Udo Horst Barsuhn

Coon: Großes Finale


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Kopf, denn so leicht möchte ich es meine beiden Sorgenkinder nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, ein liebenswertes, treusorgendes Lebewesen wie mich, artgerecht und mit Achtung zu behandeln. Wieder müssen Mathias und Ingrid herzhaft lachen, bevor Mathias dann meint: „Coon, Du kannst jederzeit bei uns auftauchen und hierbleiben. Auch von Angelika und ihrer Tochter Rebecca, habe ich mitbekommen, dass sie Dich auch sofort bei sich aufnehmen würden. Ich soll Dir ausrichten: Sie hätten übrigens einige tolle Lachsstücke für Dich eingefroren, die Du bei Deinem nächsten Besuch erhältst“. Dankbar nicke ich und zur Bestätigung alles verstanden zu haben, miaue ich noch zweimal, was durch lautes Lachen der beiden fast untergeht. Während die Spülmaschine läuft, lesen Ingrid und Mathias in Zeitschriften, während ich gesättigt und durch die gleichmäßigen Maschinengeräusche zwischen den beiden einschlummere. Es stellt sich beim mir ein Gefühl der absoluten Sicherheit und Geborgenheit ein. Ich glaube ich habe im Schlaf sogar vor Wohlbehagen geschnurrt.

      Nach meinem Erholungs- und Verdauungsschlummer habe ich mich nochmals für die herzlichen Worte und das tolle Essen bedankt und bin dann in die Nacht hinausgegangen um zu sehen ob die Nagetiere sich aus ihren Bauten trauen und wie viele sich heute fangen lassen. Die leichtsinnigen Viecher haben es wirklich diese Nacht darauf angelegt und so erbeute ich einige Ratten und Mäuse, die ich kunstvoll im Revier meiner Freundinnen Lilly, Daisy und Natasha verstecke. Selbstverständlich berücksichtige ich auch meinen kastrierten und angeschossenen Freund „Tiger“, der zusammen mit der blonden Studentin Petra unter einem Dach lebt. Selbst wenn es kalt ist, meine Essensgeschenke werden wahrgenommen werden. Schade nur, dass ich in den jeweiligen Momenten, wenn die Fundstücke entdeckt werden, wahrscheinlich nicht anwesend sein werde, um die Freude und Begeisterung direkt sehen zu können. Jedoch haben die Katzenbesitzer da einen „Riegel vorgeschoben“ (Anmerkung Coon: Unter „den Riegel vorschieben“ meint man Vorkehrungen zu treffen, damit gewisse Ereignisse nicht eintreten, oder doch zumindest total erschwert werden). Dabei wären ihre Vierbeiner höchst erfreut so eine tolle, fangfrische Nahrung gereicht zu bekommen. Doch wie sollen es Menschen bei ihrer Entwicklungsgeschichte gelernt haben sich über Geschenke zu freuen, die ihnen von ihren mitbewohnenden Fellträgern gebracht wurden?

      Mit dieser Frage lasse ich Euch in dieser Nacht allein, denn ich muss noch an verschiedenen Orten, einige Gesangsvorführungen zum Besten geben. Meine Darbietungen müssen zum Teil so gut gewesen sein, dass sogar einige Bewohner meines Städtchens, mitten in der Nacht, die Fensterläden und die Fenster geöffnet haben um herauszurufen. Bestimmt haben sie damit um eine Zugabe gebeten. Dieser indirekten, bescheidenen Bitte bin ich natürlich sehr gerne nachgekommen und habe nochmals besonders stark und oft meine Stimme erklingen lassen und mich auch nicht geziert, einige weitere Zugaben meinem verehrten Publikum zu Gehör zu bringen. Einige weitere Mitbürger haben daraufhin ihre Fenster besonders rasch aufgerissen und laut in die Nacht geschrien, aber irgendwann muß einmal mit den Zugaben Schluss sein und zudem gibt es auch Menschen die am nächsten Morgen sehr früh aufstehen müssen um ihr Tagwerk zu vollbringen. Deshalb habe ich dann trotz dieses enormen Zuspruchs mein Solo-Konzert beendet.

      Februar: Meine beiden „Malocher“ // Naturbeobachtungen:

      Man nennt es bei uns „Sudelwetter“, denn mal ist die Temperatur wenig unter der 0° C-Grenze, dann mal wieder leicht darüber. Wind, Regen, leichtes Glatteis und angefrorene Autoscheiben an jedem Morgen. Meine Mitbewohner Martina und Manfred gehen ihrem liebsten Vergnügen, „der verdammten, menschenverachtenden und ausbeuterischen Arbeit“ nach, von der sie so gerne selbst am Abend noch erzählen. Wie ich anderen Gesprächen entnehmen konnte, wurden sie von vielen Nachbarn angesprochen, ob sie mich denn nicht verkaufen wollten – unversehrt – versteht sich! Seitdem sind die beiden doch etwas eintönig in dieser Beziehung geworden, denn besonders angenehm scheint es nicht zu sein beim Bäcker oder beim Metzger direkt, vor anderer Kundschaft, auf dieses Thema angesprochen zu werden. Erschwerend kommt noch hinzu, daß sie von Bediensteten einer Anwaltskanzlei angeschrieben wurden, die den erlegten, unfähigen Tierarzt als Klient haben. Von seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort aus, dem Krankenhaus, scheint es sich besonders gut prozessieren zu lassen. In einer ruhigen, unbeobachteten Minute habe ich mir mal die Anschuldigungen durchgelesen. Da wird auf ein absolutes Hausverbot für Manfred und Martina Wert gelegt, sowie auf eine Zwangsgeldandrohung bei Nichtbefolgung der Verfügung. Zudem wird auf einige Anspruchsforderungen von Schmerzensgeld an einer anderen Briefstelle hingewiesen. Was haltet Ihr von diesem Tierarzt? Meine Meinung über ihn: Er ist eine „Memme“ (Coon: Weinerliches, ängstliches Menschlein).

      Na so sind die Menschen und natürlich die Juristen im Besonderen: Wenn an lebenden Tieren herumexperimentiert oder sogar herumgeschnippelt wird, dann handelt es sich um eine Sache, doch der Mensch, besonders der Akademiker, noch dazu in Gestalt des Herrn Doktor, das ist natürlich eine ganz andere Geschichte, auch wenn er an der Ausübung seines schändlichen Wollens, von mir nur gehindert wurde. Übrigens hatte ich keinerlei Bewilligung für eine Operation gegeben und habe noch nicht einmal eine „Vorab Information“ für den geplanten, schweren Eingriff erhalten und dann wundert sich die juristische Fakultät, daß man sich nach Kräften wehrt und seine angeborenen Rechte verteidigt? Wie sind denn diese Paragraphenreiter drauf? Wollen Dr. Mengele spielen und haben noch nicht einmal die Kindergarten-Doktornummer im Programm. Von Fähigkeiten ganz zu schweigen – und dann nach dem Richter rufen, damit der dem bösen Kater ein Biss- und Kratzverbot verhängt und auch noch Schmerzensgeld überweist. Lasst den Kerl nur mal aus der Klinik kommen, ich werde mal nachsehen ob ich mich noch ein wenig mit ihm, zwischen Nacht und Tag unterhalten kann. Wenigstens sind die Arzthelferinnen vom Tierarzt „Dr. Nichtsnutz“ sehr lieb zu mir. Fast täglich komme ich an der Praxis vorbei und bekomme von den beiden, weiblichen Angestellten, sanfte Streicheleinheiten, frischen Fisch, liebe Worte, Lendenspitzen und immer auch frisches Wasser und manchmal sogar Sahne hingestellt. Die beiden sind nicht nur sehr hübsch anzuschauen, sondern auch klug und handeln nach einem Spruch des Dichters Rückert, der in seiner „Weisheit des Brahmanen“ schreibt: „Das Hündlein wedelt, dir sein Futter abzuschmeicheln. Den edlen Hengst, damit er´s annimmt, musst du streicheln“.

      Wenn sie sich zu mir herunterbücken flüstern sie jedes mal: „Du bist ein ganz feiner. Hast Du richtig gut gemacht. Der Kerl hat so eine Klatsche schon lange verdient. Und wie der ohnmächtig auf den Boden geknallt ist, so eine tolle Nummer habe ich noch nie gesehen, wir haben dann aber schnell einige Fotos geschossen und sie an unsere ganzen Freundinnen und Bekannten verschickt. Die haben sich auch richtig mit uns gefreut. Den arroganten Kerl kann sowieso niemand leiden. Vielleicht wird er nach diesem Niederschlag mal vernünftig, aber wahrscheinlich bleibt er der „Arsch---- der er schon immer war. Wenn er aus dem Krankenhaus zurückkommt, können wir Dich zwar offiziell nicht mehr füttern, aber wir werden uns schon was einfallen lassen damit Du bei Kräften bleibst“. Dankbar habe ich zustimmend dazu miaut. „Ach Kater noch was, der Tierarzt der im nächsten Städtchen wohnt hat uns versichert, daß er einen Auftrag Dich zu kastrieren ablehnen würde und hat beste Grüße an Dich ausgerichtet, er kann seinen Kollegen nämlich auch nicht leiden. Der ist ihm bereits während des Studiums „gewaltig auf den Wecker gegangen“ (Anmerkung Coon: „Jemanden gewaltig auf den Wecker gehen“ oder auch „jemanden auf die Nerven gehen“, gemeint ist: Der gemeinte verhält sich durch seine Anwesenheit, Reden und Tun so, dass sich niemand mit ihm an einen Tisch setzten will, sondern versucht einen möglichst großen Abstand zwischen sich und dem Betreffenden zu bringen.

      Gesättigt gehe ich dann abends wieder in mein Domizil und esse nur noch sporadisch von den angebotenen Speisen meiner Mitbewohner. Es trifft dabei der Merksatz zu: „Trau, Schau, Wem“, dies bedeutet: Sehe besonders konzentriert auf das Tun von den Lebewesen, denen Du Dein Vertrauen schenken möchtest. Martina seufzt dann immer etwas verzweifelt und versucht mich zu beruhigen: „Tut mir so leid Katerchen, wir wollten doch nur gutes tun“! Nach einem solchen Satz stelle ich mir die Frage: „Wem wollten die beiden etwas gutes tun, indem sie mich Kastrieren lassen? Indem Sie mein Vertrauen zu verraten versuchten? Indem Sie – ohne Not – mich heimtückisch hintergehen und schädigen wollten? Doch natürlich habe ich ein hervorragendes Gedächtnis und deshalb bleibt der hinterlistige Versuch der beiden nicht ohne Folgen: Einmal tauchen die beiden in ihren Fitness-Clubs auf, jeder hat einen Trainingsschuh des anderen in seiner Tasche. Schlecht für beide: Sie sind