht, dass ein Cycala die Waffe verweigert, wenn das Schicksal es verlangt!“

      Imra hob die Hand.

      „Ja?“

      „Da ist noch etwas...“ Er warf Akosh einen langen Blick zu. „Seit eurem Aufenthalt in Goriol, bei dem ihr zu der Gemeinschaft dort gesprochen habt, sind in dieser Gegend dort etliche Hantua ums Leben gekommen. Noch interessiert sich kaum jemand dafür, da die Mittelländer im Gegensatz zu Manatar noch keine engeren Bande zu Zrundir geknüpft haben. Sollte man aber dahinterkommen, dass versteckte Cycala für diese Anschläge verantwortlich sind, könnte das... nun ja, die Stimmung gegen uns lenken.“

      „Es steht jedem Sichelländer frei, jeden Hantua zu töten, der ihm begegnet.“ erwiderte Lennys unnachgiebig. „Keiner von ihnen verdient es, am Leben zu bleiben. Das ist schon immer so gewesen. Und es war notwendig, die Gemeinschaft in Goriol daran zu erinnern. Dass es jetzt mehr tote Hantua in dieser Gegend gibt, liegt aber in erster Linie daran, dass diese Bastarde dort häufiger auftauchen als früher. Ich werde mit Sicherheit keinen Befehl geben, der von meinem Volk verlangt, Hantua zu verschonen!“

      „Im Süden sieht man das nicht so gleichmütig wie im Mittelland...“ mischte sich jetzt Menrir ein. „Ich fürchte, dort geht man inzwischen schon einen Schritt weiter.“

      Lennys zog die Brauen zusammen. „Das war zu erwarten. Wenn niemand mehr Fragen an Imra hat, wäre es jetzt an der Zeit, zu hören, was du zu sagen hast.“

      Die anderen nickten zustimmend und Menrir begann in seiner gewohnt ruhigen Art, die unangenehmen Neuigkeiten zu verkünden.

      „Natürlich ist euch inzwischen bekannt, dass Log sich nicht offen gegen die Hantua stellen wollte. Mehr noch, er stärkte ihnen eher den Rücken und distanzierte sich allmählich von seiner früheren Meinung, nach der er die Cycala schon fast als Freunde bezeichnete. Anscheinend hat Zrundir es geschafft, ihn durch gewisse... nennen wir es Argumente, auf seine Seite zu ziehen. Zum einen sind sie schon seit Wochen sehr viel präsenter in Manatar als die Sichelländer. Die Menschen dort haben sich an ihre Anwesenheit schon fast gewöhnt und da es keine offenkundigen Übergriffe gegeben hat, empfinden sie die Hantua nicht als Bedrohung. Diebstähle, Überfälle oder gar Morde an Manatariern werden geleugnet oder anderen Sündenböcken zugeschrieben. Es ist erstaunlich, wie verblendet die Leute sein können. Log und seine Vertrauten haben ganze Arbeit geleistet. Desweiteren scheute sich Iandal wohl nicht, Log eine Art Bündnis gegen Cycalas im Kriegsfall anzubieten. Und Log weiß natürlich, dass er eine derartige Verbrüderung mit dem Sichelland nie zu erwarten hätte, also geht er auf Nummer sicher. Sicherlich hat Iandals Auftreten als geläuterter Cycala, der sich von seinem wie er es nennt „verabscheuungswürdigen“ Volk abgewandt hat, dafür gesorgt, dass Log Zrundir inzwischen mehr Sympathien entgegenbringt als euch. Und nicht zuletzt hat wohl auch eine beträchtliche Summe Gold den Besitzer gewechselt. Gerade auf die einfachen Menschen hatte das eine enorme Wirkung. Sie interessieren sich nicht für Politik und das manatarische Heer wiegt sie in Sicherheit. Ihnen wäre es egal, wer Freund und wer Feind ist, denn sie fürchten keine Angriffe. Aber Fakt ist, dass die Hantua bereit sind, ihre Kassen zu füllen. Und, dass sie keinerlei Aussicht auf erneute einträgliche Handelsbeziehungen zum Sichelland haben.“

      „Und ich dachte immer, die Mittelländer wären dumm und naiv...“ kommentierte Sham, doch Menrirs Blick ließ ihn sofort wieder einlenken. „Verzeih, ich wollte dich nicht beleidigen.“

      „Du beleidigst mich nicht, Sham. Ich weiß sehr wohl, dass beide Völker leicht zu beeinflussen sind. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit ihrer Intelligenz zu tun. Sie haben viele hundert Jahre für sich gelebt und erst in ihrer jüngsten Geschichte Kontakt zu Völkern wie den Cycala oder den Hantua gehabt. Sie haben keine Erfahrung in solchen Dingen und verlassen sich ganz darauf, was vermeintliche Anführer ihnen erzählen. Wie dem auch sei, jedenfalls ist es inzwischen nicht mehr bei leeren Worten und Versprechungen geblieben. Log hat mittlerweile Taten folgen lassen.“

      „Ist das Bündnis mit Zrundir denn jetzt offiziell?“ fragte Talmir besorgt.

      „Nein, das nicht. Aber er hat einige neue Gesetze erlassen und schon bestehende verschärft. Zum Beispiel müssen Cycala, die die Grenze nach Manatar überschreiten, sich jetzt umgehend bei den Wachen der nächsten Stadt anmelden. Log will über jeden Sichelländer in seinem Land informiert werden. Angriffe auf die Hantua stehen unter Todesstrafe, um die Freundschaft zu Zrundir nicht zu gefährden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Angreifer ein Manatarier ist oder einem anderen Volk zugehört. Außerdem gibt es noch eine ganze Reihe kleinerer Regelungen, die allesamt der Kontrolle von Sichelländern oder dem Wohle der Hantua dienen. Das hatte zur Folge, dass Log, ohne klare Erklärungen abzugeben, seinem Volk unterschwellig den Eindruck vermittelt hat, dass man Cycalas misstrauisch gegenübertreten sollte und dass die Hantua es verdienen, sie als Freunde anzusehen.“

      „Hast du ihm nicht versucht, ins Gewissen zu reden?“ hakte Talmir jetzt nach.

      „Mehr als einmal. Während Lennys, Akosh und Sara in Sagun waren, empfing er mich sehr zurückhaltend und ich stieß mit meinen Argumenten auf taube Ohren. Aber immerhin hatte ich die stille Hoffnung, dass er noch einmal in Ruhe über meine Worte nachdenken könnte. Später habe ich noch zwei weitere Male versucht bei ihm vorzusprechen, aber er ließ sich verleugnen.“ Menrir konnte seine Trauer kaum verbergen. „Er ist mein Sohn. Es ist kein schönes Gefühl, wenn der Sohn seinen Vater ablehnt und sich dafür in sein Unglück stürzt. Meine Briefe blieben unbeantwortet und ich fürchte, er wird jede weitere Bitte um eine Unterredung als Versuch sehen, ihn zu manipulieren. Er verdreht die Realität und sieht in den Cycala das, was die Hantua eigentlich sind. Als verlogen, barbarisch und habgierig. Ich sehe im Augenblick keine Chance, ihn von seinem Irrglauben abzubringen.“

      „Du solltest nicht vergessen, sein Bestreben zu erwähnen, das Mittelland zu unterwerfen.“ erinnerte Lennys.

      Menrir nickte.

      „In der Tat scheint er sich mit seinem beachtlichen Reich nicht mehr zufriedenzugeben. Übrigens könnte ich mir gut vorstellen, dass Iandal ihm in Bezug auf eine mögliche Angliederung des Mittellandes an Manatar einige Zugeständnisse gemacht und Hilfe angeboten hat. Beweise habe ich dafür aber nicht. Ein Freund von mir, der an Logs Hof als Stallmeister tätig ist, hat mir berichtet, dass einige hochrangige Mittelländer in der letzten Zeit zur Audienz geladen wurden, unter anderem auch der Vorsteher von Goriol und der Oberpriester des Lebenstempels. Es ist kein Geheimnis, dass sich viele Menschen im Mittelland, insbesondere in den kleineren Dörfern, nach einem König sehnen, der ihr Land beschützt und an dessen Gesetzen sie sich festhalten können. Man denke nur an Diebesbanden und an das zwielichtige Gesindel, dass sich dort überall herumtreibt. Log hat mit seinen Mitteln dafür gesorgt, dass die Manatarier kaum Verbrechen fürchten müssen und natürlich hat das auch auf das Mittelland Eindruck gemacht. Und nicht zu vergessen das schlagkräftige Heer des Südreichs. Einem militärischen