Hans-Jürgen Setzer

Der meergrüne Tod


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wer als zweites in den Genuss der Irlandreise kommt, nicht wahr? Kommt auf die Bühne und natürlich wollen wir auch den Siegertitel noch einmal hören.“

      Das Lied klang fast noch besser als beim ersten Mal und wieder sahen sie aus wie ein Liebespaar, das professionell den Titel einstudiert hatte und täglich auf die Bühne brachte.

      Es gab einen riesigen Applaus und der Chef des Irish Pubs überreichte die Reiseunterlagen in überdimensionaler Größe an sie, die es immer noch nicht glauben konnten.

      Wieder auf ihrem Platz angekommen, wurde ihnen so langsam bewusst, dass sie nun tatsächlich einen Urlaub zusammen verbringen sollten oder mussten, dabei kannten sie sich fast gar nicht. Doch es war ja nur ein Wochenende und sie fanden sich beide wechselseitig sympathisch.

      „Ich könnte verstehen, wenn du vielleicht lieber mit deinem Freund fliegen möchtest“, sagte Leon.

      „Ich habe keinen Freund“, antwortete Sophie. „So leicht kommst du aus der Nummer nicht mehr heraus, mein Freund.“

      Das war die Antwort, die Leon erhofft hatte, sich jedoch niemals zu erträumen gewagt hätte.

      „Natürlich kannst du auch gerne mit deiner Freundin …“

      „Es gibt keine. Vielleicht sag ich besser: Es gab keine.“ Leon lächelte Sophie an.

      „Na, dann werden wir es wohl miteinander in Irland aushalten müssen, wenn du keine bessere Idee hast“, sagte sie.

      Sie verbrachten noch einige Stunden im Pub und nach ihrem Auftritt hatten sie plötzlich viele neue Freunde, die mit ihnen darauf anstoßen und mit ihnen am Tisch sitzen wollten. So kam es, dass beide noch ein wenig das Bedürfnis nach Zweisamkeit verspürten, als sie gegen 2:00 Uhr in der Nacht wieder nach draußen gingen. Sie machten einen kleinen Spaziergang in Richtung Deutsches Eck.

      „Danke für den schönen Abend, Leon.“

      „Ich danke dir. So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr“, antwortete Leon.

      Sie umarmten und küssten sich leidenschaftlich, wie ein verliebtes Paar.

      „Es wäre so schön, wenn diese Nacht nie zu Ende gehen würde“, sagte Sophie.

      „Warum? Es gibt doch auch schöne Tage, oder?“

      „Ja, ich habe nur Angst, wenn ich die Augen aufmache, war vielleicht alles nur ein Traum.“ Sophie schaute Leon ganz tief in die Augen.

      „Meinst du etwa, wenn du wieder nüchterner bist, willst du mich immer noch um dich haben?“ Leon umarmte Sophie erneut.

      „Könnte ich mir gut vorstellen. Du nicht?“, fragte sie.

      „Doch, im Moment kann ich mir das sogar sehr gut vorstellen.“ Leon glaubte nicht, dass er das gerade gesagt haben sollte. Er hatte seine eigenen Worte allerdings laut und deutlich gehört.

      „Komm, wir gehen zu mir. Dann bin ich sicher, wenn ich aufwache, wirklich in deinen Armen zu liegen, jedenfalls, wenn ich die Tür zuschließe.“ Sophie nahm ihn an der Hand und zog ihn durch die Straße.

      „Bist du sicher, dass du es morgen früh nicht bereust? Ein klein wenig älter bin ich ja schon.“

      „Reifer, vielleicht. Und ein Wein oder ein Käse werden ja auch besser, wenn sie reifer sind.“ Sophie schmunzelte.

      Sie gingen zu Sophies Wohnung, nahmen gemeinsam ein Schaumbad, verwöhnten sich dabei mit Einseifen, Massage und hinterher noch einer gegenseitigen Ölmassage. Erst gegen Morgen, um 4:00 Uhr, schliefen sie erschöpft ein.

      Sie frühstückten gemeinsam und Leon brach gegen 9:00 Uhr zur Redaktion auf. „Ich würde dich gerne wiedersehen.“

      „Klar, schon vergessen, wir fliegen zusammen nach Irland.“

      Leon musste schmunzeln. „Nein, mal im Ernst. Du tust mir sooo gut.“

      „Ja, ich weiß. Du mir auch. Wir können später gerne einmal telefonieren. Hier ist meine Handynummer.“ Sophie gab Leon einen Zettel mit ihrer Nummer. Sie legte sich noch einmal hin und träumte von der vergangenen Nacht.

      Leon steckte den kleinen Notizzettel wie eine Trophäe in seine Jackentasche und fuhr gemächlich, ebenfalls von der Nacht träumend, zum Koblenzer Tageskurier.

      Pizza Funghi

      Leon tauchte heute ausnahmsweise einmal mit relativ guter Laune in der Redaktion auf. Dennoch ließen ihn vorsichtshalber alle in Ruhe, denn sie wussten ja nie, wie schnell Leons Stimmung wieder kippen würde, am frühen Morgen. Er verschaffte sich einen Überblick über seine Emails. Danach fertigte er einen kurzen Fragenkatalog an, für das Interview mit Jennifer Koch, beim Italiener. In Gedanken ließ er noch einmal die Begegnung mit Julian, dem Sohn von Jennifer, Revue passieren. Welchen Julian mochte er da wohl kennengelernt haben, den mit oder den ohne Drogen? Hierüber galt es mehr herauszufinden.

      „Na, Herr Kollege, waren wir heute nicht so lange im Bett?“, klang es vom Nachbarschreibtisch.

      „Oh nein, die Sportredaktion ist schon wieder auf Nervtour“, antwortete Leon.

      „Hast du deinen Geheimauftrag bis in die Nacht ausgeführt? Du siehst aus, als hättest du gar nicht geschlafen“, sagte der Sportreporter.

      „Volltreffer. Ich habe nach langer Zeit mal wieder Koblenz unsicher gemacht. Zudem hat ein echter Reporter niemals frei, ausgenommen vielleicht der Sportredakteur, der hat außer samstags immer Feierabend.“ Er lächelte bei diesen Worten, denn sie weckten erneut die Erinnerungen an Sophie und die herrliche Nacht. Und von dem Geheimauftrag musste erst einmal gar niemand etwas mitkriegen.

      „So, ich muss noch mal los. Außendienst.“ Leon war froh, sich wieder aus diesem Großraumbüro verkrümeln zu können. Büroarbeit war einfach nicht sein Ding.

      Er wollte sich die schriftlichen Unterlagen der Polizei ein wenig näher anschauen und dafür könnte er sich ja auch ein schöneres Plätzchen aussuchen. Er fuhr in ein Café in der Altstadt und blätterte die Aufklärungsmaterialien durch. Sie enthielten für ihn leider nichts wesentlich Neues. Es schien allerdings langsam an der Zeit, die Pizzeria aufzusuchen, in der er mit Jennifer Koch um 12:00 Uhr verabredet war.

      „Hallo, Herr Walters, schön, Sie wiederzusehen.“

      „Oh, Frau Koch, Sie sind bereits da. Die Freude ist ganz meinerseits. Warten Sie schon länger?“

      „Nein, ich bin vor zwei Minuten gekommen. Sie müssen bitte entschuldigen, wie sich mein Sohn beim letzten Mal benommen hat. Das ist mir nach wie vor wirklich sehr unangenehm.“

      „Machen Sie sich darüber nicht zu viele Gedanken. Jeder hat einmal einen schlechten Tag.“

      „Ja, wenn es nur das wäre …“ Jennifer Koch brach in Tränen aus. Leon suchte nach einem Taschentuch.

      „Lassen Sie mal, ich habe eines. Danke.“

      Sie bestellten etwas zu essen und zu trinken und Leon begann mit den ersten Fragen.

      „Stehen geblieben waren wir beim letzten Mal an dem Punkt, ob es Julian mit dem Medikament spürbar besser gegangen war.“ Leon schaute fragend zu Jennifer.

      „Ja, genau. Also, die Lehrer waren schon zufriedener mit seinem Verhalten in der Schule, quasi der Handhabbarkeit von Julian und gaben mir das einige Male als Rückmeldung zu verstehen. Julian wirkte konzentrierter und ausgeglichener, die Schulleistungen wurden allerdings höchstens minimal besser. Einige aus einer Selbsthilfeorganisation sagten zu mir, man könne mit dem Medikament aus einem Volkswagen auch keinen Porsche machen. Es sei schließlich keine Intelligenzpille.“

      „Okay, aber gewisse positive Veränderungen waren für Sie wahrnehmbar?“, fragte Leon.

      „Ja, das kann ich bestätigen.“

      „Was sagte Julian selbst zur Medikation?“, fragte er.

      „Das ist schade, dass er Ihnen das nicht selbst erzählen wollte.