Katharina Johanson

Volker Bruck


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nicht dazu?“, provozierte Volker gereizt. „Kinder, lasst gut sein“, beschwichtigte die alte Bruck, „wir sind schon da.“ Kira legte sich neben den Eingang. Die Brucks betraten das Haus.

      Alte Menschen einzeln vor sich hin dösend oder in Gruppen zusammen sitzend und sich unterhaltend in einem großen, gemütlich hergerichteten Gemeinschaftsraum. Pflegerinnen bemühten sich rührend um das Wohl der Greise und Greisinnen. Die Brucks gingen zu Vaters Zimmer. Im Flur begegnete ihnen Schwester Irene, die grüßte und vorbeihuschen wollte. Die Mutter sprach Irene an: „Nun, wie geht es ihm?“ - „Ich sagte es schon, Frau Bruck, der kann nicht sterben. Er ist unruhig, hält fest, als habe er noch was zu erledigen“, erwiderte sorgenvoll die erfahrene Altenpflegerin. „Ach was“, wiegelte Mutter Bruck ab, „der ist nur zäh, wie immer. Hat auch im Sterben seinen eigenen Kopf.“ Irene vorsichtig: „Wenn Sie öfter vorbeikommen würden, hätte er es leichter.“ Bedauernd den Kopf neigend ging Irene weiter. Die alte Bruck öffnete die Zimmertür und lud die beiden anderen ein, näher zu treten.

      Der alte Bruck saß stocksteif im Lehnstuhl, den Mund hielt er offen und die Augen starr auf einen imaginären Punkt in der Ferne gerichtet. Wie ein gefällter Baum!, fuhr es dem Volker Bruck in die Seele. Der Vater, dieser Riese, der spielend zwei Zentner stemmen konnte - dieser Vater saß jetzt hier wie ein gefällter Baum.

      Volker Bruck kamen die Tränen. Er hielt sie nicht zurück. Tief bewegt sank der Sohn nieder, kniete vor dem Vater und weinte wie ein Kind. Die beiden Frauen sahen sich betroffen an. Damit hatten sie nicht gerechnet. „Wir warten draußen“, sagte Mutter Bruck leise, fasste die Karin bei der Hand und zog sie zur Tür.

      Volker Bruck hatte seinen Vater niemals schwach gesehen. Der war immer das Zugpferd gewesen. Er war bei der Arbeit, auch beim Saufen immer vorneweg. Sein Wort galt nicht nur etwas, weil er meistens gut überlegt handelte, sondern auch weil er stimmgewaltig große Menschenansammlungen zusammen brüllen und sich Gehör verschaffen konnte. Zu Hause, erinnerte sich Volker, hat der Vater mich oft genug aus der warmen Stube vom Lesepult weggetrieben und verlangt, ich solle in der Wirtschaft oder auf dem Feld helfen. Damals war mir das lästig, widerwillig kam ich Vaters derb vorgetragenen Aufforderungen nach. Zumal mir, als Kind des Chefs, oft mehr zugemutet wurde als Nachbars Kindern. Ich hatte zwar nie viel Kraft, aber Augen im Kopf, um zu sehen, wie es manche förmlich darauf anlegten, zu zeigen, dass der Sohn der Brucks ein Versager ist. Als Kind habe ich darum oft geheult, und versucht, mich zu verstecken. Ohne Erfolg. Hat nicht auch Vaters Härte, mir die Ausdauer gegeben, die nachfolgenden Jahre durchzuhalten? Seine Härte machte ihn nicht bei allen beliebt, spann Volkers seinen Gedanken weiter: Wenn die Leute maulten, sich nicht fügten, sich seinen Anweisungen widersetzten, gab der Vater denen verbal eine übers Maul, stellte sich unter noch so widrigen Verhältnissen selber hin und erledigte das, von dem er überzeugt war, dass es jetzt sofort drängend und notwendig sei. Antreiber, Russenbüttel und Arbeitsvieh waren noch die mildesten Bezeichnungen, mit denen man den Alten unflätig belegte.

      Einmal brach die Sache offen aus. Volker überlegte: Wie war das doch gleich? Das muss im Juni dreiundfünfzig gewesen sein. Da schlugen sie den Brucks die Fensterscheiben ein. Der Vater tobte vors Haus und forderte den Rädelsführer zum Zweikampf. Nicht fairer Zweikampf entbrannte, sondern eine wüste Schlägerei. Die Randalierer zogen mit blauen Flecken und herben Brüchen ab. Der alte Bruck hatte eine Platzwunde am Kopf, die genäht werden musste. Zwei oder drei Tage später verhafteten sie fünf Mann aus Kerkow als Anstifter zum Umsturz. Der alte Bruck lobte sich die staatliche Macht. Ruhestörer gehören hinter Schloss und Riegel! Dingfest gemacht! Ein für alle Male!

      Nur, da hatte er noch nicht mit der Logik der Praxis gerechnet. Eine Woche später oder waren es gar drei? Das erinnerte Volker nicht mehr genau. Es waren Sommerferien, die Kinder traten zur Erntehilfe an, die Frauen sammelten sich auf dem Feld, Vater teilte die Arbeit zu. Da fehlten genau fünf Männer für Lade- und Transportarbeiten. Der alte Bruck erfasste schlagartig die verheerenden Folgen einer Kette von Kurzschlussreaktionen. Seine Wunde am Kopf heilte sichtbar ab. Er musste die Männer zurückholen. Produktionsausfall konnte schwerwiegender sein als ein paar blaue Flecken. Die Stadt brauchte Nahrung, der Russe forderte Reparationen.

      Der Vater rückte dem Kreisamt für Landwirtschaft auf die Bude und brüllte durch die Räume: „Ich will meine Leute wieder haben!“ Die distinguierten Sachbearbeiter versuchten zu schlichten, betonten die politische Tragweite, zumal im Schnellverfahren bereits einige Urteile gesprochen waren. Vater erhob ein riesiges Geschrei: Er würde den ganzen Laden zusammenschlagen und dann sein Amt als Vorsitzender niederlegen, wenn sie ihm seine Leute nicht zurückgeben. Am selben Nachmittag waren die fünf Männer wieder im Ort bei ihren Familien und am nächsten Tag bei der Arbeit. Vater beruhigte sich auch zu Hause noch lange nicht und sagte immer wieder: „Mir die besten Männer wegholen! Bei denen piepst es wohl! Wie soll man da den Plan erfüllen?“

      Volker riss sich von seinen Gedanken fort und schaute sich im Raum um. Ein sauberes Zimmer, ein weiß bezogenes Bett, Blumen auf dem Tisch, zwei Stühle für Besucher … Das Letzte was einem Menschen bleibt. Mehr braucht man wohl nicht zum Sterben. Er schenkte dem greisen, stummen Vater einen mitfühlenden Blick und verließ das Pflegeheim. Die Frauen waren bereits heimgegangen. Er schlug die Richtung zu seinem Elternhaus ein. Der Hund Kira folgte unaufgefordert.

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