Dietrich H. Sturm

Tödliche Siesta


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sie ziemlich lang wachsen, und trotzdem haben sie sich gesträubt wie bei einem Hund. Ich hab dann schnell gesagt, ich bin´s, der Marcos, damit ihn nicht der Schlag trifft. Etwas sauer war er schon hinterher, aber als Macho darf er auch nicht zugeben, dass er fast in die Hosen gemacht hätte, denn vor einer Entführung hat er echt Manschetten. Das versteh ich auch, fast jeden Tag kann man lesen, wen von den Reichen es erwischt hat, und manchmal auch einen weniger Reichen, wenn die Montoneros nicht aufgepasst haben. Mach den Terroristenschlingeln dann mal klar, dass sie sich getäuscht haben und dass du in Wirklichkeit ein armer Wicht bist. Nicht einfach! Dann musst du es schon schlau anpacken, dass sie dir nicht zumindest eine Abreibung verpassen, bevor sie dich in der Unterhose in der Pampa absetzen. Keine einfachen Zeiten, das kannst du wohl sagen!

      Mit dem Jeep durch die morgenfrische Sierra zu kreuzen, so wie wir drei jetzt, bevor die Hitze aufsteigt, das hat schon was! Da kannst du wirklich zum Poeten werden. Die Luft ist so klar, dass du jeden Grashalm siehst, wie von Dürer gezeichnet so scharf. Und die Berge so rein wie ein Glasstein. Wie die blauen Hügel auf dem Bild, das mein Freund Heimer, Sie wissen schon, der Jude mit dem Feinkostladen, aus Deutschland mitgebracht hat, damals vor dem Krieg noch. Und der Wasserfall, über dem Rafael jetzt den Jeep anhält, damit wir alle drei von oben bewundern können, wie er in den Forellensee hinein platscht, und das mitten in der Bergeinsamkeit, das ist schon was, da geht einem das Herz auf, ich sag´s Ihnen.

      Wie sie da so unter dem Wasserfall steht, die Trixi, und ihr süßes Fahrgestell so hindreht, dass der Strahl ihr fast das Bikinihöschen runterzieht, das ist schon einmalig. Als ob sie gar nicht merken würde, dass man den halben Po sieht und jeden Augenblick wartet, ob man vielleicht noch mehr geboten kriegt. Kriegt man aber nicht, sonst wird Rafael nervös, der eifersüchtige Macho, da hat sie ihre Erfahrungen. Ich tu so als würde ich nicht hingucken, aber die Trixi weiß schon, dass ich sie gern anschaue. Mehr nicht, leider. Sie würde schon gern, glaube ich. Aber bei Rafael hört der Spaß schnell auf, und dann ciao Wochenende auf dem Campo bei importiertem Whisky und Bordeaux und allem Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde. Denn so knickrig er ist, beim Feiern mit Freunden lässt er sich nicht lumpen. Und nirgendwo macht das Lesen mehr Spaß als oberhalb des Wohnhauses, unter den schattigen Akazien, mit dem Blick über die Berge. Darauf würde ich nur ungern verzichten. Also, Selbstkontrolle ist angesagt. Ein Jammer, denn die Trixi ist schon was Leckeres. Wie sie da im knappen Bikini sich dreht und wendet, denkt man gar nicht, dass sie schon zwei Kinder zur Welt gebracht hat. Sie ist ja auch noch jung. Jung gefreit hat keinen gereut. Die Trixi vielleicht schon, die hätte sicher gern noch mit dem Heiraten gewartet und ein bisserl herumprobiert. Glaube ich. Aber da kennen Sie den alten Angerer schlecht. Bei dem herrscht Ordnung und Zucht. Alles hört auf sein Kommando. Normalerweise. Bei seiner heiß geliebten Tochter hatte er aber in dem Punkt leichte Zweifel und wollte vorsichtshalber auf Nummer sicher gehen. Ein uneheliches Kind, einen Bankert, undenkbar, Katastrophe. Abtreibung - kommt nicht in Frage. Verstoßen - dafür hat er seine Tochter viel zu gern. Versteht man doch. Also jung freien, schnell unter die Haube bringen, dann kann sie sich austoben. Ein Deutscher musste es sein, das versteht sich von selbst. Einen Hiesigen für die Tochter vom Angerer ist gleich Weltuntergang. Götterdämmerung sozusagen. Und ein Linker kam schon gar nicht in Frage, das können Sie sich denken. Links von Jesus hört sich die Weltanschauung auf. Spätestens! Es war schon schlimm genug, dass Rafa nicht blond ist. Er hat schwarze Haare wie ein Gaucho. Schon im Gymnasium ist er immer ganz wild geworden, wenn wir ihn gefragt haben, woher das wohl kommt. Absolutes Tabu, das Thema. Aber so groß ist die Auswahl auch wieder nicht, hier unten, vierzehntausend Kilometer von der alten Heimat entfernt, und dass Rafa tüchtig ist und keine Flausen im Kopf hat, das hat der Angerer sofort erkannt und hat den beiden eine Hochzeit ausgerichtet, die sich gewaschen hat. Damit alle wissen, mit wem sie es zu tun haben bei dem jungen Paar und dass der Schwiegervater zwar den Krieg verloren hat aber das ist auch alles.

      Puh, sagt Trixi, das ist noch eiskalt, jetzt im Frühjahr, da hat wohl jemand oben einen Lastwagen Eiswürfel hinein gekippt. Deutlicher Hinweis, dass ich auf ihre Nippelchen schauen soll, die sich nun unter dem Oberteil abzeichnen. Das heißt, nur eines, das andere wird von ihren langen blonden Haaren verdeckt. Wirklich süß, es ist nicht immer leicht, brav zu sein, das können Sie mir ruhig abnehmen.

      Plötzlich hören wir es oben über der Schlucht rufen und sehen Pedro auf seinem Pferd. Er steht in den Steigbügeln und schreit rápido, rápido, was normalerweise eine Unverschämtheit ist, wenn ein Peón zur Herrschaft sagt schnell, schnell. Dann prescht er den Abhang herunter, dass man Angst bekommt, beide werden sich gleich den Hals brechen, Pedro und sein Zossen. Qué horror, qué horror winselt er, als er unten beim Wasserfall angekommen ist, sie haben den Verwalter umgebracht.

      Tod in der Hängematte

      Das will ich nun nicht zu ausführlich schildern. Wahrscheinlich haben Sie noch keinen gesehen, der von oben bis unten mit kochendem Wasser übergossen wurde. Sieht nicht schön aus. Für mich ist das jedenfalls das erste Mal, und ich bin nah am Kotzen, obwohl ich den Verwalter nicht besonders leiden konnte. Also, wie gesagt, ich will das jetzt nicht beschreiben, aber es ist kein schöner Anblick, das kann ich Ihnen versichern. Zumal wenn einer fast nackt ist und man genau sehen kann, wie viel danach von 100 % Haut noch übrig ist. Koch heißt er, oder besser hieß er, der Verwalter, und das ist schon ein Hammer, wenn man Koch heißt und auf diese Weise krepiert. Noch dazu an seinem 55. Geburtstag. Auf den ersten Blick ist das Bild, das sich uns bietet, eher friedlich. Koch liegt in seiner Hängematte. Er benutzt eine geknüpfte Hängematte, weil die luftiger ist. Das hat schon was für sich, da wird man auch von unten ventiliert, und bei Sommertemperaturen von 40 Grad und mehr kann es einem durchaus gelegen kommen, wenn es nachts von allen Seiten kühl fächelt. Trotzdem - Koch ist hier oben der einzige, der so schläft. Schlief, will ich sagen. Ich hab einmal mitbekommen, wie die Peones, die Landarbeiter, sich darüber lustig gemacht haben, abends am Lagerfeuer. In seiner Abwesenheit, versteht sich. Sie fingen dann an, das Phänomen grundsätzlich zu erörtern, wobei es vor allem um die drängende Frage ging, wie man in der Hängematte vögeln kann. Mann unten Frau oben schien allen die beste Methode, zumindest solang der Strick nicht reißt. Die einfachen Leute hier auf dem Land schlafen alle auf Liegen, so einer Art Feldbett, mit oder ohne Matratze. Ist auch nicht immer komfortabel, aber keiner ist offenbar der Ansicht, dass eine Hängematte dafür ein Ersatz sein könnte. Dem Koch jedenfalls ist seine Hängematte zum Verhängnis geworden. Wie kann das sein? fragt man sich, dass jemand in der Hängematte liegen bleibt, während man ihn sozusagen blanchiert. Einfache Erklärung: er konnte nicht raus, keine Chance. Man sieht es auf den zweiten Blick: die Hängematte ist sozusagen verschlossen. Durch die Maschen am Rand schlängelt sich ein Strick - rechte Seite, linke Seite, rechte Seite, linke Seite, die beiden Enden am Seil fest verknotet. Es gab für den armen Koch - ja, er war ein Mistkerl, aber das geht dann doch zu weit - also für den Koch gab es kein Entrinnen. Er lag in der Falle, Bauch nach oben, nackt bis auf seine Unterhose, und sein Mörder konnte ihm in aller Ruhe den Garaus machen.

      Auf dem unebenen Boden aus Stampflehm glänzen noch drei kleine Pfützen.

      Wieso hat er nichts gemerkt, als der Strick durch die Maschen geschoben wurde? fragt Trixi in den Raum hinein, während Rafa ohne eine erkennbare Reaktion in eine Ecke der Hütte stiert. Als könnte er in dem schmutzigen Geschirr, das da auf dem wackligen Tisch steht, irgendetwas sehen, was ihm weiter hilft. Ich hoffe doch, dass er ehrlich erschüttert ist und nicht schon darüber nachdenkt, wie er wieder zu einem Verwalter kommt, der ein ähnlich scharfer Hund ist wie der Koch. Ich weise darauf hin, dass der Verwalter schon blau war, als Marcos und ich gestern am frühen Nachmittag seine Geburtstagsfeier verließen. Wahrscheinlich hat er zunächst tatsächlich nichts davon mitbekommen, von diesem sauberen Stück Flechtarbeit. Dann war es zu spät, und er konnte schreien so viel er wollte. Der Rancho des Verwalters liegt weit entfernt von allen anderen Hütten auf der Estancia, da konnte ihn kein Unbeteiligter hören, wirklich nicht. Ich frage Pedro, wie lange sie gefeiert haben, und ob der Verwalter bis zum Schluss geblieben ist. Er antwortet, dass Koch plötzlich einen Wutanfall bekommen und alle Peones zum Teufel gejagt hat. Dann verzog er sich, um in seiner Hütte eine späte Siesta zu halten. Ich will wissen, ob er stark betrunken war, und Pedro bestätigt das mit angewiderter Miene. Man sieht ihm an, dass er es unterm Strich findet, wenn sich ein Verwalter in Gegenwart seiner Untergebenen einen Vollrausch ansäuft. Ohnehin war Koch bei den Peones