Zur Sicherheit hat sich die Kirche im Grundgesetz ihre eigene Gerichtsbarkeit festschreiben lassen. Als Konsequenz von Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Kirche gilt in Deutschland das Recht der Religionsgemeinschaften, innere Angelegenheiten selbst zu regeln. Dies ist im Grundgesetz verankert (Art. 137 Abs. 3 WRV - kirchliches Selbstbestimmungsrecht). Der Absatz lautet: (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Hat die jeweilige Religionsgemeinschaft den Status einer anerkannten Kirche, so ist ihr internes Kirchenrecht so machtvoll wie das öffentliche Recht.
Das erklärt den unverständlich zögerlichen Umgang der Kirche mit strafrechtlichen Verfehlungen ihrer Organe. Auch im Bereich von arbeitsrechtlichen Aspekten herrschen in der Organisation der Kirche und den von ihr betreuten Institutionen eigenmächtige Regelungen, die außerhalb des für alle geltenden Gesetzes liegen.
Bis heute gelingt es der Kirche, den Rechtsstaat weitestgehend auszusperren und ihn gleichzeitig ohne Gegenleistung zu benutzen, beispielsweise zur Eintreibung der Kirchensteuer durch die Infrastruktur des Finanzamts. Unverständlich ist, dass sie von der Offenlegung der Mittelverwendung weitestgehend befreit ist, während jeder Bürger, und besonders jedes Unternehmen, jährlich eine peinlich genaue Steuererklärung abgeben muss.
Selbst bei Verbrechen hält sich der Staat deutlich zurück. Die tausendfachen sexuellen Übergriffe von kirchlichen sogenannten Hirten und Würdenträgern auf Kinder und Jugendliche, bis hin zu Vergewaltigungen von Nonnen, sind weltweit bekannt. Es ist kaum etwas darüber zu erfahren, ob und in welchen Fällen die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, und ob es Strafen nach dem weltlichen Strafmaß gegeben hat. Es müssten diesbezüglich weltweit Tausende Strafprozesse anhängig und einige Gefängnisse mit kirchlichen Würdenträgern gefüllt sein.
Bekannte Fälle, die Verwunderung hervorrufen, gibt es genügend. Besonders bezeichnend ist hier die Aufforderung von Robert Zollitsch, ein 1938 in Jugoslawien geborener katholischer Würdenträger und Freiburger Erzbischof und damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, an die Bundeskanzlerin, sie solle sich bei ihm dafür entschuldigen, dass sie den zögerlichen Umgang der Kirche bei der Verfolgung von Sexualstraftaten beklagt hat.
Das steht so jemand nicht zu. Es ist schlichtweg ungehörig. Die Kirche hat nachweislich bis heute keine nennenswerten Ergebnisse hervorgebracht. Zollitsch meinte wahrscheinlich, Angriff sei die beste Verteidigung. Hier war es allerdings eine Dummheit, über die ganz Deutschland den Kopf schüttelte. Es gibt kaum einen besseren Beweis dafür, dass sich an der Überheblichkeit geistlicher Würdenträger noch immer nichts geändert hat.
Bedeutet die offensichtliche staatliche Passivität, dass die Kirche sogar Verbrechen ohne öffentliche Verfolgung hausintern regeln kann? Oder versucht die Kirche, diese strafrechtliche Problematik durch Verschleppung bis zur Verjährung auszusitzen? Es scheint, als bliebe die Kirche selbst bei Verbrechen ein Tabu.
Warum lässt der Staat das tatenlos zu? Warum gehen so wenige Betroffene staatsanwaltlich aktiv gegen diese skandalöse Untätigkeit der Kirche vor? Möglicherweise rechnet man mit Chancenlosigkeit, weil man mit der Klageabweisung wegen Nicht-Zuständigkeit rechnen muss. Das wäre eine traurige Gegebenheit.
Die Bürger werden sich eines Tages dieser Fragen annehmen und mit ihren Mitteln dafür sorgen, dass die Politik handelt. Die Mittel der Bürger sind bedeutend. Sie entscheiden über die Ergebnisse von Wahlen, und sie können Themen durch deutliche Meinungsäußerungen bei Demonstrationen in der Priorität der sich anbietenden Parteien weit nach oben bringen. Das "C" im Namen einiger Parteien bedeutet christlich, nicht der Kirche hörig.
Macht und Anmaßung
Grundsätzlich muss man sich fragen, wie es dazu kommen kann, dass die reine unbeweisbare Ideologie einer Religion ausreicht, einen erheblichen Teil der Menschheit so zu beherrschen, dass die religionstragenden Organe auf Kosten der produktiven Allgemeinheit besser leben können als die meisten der sie finanzierenden Menschen. Dies gilt schon für die frühgeschichtlichen Priesterschaften. Selbst die Reformation hat im Wesentlichen nur rituelle Änderungen hervorgebracht. Messen, Zölibat, Abendmahl-Materieverwandlung und andere sogenannte Grundpfeiler sind bei genauerem Hinsehen Nebenschauplätze. Im prinzipiellen Machtdenken sind alle gleich.
Kompetenz und alleinige Zuständigkeit für die Interpretation des Gotteswillens spricht sich jede Religionsführung selbst zu. Als selbst ernannte höchste Instanz definiert sie, was gut und böse ist. Mit den Folgen von Verfehlungen schürt sie Ängste und erfindet schlimmste abstrakte Strafen, die sie göttlich nennt, für Zuwiderhandlungen. Als Verfehlungen gelten bereits zweifelnde Gedanken. So will man das freie Handeln und Denken beherrschen. Das Volkslied "Die Gedanken sind frei" ist nicht kirchlichen Ursprungs, es deutet auf den tiefen inneren Wunsch hin, sich von geistigen Einschränkungen zu befreien.
Durchsetzung
Besonders die christliche Kirche setzt ihre ureigenen Machtinteressen mit härtester Brutalität durch. Wer sich auflehnt und in Ungnade fällt, wird selbst heutzutage vernichtet, jahrhundertelang sogar grausam hingerichtet.
Ein modernes Beispiel dafür ist der Umgang der Kirche mit dem Schweizer Philosophen und Theologen Prof. Dr. Hans Küng. Ihm wurde 1979 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil unter Papst Johannes XXIII. die Lehrbefugnis samt Lehrstuhl entzogen, weil er unter anderem die Unfehlbarkeit des Papstes infrage stellte. Im Gegensatz dazu erfuhr Hans Küng zusammen mit Richard von Weizsäcker höchste Anerkennung, als er von UN-Generalsekretär Kofi Annan 2001 in die Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten berufen, die für die Vereinten Nationen das Manifest "Crossing the Divide. Dialogue among Civilizations" (deutscher Titel "Brücken in die Zukunft") verfassten.
Ein weiteres Beispiel dafür ist der Umgang der Kirche mit der katholischen Theologin Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann. Sie vertritt, neben anderen grundsätzlichen Themen, die Meinung, dass die Jungfrauengeburt ein rein wörtliches Missverständnis ist und nicht biologisch gemeint ist. Daraufhin entzog ihr der Essener Bischof Franz Hengsbach am 15. Juni 1987 die Lehrbefugnis für katholische Theologie.
Natürlich ist wissenschaftlich gesehen die Jungfrauengeburt bei Menschen völlig unmöglich, außer sehr theoretisch bei künstlichen Befruchtungen und Kaiserschnitt. Die gab es damals aber noch nicht. Also wird eine durch keinen Sachverstand gedeckte Doktrin höher gestellt als die leicht einsehbaren biologischen Tatsachen. Im Übrigen wird im NT direkt am Anfang des Markusevangeliums Josef, Marias Mann, als Nachkomme Davids präsentiert, damit Jesus in diese Reihe hineingepasst werden kann. Offiziell war Josef aber gar nicht der biologische Vater von Jesus, wenn eine Jungfrauengeburt vorlag. So ganz konsequent ist diese Doktrin nicht durchdacht, denn logischerweise muss mindestens eine der beiden Aussagen falsch sein. Ist Josef der Vater, gab es keine Jungfrauengeburt, ist Josef nicht der Vater, gibt es keine genetische Verwandtschaftsbeziehung von Jesus zu David.
Über ihre Organe wiederholen die Kirchen stereotyp ihre Doktrin im sonntäglichen Gottesdienst und vermitteln ihrer Klientel dabei nach Jahrhunderten noch immer eine kindliche Gottesvorstellung. Formulierungen wie „Ehre sei Gott in der Höhe“ und „vom Himmel hoch“ basieren noch immer auf einem uralten Weltbild. Wo ist örtlich der Himmel der Gläubigen? Wo ist im Kosmos oben und unten?
Die deutsche Sprache hat hier einen Nachteil, weil sie für den kosmischen Himmel und den religiösen das gleiche Wort verwendet. In der englischen Sprache gibt es dafür zwei verschieden Wörter, nämlich sky und heaven. Das gestattet eher eine transzendente Denkweise und verführt nicht zur Gleichsetzung zweier verschiedener Begrifflichkeiten.
Eine grundsätzliche Frage besteht darin, warum vor einem Gott, dem nachgesagt wird, er sei allwissend, gebeichtet werden muss. Die Antwort ist einleuchtend, denn die Beichte macht den Sünder zum unterwürfigen Strafwürdigen. Sie verleiht auf bequeme Weise der Kirche die Macht über den Einzelnen, denn nur sie kann, gemäß selbst ernannter Zuständigkeit,