Katie Volckx

Håkon, ich und das tiefgefrorene Rentier (P.S. Fröhliche Weihnachten)


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zu, frag mich.«

      »War dein Umzug nach Bilbao ebenso auf den Mist einer Frau gewachsen?«

      »Ja. Aber die habe ich während meines damaligen Urlaubes auf Ibiza kennen gelernt.«

      »Du scheinst eine Schwäche für fremdländische Frauen zu haben!?«

      »Vielleicht hast du recht. Aus dieser Perspektive habe ich das noch gar nicht betrachtet.«

      »Wer weiß, vielleicht geht die nächste Reise nach Honolulu.«

      »Klar! Oder nach Yokohama.«

      »Weißt du eigentlich, dass Japaner als emotional verschlossen gelten und unter dem sogenannten Zölibat-Syndrom leiden?«

      »Äh, nein.«

      »Millionen Japaner sind gar nicht interessiert an einer Beziehung. Ich glaube, die haben es nicht so mit Sex.«

      »Ein Jammer!«

      »Außerdem ist da ständig der Teufel los. Tsunamis, Taifune, Erdbeben ...«

      »Na gut, überredet. Dann lieber nach Schäßburg.«

      »Why not? Graf Draculas Urenkelinnen sehnen sich ganz bestimmt auch nach Liebe.«

      »Jedoch könnte ich dieses Mal vielleicht auch mein Glück zu Hause finden, wer weiß das schon?«

      »Ja, wer weiß das schon! – Und wo wohnst du jetzt?«

      »In Bakklandet.«

      »Da wohnt Frau Hæreid auch.«

      »Ach ja? Tut sie das?«

      »Ja, hübscher Stadtteil. Aber da ist immer viel los. Touristen und Studenten wo das Auge hinreicht.«

      »In der Tat.«

      »Und wirst du nun länger hier bleiben?«

      »Nun, ich habe einen Job angenommen. Spricht das nicht für sich?«

      »Schon, aber du scheinst ja sehr flexibel zu sein.«

      »Natürlich, das Leben ist zu kurz, um immer nur auf einer Stelle zu treten.«

      »Ich könnte das nicht – niemals; für das Ungewisse all meine Sicherheit aufgeben.«

      »Aber dann verpasst du allerlei Dinge im Leben.«

      »Schon klar. Aber mir fehlt es an nichts.«

      »Das glaubst du ...«

      »Nein, ich weiß es ...«

      »... bis du dem, was dir gefehlt hat, begegnest.«

      »Aber bis dahin fehlt mir nichts. Und bis dahin werde ich es auch nicht vermissen.«

      »Heißt das auch, dass du bereits in festen Händen bist?«

      »Ja, das heißt es.«

      »Bedauernswert! Aber weißt du was, Linnéa Lysefjord? Du gefällst mir. Ich finde, wir sollten uns künftig öfter die Zeit für eine Tasse Kaffee und ein Gespräch nehmen. Was hältst du davon?«

      »Dagegen ist nichts einzuwenden. Rein gar nichts.«

      Selbstverständlich hatte ich keinen festen Freund. Ich hatte es nur behauptet, weil mir zu jener Zeit ganz und gar nicht der Sinn nach hartnäckigen Annäherungsversuchen von irgendwelchen Männern stand. Zu jener Zeit hatte ich meinem Exfreund Matias noch immer still hinterhergetrauert, und das, obwohl er mir nicht im Geringsten gutgetan hatte. Doch meine Haltung zu Männern hatte sich mit Håkon fast unmerklich geändert. Gewissermaßen hatte er mich gerettet, ohne es zu wissen.

      »Darum mag ich dich so gern, Linnéa«, holte Håkon mich ins Hier und Heute zurück. »Du trägst ein Lächeln auf deinen Lippen, obwohl ich dich die ganze Arbeit allein machen lassen habe.« Er begleitete mich bei meinem letzten Gang aus dem Lager hinaus zum Kleintransporter.

      »Nichts für ungut«, erwiderte ich nur, ohne ihm den wahren Grund meiner guten Laune zu nennen. Denn wenn er wüsste, dass ich in der Erinnerung unserer ersten Begegnung geschwelgt hatte, würde das meine wahren Gefühle für ihn offenbaren. Doch ich war noch nicht dazu bereit, ihn von meinem Interesse an ihm wissen zu lassen. Vermutlich würde ich niemals dazu bereit sein, denn ich spürte, dass seine Gefühle für mich hingegen nur brüderlicher Natur waren und er in mir nicht mehr als eine sympathische Kumpeline sah.

      Ich verstaute das Paket, schlug die Flügeltüren zu und nickte. »Und nun wartet der Kaffee auf uns.«

      Schuldbewusst, beinahe demütig senkte er den Kopf: »Der Plausch mit Frau Hæreid hat viel zu viel Zeit in Anspruch genommen. Ich befürchte, wir müssen den Kaffee heute ausfallen lassen, Zuckerpuppe.«

      Meine Enttäuschung konnte ich kaum verbergen. Zwar überwand ich mich zu einem Lächeln, doch es wirkte verkrampft. Ich hasste es, unecht zu sein, nicht auszusprechen, was mich beschäftigte. Andererseits wollte ich ihm auch keine Szene machen. Ich wusste, dass Männer Zicken nicht ausstehen konnten. Männer mochten unkomplizierte Frauen; Frauen, die ihnen alles waren: Eine gute Gespielin, eine gute Freundin, eine gute Köchin, eine gute Putzkraft, eine gute Handwerkerin, eine gute Mutter seiner Kinder … eigentlich alles, was ihnen zugutekam. Als Gegenleistung entfernten die Männer eklige Spinnen und kämpften – sollte es hart auf hart kommen – gegen Löwen, Drachen, den Teufel und andere finstere Mächte. Aber wenn es umständlich und undurchschaubar wurde, kriegten Männer einfach zu viel. Wenn ich eines gelernt hatte, dann, dass Männer nichts so sehr verabscheuten wie Drama.

      Trotzdem wies ich Håkon darauf hin: »Das ist bislang noch nie vorgekommen.«

      »Darum tut es mir in der Seele weh.« Mit einem charmanten Augenaufschlag bat er mich um Verzeihung. Ihm war die Wirkung seines Blickes bewusst, aus diesem Grund setzte er ihn gern als Waffe ein.

      Ich begegnete ihm nur mit einem Lächeln und begab mich wieder in den Laden, bevor es mich peinlich berühren konnte und meine Mauer der Vernunft in sich zusammenstürzen würde.

      »Linnéa?«, rief er mir plötzlich nach.

      Ich wandte mich rasch um. »Ja?«

      Er hatte bereits auf dem Fahrersitz Platz genommen und den Griff zum Zuziehen der Tür in der Hand. »Was hältst du davon, wenn wir einmal aus unserer Routine ausbrechen und uns den Kaffee nach Feierabend in dem Café auf der alten Dockanlage genehmigen würden?«

      Ich hielt kurz inne, versuchte, vor Freude nicht übertrieben weiblich zu quietschen oder bewusstlos zu werden. Mein ganzer Körper war gelähmt vor Glück.

      Passierte das gerade wirklich oder hatte ich begonnen zu fantasieren? Viel zu lange hatte ich auf diesen Moment gewartet, als ihn nun mir nichts, dir nichts realisieren zu können.

      Als mein Freudenkarussell endlich zum Stillstand kam und meine Füße wieder festen Boden berührten, erklärte ich mich einverstanden. Den Jubelschrei konnte ich nur mühsam herunterschlucken. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er das unterdrückte Zittern in meiner Stimme bemerkte, als ich aus Spaß sagte: »Aber das ist kein Rendezvous, hörst du?«

      »Kein Rendezvous, versprochen!« Er grinste spitzbübisch, als würde er längst wissen, wie gern ich ihn hatte.

      Zwei

      Nun waren wir also einen Schritt weiter. Wir trafen uns zum ersten Mal privat. Und obwohl wir inzwischen sehr vertraut miteinander waren, fühlte sich dieser Moment reichlich neuartig an. Urplötzlich überwog Aufregung meine Freude auf ihn. Urplötzlich hatte ich keine Ahnung, was ich sagen sollte, sobald er hier aufschlug. Urplötzlich wäre ein einfaches Hallo das Dümmste, was ich von mir geben könnte. Und urplötzlich bekam ich Sodbrennen. Üblicherweise trat es bei mir in abnormalen Stresssituationen auf.

      Ich hatte nicht geahnt, wie groß der Unterschied zwischen dienstlich und privat wirklich sein konnte. Das Ausmaß überwältigte mich. Leider überwältigte es mich sogar so sehr, dass sich ein Fluchtgefühl in mir ausbreitete und ich mich dazu hinreißen ließ, zu türmen. Anscheinend