Udo Horst Barsuhn

Coon: Großes Finale


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frisch geschlüpfte Vogelküken erbeuten. Durch ihre normale Ernährung in Form von Nüssen und anderen Samen, und die Bewegung in der freien Natur, ist ein festes Muskelfleisch, mit nussigem Wildgeschmack gegeben. Da die grauen Eichhörnchen mittlerweile eine Plage sind, dürfen sie geschossen werden. Im zugesandten Katalog werden sie mir zu einem Stückpreis von 5 Euro angeboten. Gehäutet -, oder nur ausgenommen und im Fell -, ganz nach meinen Wünschen. Die Versandkosten gehen natürlich extra. Die Versandfirma wirbt damit, daß die versendeten grauen Eichhörnchen nicht nur Haut und Knochen sind, sondern neben den fleischigen Keulen auch an anderen Stellen einen schmackhaften Fleischanteil haben, der an das Hasenfleisch erinnern soll. In London gibt es beispielsweise seit Jahren das erfolgreiche Restaurant „Native“, mit Eichhörnchenspezialitäten auf der Speisekarte. Neben „Eichhörnchen-Lasagne“ wird auch das „Ragout vom Eichhörnchen“ angeboten. In anderen Lokalen kann man sogar mit gewürztem Eichhörnchenfleisch gefüllte Kroketten bekommen. Der wichtigste Nebeneffekt der Fleischverwertung ist die gleichzeitige Eindämmung der Anzahl der grauen Eichhörnchen. Ich hoffe nur, daß auch wirklich nur die grauen Exemplare geschossen werden und man nicht die putzigen roten Eichhörnchen mit abschießt, weil sie einfacher zu sehen und somit auch zu jagen sind. Wenn nämlich erst einmal das Fell entfernt wurde, kann selbst ich als Metzger nicht mehr erkennen ob es sich ursprünglich um ein rotes oder ein graues Exemplar gehandelt hat. Übrigens ist auch in unseren Stadtparks und Wäldern ein ähnlicher Verdrängungskampf, wie in England, zwischen den roten und den grauen Eichhörnchen gegeben, mit dem gleichen eindeutigen Sieger, auch hier den grauen Fellträgern. Es könnte also nicht mehr zu lange dauern, bis auch in unserer Gegend die grauen Eichhörnchen zum Abschuss freigegeben werden“.

      Ich schaue Metzger Josef direkt an, aber er schüttelt lachend den Kopf: „Nein, das ist nicht Deine Aufgabe graue Eichhörnchen zu erbeuten und sie mir zu bringen, denn bei uns gibt es noch keine Jagdfreigaben in dieser Richtung und ich hätte für das Fleisch derzeit auch noch keine Abnehmer. Bitte, bitte, für mich keine erbeuten“. Ich nicke verständnisvoll, auch wenn es mich schon reizen würde die Nager auf den Bäumen zu jagen. Eichhörnchen habe ich schon des Öfteren in unserem kleinen Stadtpark beobachtet und war stets über die Kletterfähigkeiten und die Beweglichkeit erstaunt. An mein höheres Kampfgewicht müsste ich auch noch denken, denn wenn sich bei diesen schlanken Hörnchen der Zweig noch nicht einmal richtig herunterbeugt, wäre er bei mir schon herunter gekracht – dann natürlich zusammen mit mir. Meine wahrscheinlichste Jagdmethode würde es deshalb sein die Nager am Boden zu erhaschen, wenn sie über die Erde, von einem Baum zum nächsten rennen.

      Einige Minuten später ist das Essen fertig und Josef ruft in Richtung Treppenhaus: „Erde an Hitzeblitz, Wonderwoman bitte melden. Rauscheengel gib mir ein Zeichen, sonst muß ich singen und dann wackeln die Wände“! „Schon gut Du Schreihals“, tönt es aus dem ersten Stock, und ich höre Gerda vorsichtig die Treppen herunterkommen. Sie scheint sich nach der mitgebrachten Ratte umzusehen, die aber schon längst von Josef entsorgt wurde.

      Nach einer herzlichen Begrüßung und einigen Streicheleinheiten die mir Gerda gegeben hat, ist es zum wichtigen Teil des Mittags gekommen: Zum Essen. Gegeben hat es in Streifen geschnittene Rinderlende, wobei in einer Pfanne mein Anteil angebraten wurde, der nur schwach gewürzt wurde. Der Rest der Lende war dann für Gerda und Josef, wesentlich stärker gewürzt. Dazu haben die beiden noch frisch gemachte Spätzle und gemischtes Wurzelgemüse zubereitet. Ein Löffelchen der Spätzle und des Gemüses haben sie mir an den Tellerrand gelegt. Josef meint dazu: „Ist nur für das Gesamtbild auf dem Teller, damit alles etwas adretter aussieht“. Ich habe anstandshalber davon einen kleinen Bissen versucht, bin aber dann doch komplett bei den Rinderlendenstücken geblieben, die mir viel besser gemundet haben. Gerda und Josef grinsen sich gegenseitig an, als sie sehen wie ich vorsichtig um das Gemüse und die Nudeln herum mein Fleisch vom Teller nehme und mit Genuss vertilge.

      Plötzlich lacht Gerda los: „Wenn ich mir vorstelle, bei uns sitzt ein braver, liebevoller, rechtschaffener Kater, der kein Wässerchen trüben kann (Anmerkung Coon: In der Pfalz bedeutet der Ausdruck: „Jemand kann kein Wässerchen trüben“, daß er über jeden Verdacht erhaben ist etwas schlimmes zu tun. Er ist somit harmlos und keinesfalls in der Lage eine böse Tat zu vollziehen) und ausgerechnet der soll unseren Tierarzt k.o. niedergestreckt haben. Ich kann das überhaupt nicht glauben was man sich so alles in unserem Geschäft darüber erzählt hat“. Josef strahlt und meint: „Schaden wird es unserem arroganten Tierarzt mit Sicherheit nicht, mal eine kleine Abreibung erhalten zu haben.“ Gerda räuspert sich etwas und meint dann: „Übrigens Josef, viel mehr Beschwerden höre ich immer wieder über unseren Metzgergesellen Jürgen. Der soll ständig mit der Nachbarschaft im Clinch liegen. Zudem scheinen er und seine Hunde oft sehr laut zu sein und Jürgen soll auch mit einem Luftgewehr harmlose Vögel abknallen. Was sollen wir in dieser Angelegenheit machen“? Josef muss nicht lange überlegen, zuckt hilflos mit der Schulter und meint: „Seinen Job in der Wurstküche macht er gut. Er ist verlässlich und kann fest anpacken. Sein Eigenbrödlerverhalten kann ich nicht ändern, er ist schließlich für die harte Arbeit als Metzger eingestellt worden und nicht als Showmaster auf der Bühne, der sein Publikum unterhalten soll. Alleine und ohne Gesellen schaffe ich die Arbeit nicht mehr und da den meisten Leuten der Beruf zu schwer und die Arbeitszeiten zu lang sind, gibt es auch nur wenige tüchtige Leute die in Frage kämen. Die sind aber alle seit Jahren in ihren jeweiligen Betrieben, oder haben sogar mittlerweile ihre Arbeitsplätze aufgegeben und sind jetzt in einer der Fabriken ringsum beschäftigt, weil sie dort mehr Geld verdienen und vor allem einen geregelten Tagesablauf haben. Zudem wohnen die auch oft zu weit weg, als dass sie jeden Morgen in unser Städtchen zum Arbeiten kommen würden. Es wird uns derzeit nichts anderes übrig bleiben als mit den Beschwerden zu leben. Sollte sich aber mal eine, von der Arbeitsleistung vergleichbare Alternative bieten, wäre ich interessiert. Natürlich muss ich aber bei allen psychischen Problemen die Jürgen hat, auch daran denken, dass auch er seinen Lebensunterhalt bezahlen muss und auch er ein Anrecht auf faire, vertrauensvolle Zusammenarbeit hat, denn er ist schließlich schon einige Jahre bei uns beschäftigt. Geredet habe ich schon einige Male mit ihm und dadurch versucht eine Verbesserung seines Verhaltens zu erreichen, doch aus seiner Haut kommt halt keiner raus. Niemand von uns ist perfekt, Dich vielleicht einmal ausgenommen Engelchen“. Jetzt grinst Josef ein wenig schief und sein Engelchen zeigt ihm darauf hin die Faust.

      Ich nicke zu den Ausführungen von Josef, denn den Arbeitsplatz will ich dem Kerl nicht wegnehmen. Man kann nie wissen wie sich das auf seine Psyche auswirken würde – zum Besseren auf jeden Fall nicht! Ein weiterer Vorteil seiner Beschäftigung ist die zeitliche Gebundenheit an einen Ort. In dieser Zeit seiner Arbeitstätigkeit kann er keine Tiere abknallen – dass ich in dieser Zeit auch gefahrlos neue Duftmarken in seinen Garten setzen kann ist ein weiterer – wenn auch nicht so entscheidender - Vorteil. Vielleicht wirkt sich auch die gemeinsame Arbeit in der Metzgerei, mit meinem Freund Josef und Gerda irgendwann einmal mäßigend auf seine abartigen Gepflogenheiten aus.

      Nach einer kurzen Nachdenkpause grinst Gerda und meint: Ganz anderes Thema, die Geschichte haben mir Kunden gestern im Laden erzählt: Ein Verwandter vom Obstgeschäft Friedrich ist am Freitag fünf Mal in die gleiche Auto-Blitzerfalle hinein gefahren. In der Tempo 50 Zone hat die Mobilblitzeranlage heftig zugeschlagen: Innerhalb von 3 Stunden wurden Geschwindigkeiten von 64 bis 75 km gemessen. Der Mann war jeweils in verschiedenen Geschäften einkaufen und war dabei dann jedes Mal zu schnell. Das Beste kommt noch, denn er hat heftig bei seiner Frau über den Standort des mobilen Blitzers gemeckert (Anmerkung Coon: „Gemeckert“ ist eine Anlehnung an Ziegen die meckern. In der Pfalz heißt dies, man hat sich über etwas „laut beschwert“). Die hat das dann nicht glauben wollen und ist selbst dort hingefahren. Übrigens auch zu schnell und somit wurde zum sechsten Mal geblitzt, mit 72 Kilometern. Als sie dann wütend über ihre eigene Tollpatschigkeit am Ende der Straße gewendet hat und heimgefahren ist, kam sie prompt wieder in die Fotofalle, diesmal mit 76 Stundenkilometern. Die Frau und der Mann haben sich übrigens über die insgesamt 7 Anhörungsbögen und Verwarnungsgeldbescheide beschwert. Argument: An dieser Stelle wäre noch nie ein Blitzer gestanden und zudem müsste es Mengenrabatt geben. Eine Antwort des Ordnungsamtes auf ihre Beschwerde steht noch aus“. Ein „wohlwollender“ Nachbar (ironisch für den schadenfrohen Nachbarn) hat den beiden dann einen leeren Fotoalbum mit den Bemerkungen gebracht: „Da könnt Ihr dann die jetzigen und die künftigen