Leonie Reuter

Mit Sudoku und Beratung an die Börse


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ja selbst die Vorzimmerdamen im Ministerium mit außergewöhnlichen Sprachtalenten gesegnet. Was man von der Außenverwaltung ja nun leider wirklich nicht sagen kann“, ließ der Staatssekretär im Kreise seiner Vertrauten mit dem Unterton des Bedauerns verlauten, während er mit einem energischen Schnitt sein Rinderfilet vor sich auf dem Teller zerlegte.

      In der ignoranten Liegenschaftsverwaltung lachte man doch tatsächlich zunächst über die geplante Umstrukturierung. Insbesondere die vielen englischen Begriffe waren Gegenstand von Hohn und Spott. Und wenn kein „Ministerieller“, wie die Außenverwaltung die Damen und Herren im Ministerium bezeichnete, in der Nähe war, wurden gerne ein paar flotte Sprüche und Witze über das Immobilienunternehmen mit den Käschkaus gemacht. Immer mehr Angestellte fingen – möglicherweise aus Unsicherheit – an, Witze über Berater zu erzählen. So machte ungefähr ein halbes Jahr nach der genialen Idee des Staatssekretärs in der Außenverwaltung dieser Witz die Runde:

      Ein Berater, der mit allen Attributen seiner Zunft ausgestattet ist (Audi TT, Rolex, GPS System usw.) hält mit seinem Audi TT eines Tages in der Lüneburger Heide neben einer Schafherde und sagt zu dem Schäfer: „Wenn ich Ihnen sage, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann ein Schaf?“ Der Schäfer sagt zu und der Berater holt sein Notebook, sein JPS und rechnet und schreibt und rechnet noch einmal. Nach einer ganzen Zeit sagt er: „478 – Sie haben 478 Schafe.“ „Richtig“, sagt der Schäfer. Der Berater nimmt sich ein Tier und will wieder in den Audi steigen.

      Da sagt der Schäfer: „Wenn ich Ihnen sage, welchen Beruf Sie haben, bekomme ich dann mein Tier zurück?“ „Selbstverständlich“, sagt der Berater. Ohne zu zögern sagt der Schäfer: „Sie sind Berater“. „Richtig, aber wie haben Sie das so schnell heraus bekommen?“ fragt der Berater verblüfft. „Ganz einfach“, sagt der Schäfer. „Sie sind gekommen, obwohl Sie keiner gerufen hat. Sie haben mir etwas gesagt, was ich ohnehin schon weiß. Und nun geben Sie mir bitte meinen Hund zurück.“

      Als der Staatssekretar aufmerksam gemacht durch seinen Unterabteilungsleiter, im Ministerium diesen Witz im Intranet lesen musste, war seine Toleranz gegenüber der Außenverwaltung - zumindest für diesen Tag - am Ende. Unverzüglich wurde der IT Experte angewiesen, in „seinem“ Intranet für Ordnung zu sorgen. Weiterhin wurde ein Berater damit beauftragt, ein Kommunikationskonzept für einen besseren Umgang zwischen Bediensteten und externen Beratern zu erstellen. Als er alle Weisungen des Staatssekretärs in dieser Angelegenheit ausgeführt hatte, eilte der Unterabteilungsleiter an das Telefon, um den Witz seinem Freund im Verteidigungsministerium zu erzählen.

      Nachdem sehr viel Schweiß und auch nicht unerhebliche Summen Geld in die Vorbereitungen geflossen und daneben auch einige Monate in das Land gegangen waren, brauchte das Kind, wie der Staatssekretär sein Projekt liebevoll nannte, nun langsam einen Namen. In einer großen Konferenz auf dem Petersberg wurde mit Führungskräften der Außenverwaltung, die genau genommen aus fünf durch das Ministerium ausgewählte Behördenleiter bestanden, darüber diskutiert, was man juristisch gesehen, denn nun genau erschaffen solle.

      Vom Ministerium waren von allen beteiligten Abteilungen Vertreter angereist, so dass ungefähr 87 Personen aus dem Ministerium anwesend waren. Nicht zu vergessen die 23 Berater. Zwei Tage wurde darum gerungen, ob nun eine Bundesgesellschaft, eine Kommanditgesellschaft, eine Aktiengesellschaft oder vielleicht doch ein kommunaler Betrieb entstehen sollte. Im Ergebnis der anstrengenden Sitzung gingen fünf Berater vor Freude strahlend nach Hause, da sie einen Auftrag für ein Gutachten zur Bewertung der Sach- und Rechtslage erhalten hatten.

      Das Gutachten sollte noch in jenem Jahr erstellt werden und alle wesentlichen Entscheidungskriterien für das Ministerium behandeln. Leider stellte sich heraus, dass ein Gutachten nicht reichte und weitere Folgegutachten notwendig wurden. Dafür mussten in einem aufwendigen Haushaltsverfahren jedoch erst einmal neue Finanzmittel bereitgestellt werden.

      Nach einem weiteren halben Jahr entschied sich der Staatssekretär, der langsam die Geduld verlor, in einer einsamen Nacht- und Nebelaktion für die Rechtsform der GmbH. „Eine GmbH ist immer gut,“ ließ er im Kreise seiner Mitarbeiter verlauten, „denn dann muss im Notfall keiner haften. Ja, ich denke eben an alles“, fügte er triumphierend hinzu. Leider fiel dem Abteilungsleiter der Steuerabteilung, dem die Entscheidung zur Mitzeichnung vorlag, genau eine Woche später auf, dass bei dieser Rechtsform nicht unerhebliche Summen an Steuern an den Fiskus zu zahlen wären.

      Das teilte er in einem vertraulichen Gespräch dem Minister und dem Staatssekretär mit. Gegen neue sprudelnde Steuereinnahmen hatten die Vertreter des Staates zwar grundsätzlich überhaupt keine Einwendungen; diese Einnahmen aber selber zu finanzieren, war dann vielleicht doch nicht der richtige Weg, um mit der Sanierung des Staatshaushaltes zu beginnen. So wurde die Idee der GmbH Lösung still und einvernehmlich im Zimmer des Finanzministers für immer begraben.

      Es blieb nichts anderes übrig, als noch einmal alle Arbeitsgruppen neu ein zu berufen. Alle bisherigen Überlegungen wurden intensiv überdacht und viele neue Aspekte beleuchtet. Der Staatssekretär musste sich derweil wieder mit lästigen steuerlichen Fragen zu Außenhandelsabkommen und Umorganisationen der Zollverwaltung beschäftigen. Zudem standen Wahlen im Lande an, die die politischen Verhältnisse änderten.

      So verlor der Staatssekretär sein Lieblingsprojekt, das Immobilienunternehmen zwangsläufig ein wenig aus den Augen. Nach der Wahl wurden wie es so die allgemeine Übung war, viele Führungskräfte im Ministerium ausgetauscht. Da der Staatssekretär bislang jedoch weder positiv noch unangenehm aufgefallen war und auch niemand wusste, wo man ihn ansonsten hätte in seinen letzten verbleibenden Dienstjahren unterbringen könnte, überlebte er als einzige Spitzenkraft die Wahl in seinem Amt.

      Durch den neuen Finanzminister und die vielen neuen Ministerialdirigenten gab es nun nochmals vollkommen neue Überlegungen für die Umstrukturierung der Immobilienverwaltung, denn letztlich sollten ja auch parteipolitische Überlegungen bei diesem innovativen Projekt nicht vollkommen unberücksichtigt bleiben.

      Dem Staatssekretär, der sich mit seinen engsten Mitarbeitern in seiner Position gehalten hatte, und der nach Monaten wieder mit seiner Idee konfrontiert wurde, war das Thema mit dieser neuen politischen Richtung jedoch mittlerweile fast ein wenig lästig. Im Hinterkopf hatte er seine Idee mit der GmbH, die so kläglich gescheitert war, noch nicht wirklich verarbeitet. Nun hatte er das Gefühl, dass seine Idee von dem politischen Gegner als dessen Erfolg verkauft werden sollte.

      Um das zu verhindern, wies er seine Abteilungsleiter im Monatsgespräch für diese vollkommen überraschend an, doch auch einmal darüber nach zu denken, wie man die gesamte alte Verwaltung auf anderem Wege als durch Umbau in ein Unternehmen eliminieren könnte. „Stellen Sie sich vor, dass es keine Immobilienverwaltung mehr gibt“, hob er an. „Dann hätten wir auch keine Kosten mehr für die Bediensteten, auch nicht für die Liegenschaften und deren Instandhaltung. Stellen Sie sich diesen Erfolg vor.“ Der Staatssekretär blickte in absolut verständnislose Gesichter, die aussahen als wenn sie nicht richtig gehört hätten.

      Wie war es möglich, dass der Staatssekretär auf einmal über sein seinerzeitiges Lieblingsprojekt so redete, als wenn er nie etwas mit diesem Unternehmen zu tun gehabt hätte. Da keiner richtig überzeugt zu sein schien, fuhr der Staatssekretär mit lauter fester Stimme fort. „Wir würden zum Beispiel Unsummen von Geld für Berater sparen.“ Dann verließ er hastig den Raum und überließ seine Abteilungsleiter sprachlos. Als diese ihre Sprache wieder gefunden hatten, gingen sie an die Arbeit und trugen im Laufe der nächsten Wochen allerlei Ideen zusammen, die sie im nächsten Monatsgespräch vortrugen.

      „Vielleicht käme ein Verkauf der gesamten Liegenschaften an einen reichen Scheich in Arabien in Betracht oder ein Verkauf an einen großen Immobilienfond“, besagten die Vorstellungen aus den Abteilungen. „Auch mit den Russen ließe sich vielleicht ein Geschäftchen machen“, sinnierte der Staatssekretär. Doch noch ehe die Runde sich im nächsten Monatsgespräch zu einer Lösung durchringen konnte, hatte Personalrat Gerüchte weise von den neuen Plänen des Staatssekretärs erfahren und nun sämtliche Kräfte gegen diese neue Linie mobilisiert.

      Als das wiederum der Staatssekretär bemerkte, rief er sofort einen Krisenstab im Ministerium zusammen. Doch der konnte nicht mehr helfen. Von allen Seiten erreichten den Minister