Leonie Reuter

Mit Sudoku und Beratung an die Börse


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war eigentlich sein persönlicher Referent“, fragte er sich. Er griff zum Telefonhörer auf seinem Schreibtisch und rief seine Vorzimmerdame Frau Büchner an, die beflissentlich: „Was kann ich für Sie tun“, in das Telefon flötete. „Wo verdammt ist dieser Maier denn wieder?“, brüllte der Staatssekretär ungeduldig. „Herr Maier – einen Moment“, sagte die Vorzimmerdame und man hörte, wie sie mit Papier raschelte. „Hoffentlich hat der nicht schon wieder Urlaub“, brummelte der Staatssekretär in den Hörer. „Nein, nein, Herr Maier ist bei der Finanzdirektion Berlin zu einer Einweihungsfeier eingeladen“. „Was für eine Einweihungsfeier“, dröhnte die Stimme des Staatssekretärs aus dem Hörer. „Die Bauverwaltung und die Liegenschaftsverwaltung des Bundes laden zur Einweihung des neuen Westtraktes der Finanzdirektion…“, fing Frau Büchner an vorzulesen. Weiter kam sie nicht.

      „Wer? brüllte der Staatssekretär in den Hörer. „Wer soll das denn sein? Die Liegenschaftsverwaltung des Bundes? Habe ich noch nie gehört. Warum laden die mich nicht ein?“, donnerte er weiter. „ Sie Herr Staatssekretär sind doch viel zu wichtig, um auf die Einweihung eines Westflügels zu gehen“, piepse die Vorzimmerdame ob des Donnerns des Staatssekretärs ein wenig eingeschüchtert. „Ach so, ja“, brummelte der Staatssekretär und legte missmutig den Hörer auf. Seine Gedanken kreisten um diese mysteriöse Liegenschaftsverwaltung des Bundes, die ihn nicht auf der Einladungsliste hatte und ihm zudem noch seinen persönlichen Referenten raubte. „Wahrscheinlich sind auch die das, die keine ordentlichen Reinigungskräfte einstellen und überhaupt scheinen die einigen Schlamassel zu produzieren“, dachte er verstimmt. Er hüstelte immer noch von dem aufgewirbelten Staub.

      Erneut griff er zum Hörer und brachte innerhalb von einer Stunde die Querabteilung ZA 47 auf Trab, in dem er sich alle verfügbaren Informationen über diese merkwürdige Liegenschaftsverwaltung vorlegen ließ. Endlich hatte er einmal ein Thema vor sich, von dem er etwas verstand, denn wozu hatte er ein Haus im Grunewald, ein Ferienhaus in Kitzbühel und eine weitere Liegenschaft auf Sylt. Immobilien waren sein Steckenpferd.

      Der restliche Nachmittag verging für ihn wie im Fluge. Während die Abteilung BC 49 anfing, das Steuerkonzept neu zu bearbeiten und alle verfügbaren weiblichen Mitarbeiterinnen in der Abteilung verzweifelt damit beschäftigt waren, eine fehlende Teilakte zu suchen, kümmerte sich der Staatssekretär höchst persönlich um die ihm bis zu diesem Tage nicht bekannte Liegenschaftsverwaltung.

      Am Abend wusste er bereits, dass diese Verwaltung für die bundeseigenen Gebäude und Dienstliegenschaften zuständig war und Standorte überall in der Republik hatte. „Schade“, dachte er, “mit dieser Verwaltung möchte ich mich noch viel mehr befassen. Immobilien gehören in die Hand von Fachleuten. So eine angestaubte Verwaltung wird sich ja kaum um alle diese Werte richtig kümmern können. Das ist mein Projekt.“ In seinem Arbeitsrausch hatte er sogar den Staub hinter dem Schrank, die Reinigungskraft und seinen fehlenden persönlichen Referenten vergessen.

      An diesem Abend verließ er schwungvoll das große Gebäude in der Wilhelmstraße. „Dieser Arbeitstag wird ein Meilenstein für die bundesdeutsche Immobilienkultur“, rief er dem Pförtner beim Rausgehen zu. „Jawohl, Herr Staatssekretär“, kam artig die Antwort.

      Bereits am nächsten Arbeitstag wirbelten Stäbe um den Staatsekretär herum, denen er schwungvoll erläuterte, dass die gesamte Liegenschaftsverwaltung der öffentlichen Hand seiner Meinung nach vollkommen überaltert wäre und in ihrem Aufbau und ihrer Organisation nicht mehr der Zeit entspräche. „Unsere Aufgabe ist es nun, zeitnah etwas innovatives Neues schaffen“, teilte er seinen Mitarbeitern mit.

      Auch sein persönlicher Referent Herr Maier war wieder aufgetaucht und verschwieg geflissentlich, dass der neue Westflügel der Finanzdirektion ein beeindruckendes Bauwerk war und dass das zu diesem Anlass gebotene Catering ihm auch recht gut gemundet hatte. Das Abendessen gestern hatte er sich sparen können. Außerdem hatte er auf dem Treffen so viele interessante Gespräche bis Punkt Dienstschluss geführt, dass er seiner Kollegin noch an diesem Morgen vollkommen begeistert versichert hatte, dass durch die Einweihung des Westflügels, der gestrige Tag für ihn rundum gelungen gewesen sei.

      Der Staatssekretär nahm seinen gestern so schmerzlich vermissten Referenten heute gar nicht richtig war. In seiner Vorstellung sah er bereits wunderschöne Bilder vor sich. Ein Staatsunternehmen, das den Inbegriff der modernen Verwaltung darstellte. Lächelnde freundliche Serviceangestellte, die entspannt am Schreibtisch telefonierten, in Konferenzen gingen und aus den staatlichen Liegenschaften fast ohne Mühe nebenbei Vorzeigeliegenschaften herrichteten.

      Dass trotz großen Instandhaltungsrückstaus an den maroden staatlichen Gebäuden, dies alles ohne Einsatz großer Mittel geschehen sollte, verstand sich zumindest für den Staatssekretär von selbst. „Genau deswegen“, erklärte er gerade seinen ein wenig zweifelnd schauenden Mitarbeitern, „gründen wir ja nun ein Unternehmen und machen der lahmen Verwaltung mal ein wenig Dampf unter dem Hintern“. Um seine Lippen zeigte sich ein kleines Lächeln. Und wem hätte der Staat all das zu verdanken? Wer würde belobigt und vielleicht sogar noch vor dem Ruhestand der nächste Minister werden?

      Sein Lächeln ging in ein breites Grinsen über. „Noch besser wäre es, wenn die Staatsdiener ihr Gehalt selber erwirtschaften und zusätzlich weitere Einnahmen erarbeiten könnten, die dann unmittelbar in den dringend zu sanierenden Staatshaushalt fließen könnten“, führte er weiter aus. Diese geniale Idee war ihm gestern Abend beim Fernsehen gekommen, als er einen Bericht über Auslagerung von Unternehmen in die dritte Welt gesehen hatte. „Was für eine geniale Idee“, jubelte nun auch Herr Maier, dem es allmählich opportun erschien, seinem Chef ein wenig positive Bestärkung zu geben, zumal er durch den Gesichtsausdruck des Staatssekretärs erkannt hatte, dass dieser sich um nichts in der Welt von seiner Idee würde abbringen lassen. „Der Minister wird begeistert sein“, fügte er deshalb noch mit jubelnder Stimme hinzu.

      Da der alte Staatssekretär ein Mann der Tat war, holte er sich bei erster Gelegenheit, gleich in der nächsten Woche von dem Minister „grünes Licht“, wie er es nannte. Der Minister schien zunächst nicht so angetan von der Idee seines Staatssekretärs und äußerte, dass es doch wohl wichtigere Dinge für einen Staatssekretär zu erledigen gäbe, als sich um eine Hausverwaltung zu kümmern. „Da haben Sie selbstverständlich recht, Herr Minister“, erwiderte der Staatssekretär, „selbstverständlich ist mir diese Hausverwaltung, wie sie die Liegenschaftsverwaltung sicher zu recht bezeichnen, vollkommen egal. Bedenken Sie jedoch, was für Geld sich mit den Immobilien machen ließe, wenn sich jemand fachmännisch um diesen Laden kümmern würde.“

      „Das müssen Sie mir erläutern“, lächelte der Minister, „ich gehe davon aus, dass Sie sich, mit dem jemand gemeint haben?“ „Nun ja“, erwiderte der Staatssekretär, „ ich will mein Licht nicht unter den Scheffel stellen und Ihnen ehrlich sagen, dass ich genau genommen, nicht nur Immobilienfachmann bin, sondern bereits ein fast fertiges Konzept in der Tasche habe. Ich kann Ihnen sofort erläutern, wie wir diesen Laden so wirtschaftlich machen können, dass noch zusätzliches Geld in die Staatskasse fließen wird.“

      „Tatsächlich?“, fragte der Finanzminister und klang noch nicht sehr überzeugt. „Sehen Sie, Herr Minister. Im Moment arbeitet diese Verwaltung so unwirtschaftlich wie alle unsere Verwaltungen. Wahrscheinlich finanziert der Steuerzahler hier den Umstand, dass ein paar Beamte Monopoly mit staatlichen Liegenschaften spielen. Jedes Unternehmen kann hier nur besser wirtschaften. Das ist doch gar keine Zauberei. Und Sie, Sie werden der Finanzminister im Zeitfenster dieser Dekade sein, unter dem ein jetzt noch kaum vorstellbarer Geldsegen in die Staatskasse rauschen wird“, fügte er im Ton der festen Überzeugung hinzu. Der letzte Satz hatte seine Spuren bei dem Finanzminister hinterlassen. Das hatte der Staatssekretär sofort innerlich zufrieden registriert. Er wartete ab und ließ dem Finanzminister ein wenig Zeit zum Überlegen.

      „Gut, ich muss jetzt nach Brüssel. Also probieren Sie es. Schlimmer als es jetzt ist, kann es ja wohl nicht werden“, sagte er mit einem Blick auf die Uhr und hastete aus dem Raum. Ganz kurz flammte in dem Minister der Gedanke auf, dass er bis vor einer Stunde noch nie etwas von dieser Verwaltung gehört hatte, geschweige denn wusste, wie gut oder wie schlecht es um sie stand. „Egal“, dachte er, „der Staatssekretär ist ein alter Fuchs und der wird schon