Adrienne Träger

Kommissar Handerson - Sammelband


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betreten hatte, legte sie ab.

      Da waren einige Leute an Bord, die alle mabuntisch sprachen. Erst auf den zweiten Blick fiel ihr auf, dass es eine reine Männergesellschaft war. Sie freute sich aber viel zu sehr, endlich unter Menschen zu sein, die sie verstand, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Michel war auch da. Er gab ihr ein Glas mit einer gelben Flüssigkeit in die Hand und ermutigte sie, einen Schluck zu trinken. Sie tat es und weil sie verlegen und durstig war, trank sie das Glas mit einem zweiten Zug leer. Ein paar Minuten später wurde ihr schwindlig. Michel stützte sie und führte sie unter Deck. Da war ein Zimmer mit einem großen Bett, auf das er sie legte. Er zog ihr die Schuhe aus und dann schickte er sich an, ihr auch das Kleid abzuschälen. Sie wollte ihm sagen, er solle es lassen, aber sie konnte nicht sprechen. Sie versuchte ihn abzuwehren, aber sie konnte sich nicht mehr bewegen. Warum, wusste sie nicht. Er hatte sie nicht gefesselt und doch hatte sie das Gefühl, festgehalten zu werden.

      Das Kleid war nun aus und Michel trat einen Schritt vom Bett zurück. Er betrachtete sie. Dann ging er zur Tür und rief nach jemandem. Kurz darauf kamen mehrere Männer hinein. Einer sagte etwas darüber, dass sie ganz passabel aussehe und sich bestimmt gut anfühlen würde. Nana wusste nicht, was er damit meinte. Noch nicht.

      Der Mann, der die Bemerkung über ihr Aussehen gemacht hatte, trat an das Bett und beugte sich über sie. Ja, sie sehe von nahem sogar noch besser aus. Er war fett und Nana spürte, wie er seine speckigen Hände über ihren zarten Körper gleiten ließ. Als er an ihrem Becken angekommen war, packte er ihren Slip und riss ihn ihr ab. Der BH folgte kurz darauf. Nana wollte schreien, weglaufen, aber es ging nicht. Sie konnte sich einfach nicht rühren. Auch nicht, als der schwere Mann auf sie drauf kletterte, ihre Beine auseinander drückte und in sie eindrang. Er war sehr grob, den Schmerz spürte sie genau, aber schreien und sich bewegen konnte sie sich immer noch nicht. Er schnaufte und schwitzte wie ein Schwein. Die anderen Männer johlten und feuerten ihn an. Als er fertig war, rutschte er keuchend herunter und ließ die anderen ran, die nicht minder brutal in sie hineinstießen.

      Sie wusste nicht, wie lange sie so da gelegen hatte, aber die Männer mussten schon vor einer Weile gegangen sein. Irgendwann ließ die Wirkung dessen, was man ihr eingeflößt hatte, etwas nach, und sie konnte stöhnen und sich etwas bewegen. Dann kam die Madame, schimpfte sie aus, dass sie schmutzig sei und sie die kaputte Unterwäsche würde abarbeiten müssen. Anschließend zog sie ihr das Kleid an. Madame und Monsieur schleiften sie regelrecht vom Boot, das wieder angelegt hatte, in das Auto und später von dort in ihr Zimmer.

      Carlshaven, Polizeirevier, 24. September 2014, morgens

      Handerson war an diesem Morgen alleine im Büro. Peter hatte ein Treffen mit dem für die Ausbildung der Polizeihunde zuständigen Kollegen und würde nicht vor Mittag im Büro eintreffen. Und Anna war wieder einmal bei einer Schulung. Sie war sehr ehrgeizig und nahm alles an Fortbildungen mit, was angeboten wurde. Handerson konnte es ihr nicht verübeln. Zwar gehörten weibliche Beamte mittlerweile zum allgemeinen Erscheinungsbild der Polizei, aber insgeheim war es doch noch immer ein Männerverein. Wer als Frau hier etwas erreichen wollte, musste bei allem mehr als zweihundert Prozent geben, um die gleiche Anerkennung zu erhalten wie ein männlicher Kollege. Und Anna hatte diesen Willen. Handerson zweifelte nicht daran, dass Anna es bei der amberländischen Polizei noch weit bringen würde, wenn sie mit so viel Elan und Durchsetzungskraft dabei bliebe.

      Dass er alleine war, war ihm ganz recht. Morse hatte ihn auf eine Idee gebracht, aber die schmeckte ihm so gar nicht und er hasste sich insgeheim selbst für das, was er jetzt tun würde. Aber was sein musste, musste bekanntlich sein. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer auf dem Zettel, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Es klingelte exakt fünf Mal.

      „Carlshavener Kurier, Hans Schreiber am Apparat.“

      „Handerson hier.“

      „Oh, was verschafft mir denn die Ehre?“, fragte Schreiber sarkastisch, aber mit einer gewissen Neugier in der Stimme. Der Kommissar rief sicherlich nicht ohne Grund bei ihm in der Redaktion an. Es musste unter diesen Umständen schon etwas Wichtiges sein. Er war gespannt darauf, was er von ihm wollte.

      Handerson hasste das, was er jetzt sagen würde und es kostete ihn daher mehr als nur ein bisschen Überwindung. Am liebsten hätte er sich selber auf die Schuhe gekotzt.

      „Es gäbe da etwas, das Sie vielleicht interessieren könnte, aber Sie müssten auch ein bisschen was für mich tun.“

      „Ui, seid ihr bei der Polizei so unterbesetzt, dass ihr jetzt schon Reporter engagiert?“

      Auch wenn er sich sarkastisch gab, so war der Ausdruck unverhohlener Neugier in seiner Stimme jetzt nicht mehr zu überhören. Der Kommissar hatte sein journalistisches Interesse geweckt.

      „Haben Sie von den Mädchen aus Mabunte gehört, die man in Deutschland und England aufgegriffen hat?“

      „Die Privatsklavinnen von den reichen Negern? Klar.“

      Handerson rollte mit den Augen. „Neger“ – das war mal wieder typisch Schreiber. Dass sich ein solches Wort überhaupt im aktiven Sprachschatz eines modernen Journalisten befand, war für ihn kaum vorstellbar, aber offensichtlich eine Tatsache. Er holte tief Luft, bevor er seinem Erzfeind Schreiber erklärte, was er von ihm wollte und ihm einen Deal vorschlug.

      „Oke-doke, ich schau mal, was ich rausfinde. Aber Sie halten sich dann auch an unseren Deal, sonst rücke ich nix von den Infos raus.“

      „Ja, ja“, sagte Handerson und legte auf. Oh, wie er sich selbst dafür hasste.

      Carlshaven, vor der Privatresidenz des Botschafters, 23. September 2014, nachmittags

      Hans Schreiber hatte sich für den Spezialauftrag, den er von Handerson erhalten hatte, wirklich täuschend echt kostümiert. Von einem befreundeten Gärtner hatte er sich Arbeitskleidung und ein Fahrzeug geliehen, in dem auch das entsprechende Werkzeug lag. Handerson hatte ihm eine kleine Liste mit Adressen von reichen Mabuntern per E-Mail zukommen lassen. Da der Fisch aber bekanntlich immer von Kopf her anfing zu stinken, hatte er sich dazu entschlossen, seine Recherche beim Botschafter zu beginnen. Und da die ihre Sklavin wohl kaum in der Botschaft gehalten hatten, hatte er sich die Privatadresse des Botschafters besorgt. Er war mittags einmal kurz vorbeigefahren und hatte sich dann eine Strategie zurechtgelegt. Die Villa war groß, genauso wie das Grundstück. Sein Plan bestand darin, zunächst die Nachbarn auszuhorchen. Er ging zu der Villa nebenan und klingelte. Es dauerte etwas, bis eine ältere Dame öffnete.

      „Ja, bitte?“

      „Guten Tag, gnädige Frau, ich komme vom Gartenbaubetrieb ‚Zweiblum und Söhne‘. Wir möchten gerne unseren Kundenstamm erweitern. Besteht bei Ihnen vielleicht Bedarf an regelmäßiger Grundstückspflege? Das Grundstück scheint ja recht groß zu sein und es gibt bestimmt öfters etwas zu tun.“ Er drückte ihr die Karte des Gartenbaubetriebs seines Freundes in die Hand und setzte sein charmantestes Lächeln auf.

      „Ach, eigentlich…“

      „Um Sie von unseren Qualitäten zu überzeugen, bieten wir Ihnen einmalig eine Gartenpflege, bestehend aus Rasenmähen, Heckenschnitt und Unkraut jäten, umsonst an.“

      „Ach, so?“

      Sie beäugte interessiert die Karte, die Schreiber ihr in die Hand gedrückt hatte. „Umsonst“ war anscheinend ein Wort, das ihr äußerst sympathisch war. Typisch, dachte er, reich wie Krösus, aber bloß kein Geld ausgeben.

      „Zweiblum und Söhne, ja, die kenne ich. Die haben doch auch ein Blumengeschäft in der Innenstadt. Da habe ich schon mal hin und wieder einen Strauß gekauft. Sehr gute Qualität. Haben Sie gesagt, dass Sie mir heute umsonst den Garten machen wollen, junger Mann?“

      „Ja, gnädige Frau. Wenn Sie mögen, können Sie auch gerne noch einmal selber bei Zweiblum anrufen und nachfragen. Ich verstehe, dass Sie misstrauisch sind. Heutzutage kann man ja nie wissen, auf was für Ideen Verbrecher so kommen.“

      „Na, Zweiblum ist ein renommiertes Geschäft, das wird schon seine Richtigkeit haben. Da vorne durch das Tor kommen Sie