Michael Wache

CONTENT ohne EIGENTUM


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etc.) benötigt. Auch die Eigentumsrechte an diesen Ressourcen muss der Eigentümer des Produktionsprozesses besitzen, er braucht allerdings nicht das ganze Bündel der Eigentumsrechte, sondern nur ein ganz bestimmtes Recht daraus – das sogenannte Fruchtziehungsrecht (usus fructus). Das ist das Recht, die ökonomischen Erträge, die mit der Nutzung der betreffenden Ressource generiert werden, zu behalten. Der Begriff Fruchtziehungsrecht wird in der deutschen Rechtssprache üblicherweise nur bei Pacht- und Mietverträgen verwendet. Diese Rechtsbeziehung gibt es jedoch bei allen am Produktionsprozess beteiligten Ressourcen. Ich werde für diese Komponente von Eigentumsrechten den Begriff Ertragsrecht verwenden. Dieser Begriff ist meines Wissens weder in der juristischen noch in der wirtschaftswissenschaftlichen Fachsprache fest besetzt. Im kapitalistischen Wirtschafts- und Rechtssystem kann man die Ertragsrechte an den einzelnen Ressourcen durch unterschiedliche Vertragsbeziehungen erwerben:

       – Arbeitsleistungen (Festanstellung, Honorar-, Dienst- oder Werkvertrag),

       – Grund und Boden (kaufen, pachten),

       – Produktions- und Büroräume (kaufen, mieten),

       – technische Geräte (kaufen, mieten, leasen),

       – Arbeits- und Hilfsmaterialien (kaufen),

       – Dienstleistungen (kaufen).

      Für neu produzierte Güter lautet das dritte Grundgesetz des Eigentums also: Im Prozess der Produktion eines Guts erfolgt ein Rechtetransfer von den Produktionsressourcen an das Produkt. Die Ertragsrechte an den personellen, stofflichen und geistigen Ressourcen des Produktionsprozesses werden an das neu geschaffene Gut transferiert (= vererbt). Die Summe der Ertragsrechte an allen in der Produktion eingesetzten (wertschöpfenden) materiellen und personellen Ressourcen begründet das Eigentumsrecht an den neu geschaffenen Gütern. Ausschlaggebend sind immer die Ertragsrechte an den beiden wichtigsten Produktionsressourcen – Arbeitsleistungen und Produktionsmittel. Die Summe der Ertragsrechte an den Produktionsressourcen konstituiert die erste Eigentumsbeziehung neu geschaffener Güter. Je nach Art des neu produzierten Guts umfasst diese Eigentumsbeziehung unterschiedliche Teilrechte.

      (Erst-)Eigentümer eines neu geschaffenen Guts ist/sind der/die Akteur/e, der/die die Ertragsrechte an allen wertschöpfenden Ressourcen des Produktionsprozesses hat/haben.

      Dieser Wirkungszusammenhang des dritten Grundgesetzes besteht unabhängig davon, auf welche Weise der/die Gesamteigentümer des Produktionsprozesses die Ertragsrechte an den Produktionsressourcen, insbesondere an den beiden wichtigsten – Arbeitsleistungen und Produktionsmittel – erlangt hat/haben. In der Geschichte der Menschheit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen, mittels derer der Gesamteigentümer der jeweiligen Güterproduktion diese Ertragsrechte erlangen kann, bspw. durch ökonomische Tauschhandlungen (s. o.), aber auch mittels politischer oder/und rechtlicher Machtakte verschiedenster Art.

      Aufgrund des Vererbungsprinzips ist dem Eigentumsrecht an neu geschaffenen Gütern eine elementare soziale Gerechtigkeit ureigen. Das Erst-Eigentumsrecht schließt die Nichteigentümer nämlich von der Verfügungsgewalt über ein Gut aus, das es allein deshalb gibt, weil es der Eigentümer des Produktionsprozesses mit „seinen“ Ressourcen geschaffen hat. Den Nichteigentümern wird nichts weggenommen, das ihnen vorher gehörte, sondern sie werden von der Verfügungsgewalt über ein Gut ausgeschlossen, das allein deshalb existiert, weil es der Eigentümer des Produktionsprozesses mit seinen Ressourcen geschaffen hat. Die Nichteigentümer sind also nicht schlechter gestellt als vorher, als es dieses Gut noch nicht gab. Auf diese Weise erhalten Eigentumsbeziehungen bei ihrer Geburt die Weihe sozialer Gerechtigkeit. Diese ureigene soziale Gerechtigkeit ist einer der Gründe, warum Nichteigentümer in der stofflichen Welt ihr Ausgeschlossen-Sein von der Verfügungsgewalt über ein Gut im Regelfall als normal erachten und mit Verständnis akzeptieren und respektieren.

      Das Vererbungsprinzip erklärt auch, warum die Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln in der Offlinewelt so großes Herrschaftspotenzial für die gesamte Gesellschaftsorganisation haben. Die Produktionsmittel sind in der Offlinewelt nämlich im Regelfall die teuerste Ressource des Produktionsprozesses. Der Eigentümer dieser Ressource ist deshalb Eigentümer des gesamten Produktions- und Wertschöpfungsprozesses und damit Eigentümer der neu produzierten Güter. Mit den neu produzierten Gütern hat der Eigentümer der Produktionsmittel die Verfügungsgewalt über die essenzielle Lebensbasis der Reproduktion sozialer Systeme.

      Es ist eine Binsenweisheit der Marktwirtschaft, dass nicht die Arbeitnehmer, die die Arbeit in der Produktion leisten, Eigentümer der neu geschaffenen Güter sind, sondern ihr Arbeitgeber. Gleichwohl ist die Maxime „Arbeit schafft Eigentum“ ein Gemeinplatz des Alltagsbewusstseins. Für die unerschütterliche Plausibilität dieser Fehlwahrnehmung gibt es meines Erachtens zwei Erklärungsgründe:

      1) Für Güterproduktionen im Privat- und Freizeitbereich trifft diese Maxime zu. Freizeitproduzenten sind üblicherweise Eigentümer aller Ressourcen des Produktionsprozesses – sie sind Eigentümer sowohl ihrer eigenen Arbeitsleistung als auch der Arbeitsmaterialien und Arbeitsmittel. Deshalb sind sie zu Recht Eigentümer der von ihnen hergestellten Güter.

      2) Die Maxime „Arbeit schafft Eigentum“ gilt auch für den Arbeitsmarkt. Die meisten Menschen arbeiten, um private Eigentumsgüter zu erwerben. Als Bezahlung für ihre Arbeitsleistungen oder für Produkte, die sie mit ihrer Arbeit geschaffen haben, erhalten sie monetäres Eigentum, mit dem sie Eigentumsgüter aller Art erwerben können.

      Die Semantik der Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertauscht die tatsächlichen Handlungen beider Akteure, denn der Arbeiter/Angestellte gibt dem Unternehmer seine Arbeitsleistung und der Unternehmer nimmt die Arbeitsleistung vom Arbeiter/Angestellten.

      „Damit ihr Besitzer sie als Ware verkaufe, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sei. Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und treten in Verhältnis zueinander als ebenbürtige Warenbesitzer, nur dadurch unterschieden, daß der eine Käufer, der andere Verkäufer, beide also juristisch gleiche Personen sind.“ (

MEW 23, S. 182)

      Die Bezahlung der Arbeitsleistung durch den Unternehmer vollzieht einen reziproken Wechsel der Eigentumsrechte. Der Verkäufer der Arbeitsleistung erhält die Eigentumsrechte am monetären Gut (Geld) des Unternehmers und der Unternehmer erhält die Eigentumsrechte (Ertragsrechte) am Ergebnis der Arbeitsleistung. Die Person, welche die körperliche und oder geistige Arbeit im Produktionsprozess leistet, ist nur in den Fällen Eigentümer des neu geschaffenen Guts, in denen sie auch die Ertragsrechte an den Produktionsmitteln des Produktionsprozesses besitzt.

      Die weit verbreitete Annahme, dass Eigentumsrechte an neu produzierten Gütern durch die geleistete Arbeit konstituiert werden, greift in zweifacher Hinsicht zu kurz: Zum einen wird hier nur der einfache Arbeitsprozess reflektiert, in dem ein einzelner Mensch allein mit seiner Arbeitskraft ein neues Gut produziert. Alle anderen Ressourcen des (wertschöpfenden) Produktionsprozesses (Boden, Arbeitsmaterialien, Werkzeuge, Arbeitsräume etc.) bleiben außer Betracht. Zum anderen wird der Blick auf (stoffliches) Privateigentum verkürzt. Alle Formen des Gemeineigentums passen nicht in das Modell der Arbeitstheorie.

      Diese Schwächen sind indes nicht dem Vater der Arbeitstheorie John Locke anzulasten, sondern gehen auf das Konto derer, die in Lockes Argumentation etwas hineininterpretiert haben, was Locke nie beanspruchte: eine universalgültige Begründung der Konstituierung von Eigentumsrechten. Dieser Vorwurf gilt für seine Anhänger und Kritiker gleichermaßen. Locke ging es allein darum zu erklären, wie in einer Gesellschaft, in der Gott den Menschen die Naturressourcen als Gemeineigentum gegeben hatte, legitime private Eigentumsrechte an stofflichen Gütern entstehen konnten.

      Die Genialität von Lockes Argumentation wird nur sichtbar, wenn man seine Gedankengänge über den Zusammenhang von Arbeit und Eigentum im Koordinatensystem der drei Grundgesetze des Eigentums verortet. In diesem