Michael Wache

CONTENT ohne EIGENTUM


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Kommunikation und Zeichen,

       – zweigeschlechtliche Sexualität – biotische Fortpflanzung durch zweigeschlechtliche Paarung ist aufgrund der Kombination der Erbinformationen gegen Schäden des Erbguts weitaus resistenter als eingeschlechtliche Fortpflanzung durch Jungfernzeugung (Parthenogenese),

       – räumliche Mobilität,

       – Eigentumsbeziehungen.

      Indem die Mitglieder biosozialer Systeme diese Instrumente in ihrem Verhalten/Handeln umsetzen, ermöglichen sie die erfolgreiche Reproduktion sozialer Systeme. Die genannten Instrumente sind also gleichermaßen Ergebnisse und Voraussetzungen der Reproduktion sozialer Systeme. Eigentumsbeziehungen sind evolutionsgeschichtlich das späteste (jüngste) dieser Instrumente.

      Dass Eigentumsbeziehungen die Produktion und Distribution von Gütern befördern, wird sicher einleuchten. Diese Funktionen werden in vielen Eigentumstheorien, insbesondere in Begründungen geistiger Eigentumsrechte hervorgehoben. Dass auch die Konfliktvermeidung eine universelle Funktion von Eigentumsbeziehungen ist, mag auf den ersten Blick weniger evident und konsensfähig sein. Doch wer Zweifel an dieser Annahme hat, sollte einmal versuchen, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der der Umgang mit Gütern nicht durch Eigentumsbeziehungen reglementiert ist. Ohne Rücksicht auf andere könnte und würde dann jeder hemmungslos mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, der Güter habhaft zu werden, nach denen ihm gerade gelüstet. Eine solche Gesellschaft befände sich in einem Zustand, für den Emile Durkheim den Begriff ‚Anomie‘ prägte:

      „Er bezeichnet eine Gesellschaft, in der die Solidarität verloren gegangen ist, die deshalb auseinanderfällt und in Unordnung versinkt. […] Als Ursache nennt er den Egoismus der einzelnen, welche die anderen und das Ganze aus dem Auge verlieren und nur noch den eigenen Nutzen verfolgen“ (

Raiser 2009: Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 63).

      Alle konkreten Funktionen, die Eigentumsbeziehungen im Organisationsgefüge von Gesellschaften und für die Lebensgestaltung menschlicher Individuen hatten und haben, lassen sich auf die o. g. drei Funktionen zurückführen bzw. aus ihnen ableiten. Die Antwort auf die Frage „Wozu gab und gibt es Eigentum?“ lautet demnach: Eigentumsbeziehungen gab und gibt es, weil sie die o. g. drei Funktionen in der Reproduktion sozialer Systeme erfüllen. Das kodifizierte Eigentumsrecht zur normativen Regelung von Eigentumsbeziehungen (Rechtswissenschaftler nennen das das „positive Recht“) ist der sozialen Funktion von Eigentumsbeziehungen historisch und begründungslogisch nachgeordnet. Hier gibt es keine Henne-Ei-Unklarheit: Soziale Eigentumsbeziehungen waren zuerst da. Eigentumsbeziehungen gab es, lange bevor Menschen den Umgang mit Gütern in Gesetzen regelten.

      Auch wenn sich das in der Binnenperspektive von Eigentümern anders darstellt: Eigentumsbeziehungen sollen nicht primär den Eigentümern, sondern dem Funktionieren des sozialen Systems dienen. Ihre ursprüngliche und eigentliche Funktion ist es, die Produktion, Distribution und Nutzung von Gütern in sozialen Systemen zu fördern und konfliktfrei zu organisieren. Diese Systemfunktion kommt übrigens in der deutschen Verfassung klar zum Ausdruck: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland)

      1.3 Drittes Grundgesetz: Wer ist der erste Eigentümer eines Guts?

      Alle Güter, die von Menschen als Eigentumsgüter betrachtet und behandelt werden, haben eine Geschichte ihrer Entstehung, ihrer Nutzungen und ihrer Eigentumsbeziehungen. Letztere kann unterschiedlich bewegt sein. Manche Güter haben in ihrem Leben nur einen einzigen Eigentümer. Das gilt für alle Güter, die von demselben Menschen produziert und genutzt werden, wie die Tomaten, die ein Kleingärtner anbaut und selbst verspeist und das Kleid, das sich eine Frau selbst genäht hat. Bei anderen Gütern wechseln die Eigentümer in kürzester Zeit unzählige Male, zum Beispiel Nahrungsmittel, die in Warentermingeschäften gehandelt werden. „Globale Agrarprodukte wie Weizen, Reis, Sojabohnen oder Kaffee werden lange vor ihrer Ernte an den Terminbörsen gehandelt und noch während des Transports immer wieder hin und her verkauft. Bevor das Pfund Kaffee in unserer Küche landet, hat es unter Umständen 500 Mal den Besitzer gewechselt.“ (

Simon 2011: Früher hieß das Kolonialismus, vgl. dazu auch
Foodwatch-Report 2011: Die Hungermacher)

      So unterschiedlich die Geschichten der Eigentumsgüter sind – alle haben irgendwann angefangen. Auf diesen Anfang, den Akt der sozialen Geburt von Eigentumsrechten an stofflichen und geistigen Gütern, richtet das dritte Grundgesetz des Eigentums den Blick. Wie wird ein Gut zu einem Eigentumsgut? Wie werden Eigentumsbeziehungen ursprünglich konstituiert? Wer hat warum das zeitlich erste Eigentumsrecht an einem Gut? Wer ist der erste Eigentümer eines Guts?

      Für geistige Eigentumsbeziehungen ist diese Frage zentral. Ihre Beantwortung ist das Fundament geistiger Eigentumsbeziehungen. Bei Eigentumsbeziehungen zu stofflichen Gütern hingegen spielt diese Frage im Alltag moderner Gesellschaften keine Rolle. Der erste Grund dafür ist, dass wir es in unserer Lebenswelt höchst selten mit Gütern zu tun haben, die noch keine Eigentumsbeziehung haben. Durch Kauf, Schenkung oder Vererbung bekommen stoffliche Güter zwar ständig neue Eigentümer, durch diese Handlungen werden Eigentumsrechte jedoch nicht erstmalig konstituiert, sondern nur bestehende Eigentumsrechte an andere Personen übertragen. Der zweite Grund, warum diese Frage bei stofflichen Gütern nicht gestellt wird, ist die Tatsache, dass die Ersteigentümerrechte bei stofflichen Gütern in unserer Gesellschaft so klar geregelt sind, dass darüber in der Praxis niemand mehr nachdenkt. Niemand stellt infrage, dass der Eigentümer einer Fabrik Eigentümer der Produkte ist, die in seiner Fabrik hergestellt werden. Niemand bezweifelt, dass der Kleingärtner Eigentümer der Kartoffeln ist, die er in seinem Garten anbaut, und der Eier, die seine Hühner legen. Niemand bezweifelt, dass ich Eigentümer der Pilze bin, die ich in einem öffentlichen Wald gesammelt habe.

      In der Geschichte der Eigentumstheorien finden wir auf die Frage, wie Menschen Erst-Eigentumsrechte an Gütern erwerben, zwei Antworten: durch Okkupation (Besitznahme) oder durch Arbeit (vgl. dazu u. a.

Brocker 1992: Arbeit und Eigentum). Der Erklärungsanspruch beider Theorien fokussiert auf die Konstituierung privaten Sacheigentums. Wir hingegen suchen nach einer Antwort, die für alle Arten des Eigentums gültig ist – für Privateigentum und Gemeineigentum, für stoffliches und geistiges Eigentum, für Eigentum an Produktionsmitteln und für Eigentum an privaten Konsumtionsmitteln.

      Antwort 1: Okkupation konstituiert qua Konvention Eigentumsrecht. Eigentümer eines in der Natur vorhandenen Guts, das noch keinen Eigentümer hat, ist der Mensch, der als erster Anspruch auf das betreffende Gut erhebt. Diese von der Antike bis ins 17. Jahrhundert in verschiedenen Varianten vertretene „Okkupationstheorie“ gilt seit Langem als vollständig widerlegt. Prominentester Verfechter dieser Theorie war der englische Universalgelehrte Thomas Hobbes (1588–1679).

      Antwort 2: Arbeit konstituiert von Natur aus Eigentumsrecht. Das Individuum, das mit seiner Arbeitsleistung ein neues Gut produziert hat, ist qua Naturrecht dessen Erst-Eigentümer. Dieser Eigentumsanspruch auf das Ergebnis eigener Arbeit wurde in der Geschichte der Eigentumstheorien erstmalig vom englischen Philosophen John Locke (1632–1704) behauptet und firmiert seither unter dem Label „Arbeitstheorie“. Obwohl auch dieser Ansatz klare Schwachpunkte