Leonie Reuter

Mit Sudoku und Beratung an die Börse


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leider keine Chance im politischen Raum zu haben. Und ehe er noch den Rauswurf aus dem Ministerium riskieren würde, stellte er lieber seine Verkaufsideen zurück. „Jedenfalls bis zur nächsten Legislaturperiode“, ließ er in der intimen Kantinenmittagsrunde im Ministerium verlauten.

      Infolgedessen wurde weiter an dem Aufbau des neuen Immobilienunternehmens gearbeitet. Nach und nach wurden auch immer mehr Mitarbeiter beteiligt, die sich in den verschiedenen Implementierungsgruppen mit eigenen Ideen und Vorstellungen beteiligen konnten. Dadurch war kurz vor der Entstehung des Unternehmens doch noch gewährleistet, dass neben den vielfältigen Beratern und Gremienbeteiligten auch der einfache Sach- und Fachverstand mit in die Überlegungen einfließen konnte.

      Kleine Pannen am Rande in der Form, dass die vom Ministerium entwickelte Datenbank nicht geeignet war, die gesamten Liegenschaftsdaten aufzunehmen und langsam auch der letzte Sachbearbeiter vor Ort dadurch seine eigenen Liegenschaften aus den Augen verlor, mussten hingenommen werden. „Kleine Kollateralschäden“, wie der Staatssekretär zu sagen pflegte.

      Doch um zu beweisen, dass er und das Ministerium nicht im Kleinen dachten und an richtigen großen Lösungen interessiert war, wurde beschlossen, die ganzen selbst gebastelten Datenbanken aufzugeben und die beste und teuerste auf dem Markt erhältliche Software SUP einzuführen. SUP sollte gekauft und installiert werden und „Dann wird dieses SAP, nee SUP für uns die Arbeit machen“, verkündete der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium, der für Datensicherheit zuständig war und mit dieser neuen Aufgabe der Implementierung des SUP durch den Staatssekretär persönlich beauftragt worden war.

      Dem Staatssekretär war klar, dass durch die Abschaffung sämtlicher bestehender Datenbanken und der Implementierung von SUP immense Kosten entstehen würden. „Diese Kostenlawine“, ließ er in einer amtlichen Pressemitteilung verlauten, „werte ich als Indiz für wahre Wirtschaftlichkeit. Wir dürfen bei dem Aufbau eines Staatsunternehmens nicht an der falschen Stelle sparen.

      Jedes Großunternehmen arbeitet mit SUP und genau das werden wir auch tun. Das ist ein kleiner Preis für eine moderne Verwaltung“. Ein kleines Unternehmen mit Sitz in Wallstadt freute sich über den neuen Kunden und schickte viele Berater, die SUP allerorts in der alten Verwaltung installierten, erklärten und fast 8000 Beschäftige der Verwaltung schulten.

      Um für die Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass hier tatsächlich ein modernes Dienstleistungsunternehmen entstehen sollte, wurde für die Implementierung des SUP noch ein eigener Stab gegründet, der von einem Beratungsunternehmen, das wiederum Subberater beauftragte, geleitet wurde. Dieser Stab erhielt den Namen BuLiMie. Das sollte Bundesrepublik, Liegenschaften und Mieten heißen. Jeder der über 8000 Beschäftigen wurde fortan in BuLiMie geschult und die Aktien des kleinen Unternehmens in Wallstadt stiegen weiter.

      Nach dreieinhalb Jahren der Beratung und einigen neuen grauen Haaren auf dem Kopf des Staatssekretärs, stand endlich auch die Rechtsform des neuen Unternehmens fest. „Wie ich bereits von Anfang an gesagt habe“, erklärte der Staatssekretär vor dem Lenkungsausschuss, „hat man sich nun vernünftigerweise dazu entschlossen eine Anstalt zu gründen. Ganz im Sinne des modernen Staates und zeitgemäß wird eine Anstalt entstehen. Der Name dieser Anstalt wird kurz und prägnant DA sein.

      Wofür steht DA?“, führte der Staatssekretär weiter geschickt aus. „Ich verrate es Ihnen. Das DA steht für Deutsche Anstalt für Dienstleistung und Immobilienverwaltung.“ Dieser Arbeitstitel musste einfach allen gefallen. Und jenen Personen, denen er nicht gefiel, hielten ihren Mund, denn langsam hatten alle genug von den vielen Arbeitskreisen und Implementierungsgruppen und wollten um jeden Preis vermeiden, dass nun noch ein weiterer Arbeitskreis zur Namensgebung hinzukommen könnte.

      So wurde nach fast vier Jahren Vorarbeit ein entsprechender Gesetzesentwurf in das deutsche Gesetzgebungsverfahren eingebracht - das DA Entstehungsgesetz. An jenem Tag wischte sich der Staatssekretär gerührt eine Träne aus dem Auge. „Nach so vielen Jahren harter Arbeit, ist meine Vision Wirklichkeit geworden“, dachte er und seufzte tief. „Und ich bin der Urheber, der Ideengeber, der Macher, der Eigentümer. Mein erster Schritt in die Unsterblichkeit der Geschichte.“

      Das Ministerium und damit auch er selber waren Eigentümer dieser Anstalt. Eigentümer eines Unternehmens mit einem außerordentlich modernen Dienstleistungsflair, das die wirtschaftlich arbeitende Verwaltung überall in der Welt repräsentieren würde. An dem Tag als das Gesetz verabschiedet wurde, lud der Staatssekretär seine engsten Mitarbeiter alle zum Italiener um die Ecke ein, um diesen großen Tag zu feiern. Er hatte sich tatsächlich auf die engsten Mitarbeiter, die fünf Personen zählten, beschränkt, denn so üppig wie die Gehälter der Vorstandsvorsitzenden der Dax Unternehmen wurde er ja schließlich nicht besoldet.

      Wenige Wochen später lud er gleich noch einmal in das italienische Restaurant ein. Dieses Mal war der Kreis ein wenig weiter gewählt und bezog neben seinen engsten Mitarbeitern noch zusätzlich einige wenige Kollegen aus dem Ministerium mit ein, denn er ging in den wohlverdienten Ruhestand. Und da die Ruhestandsgehälter eines Ministerialbeamten einfach Peanuts gegen die hohen in der Wirtschaft üblichen Abfindungszahlungen sind, freute er sich insgeheim, dass neben Frau Dr. Schleicher-Hartmann leider noch zwei weitere Mitarbeiter wegen eines grippalen Infektes nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen konnten.

      Zum Glück für ihn bekam der Staatssekretär, der kurz nach der Gründung der Anstalt in den Ruhestand gegangen war, nicht mehr mit, dass tausende von Schreibblöcken und Briefpapiere genauso wie neue Visitenkarten mit dem Logo DA, deren Druck er in Auftrag gegeben hatte, nun vernichtet werden mussten. Denn kurz nachdem die ersten Visitenkarten durch Mitarbeiter verteilt worden waren, hatte sich plötzlich die Firma „Deutsche Antari“ meldete, der die Abkürzung DA seit Jahren zustand.

      Diese war mit der neuen Namensgebung der Anstalt überhaupt nicht einverstanden und führte in den nächsten Jahren einen aufwendigen Rechtsstreit gegen die neu gegründete Anstalt. So musste der in das Leben gerufene Rechtsstab der Anstalt, der mit nur fünf Juristen noch nahezu unterbesetzt war, an die Arbeit und eine gut etablierte Anwaltskanzlei beauftragen, den Rechtsstreit gegen das staatsfeindliche Unternehmen zu führen.

      Wie bei den meisten Rechtsstreitigkeiten gab es auch hier viele rechtliche Aspekte, die es zu beleuchten galt, viele Gerichte und noch mehr Instanzen. Im Ergebnis musste die Anstalt zahlen, ihre Druckerzeugnisse vernichten und sich ab sofort verpflichten, diese Abkürzung nicht mehr zu führen. Um dies sicherzustellen, gab es eine schriftliche Anweisung des Ministeriums in Form einer umfassenden Unterrichtung an alle Mitarbeiter, aus der hervor ging, dass zukünftig auch in jeglichen Schriftverkehr der Name der Anstalt nun immer vollkommen ausgeschrieben werden müsse.

      Dieser sollte nun grundsätzlich auch im Schriftverkehr so lauten, wie es bereits im DA Entstehungsgesetz in der Präambel fixiert war: Deutsche Anstalt für Dienstleistung und Immobilienverwaltung. „Klar, einfach und prägnant wie die gesamte Umstrukturierung“, erklärte ein junger Staatssekretär namens von Gutental, der die Nachfolge des alten Staatssekretärs angetreten hatte, seinen Mitarbeiten. Herr von Gutental hatte eine gute Ausbildung und war von adligem Stand.

      Nicht verschwiegen werden kann an dieser Stelle, dass er zudem das richtige Parteibuch hatte, das er gezielt neben seinen außerordentlich guten familiären Kontakten gezielt für seine Karriere eingesetzt hatte. Er war jung, ehrgeizig und hatte den unbedingten Willen es noch zu weit mehr, als nur zum Staatssekretär zu bringen.

      „Was ist daran einfach?“, meldete sich Frau Dr. Schleicher-Hartmann zu Wort. Der junge Staatssekretär von Gutental, dem seine glänzende Karriere geradezu in seinen blitzenden Augen abzulesen war und der zudem mehr als außerordentlich ehrgeizig war, schaute seine Mitarbeiterin mit einem spöttischen Lächeln mitleidig an. „Frau Doktor, wenn Ihnen noch nicht einmal so einfache Dinge klar sind, wie stellen Sie sich dann Ihre weitere Arbeit hier im Ministerium vor?“, flötete er.

      Dann fuhr er mit fester Stimme fort: „Deutsche Anstalt und Immobilien– gibt es etwas Prägnanteres? Nein! Sehen sie“, führte er seinen Monolog fort und deswegen werden wir an alle Angestellten dieser Anstalt einen Erlass schicken, der sie über den Namen und dem Umgang damit unterrichtet. Und wissen Sie, wer diesen schönen Erlass vorbereiten wird?“ Wortlos reichte er ihr sein mit einigen Stichwörtern