Jean-Pierre Kermanchec

Douarnenez und das Geheimnis der Sardine


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bereit war. Sein Plan war einfach und genial. Er wollte mit diesem Kapitän ohne große Investitionen ins Transportgeschäft einsteigen. Im Hafen von Tunis lag zurzeit ein Frachter, der keine Aufträge hatte und langsam vor sich hin rostete. Der Besitzer, ein Libanese, war für 10.000 $ pro Monat sofort zur Vermietung des Schiffes bereit. Diesen Mietpreis hätten sie bereits durch den Transport von zwei Person raus, und in Tunesien und Marokko gab es Tausende, die unbedingt über das Mittelmeer nach Europa wollten. Sie würden mit dem Frachter, der unter der Flagge von Malta fuhr, pro Fahrt mehr als dreihundert Passagiere an Bord nehmen können. Sie würden nicht ans Mittelmeer nach Frankreich fahren, sondern an die bretonische Küste, die war weniger überwacht als die Küste des Mittelmeers. Vor der Küste würden sie die Fracht in kleinere Boote, zum Beispiel in Rettungsboote, umladen und die Passagiere an Land bringen. Bei 300 Passagieren kämen sie auf Einnahmen von 1,5 Millionen Euro. Nach Abzug aller Kosten blieben mindestens 1.000.000 übrig.

      Emile konnte Yves Le Meur überzeugen, dass das Geschäft sehr lukrativ und nahezu ohne Risiko war. Yves Le Meur gefiel die Rechnung ausgesprochen gut. Das Unternehmen brächte erheblich mehr ein als seine Bar und die Mädchen, die für ihn auf der Straße anschafften. In erneuten Drogenhandel wollte er nicht sofort wieder einsteigen. Er war nicht sicher, ob die police judiciaire ihn nicht überwachte. Der Kommissar, Ewen Kerber, der ihn damals geschnappt hatte, hatte sich zwar aufs Altenteil zurückgezogen, so war er unterrichtet worden, aber vielleicht hatte er seinen Nachfolger entsprechend instruiert. Yves Le Meur war vorsichtig genug, heikle Arbeiten nicht selbst auszuführen. Sein Mann fürs Grobe, Mike Ngoya, stammte aus Vietnam und war kräftig und robust. Auf Mike konnte er sich verlassen.

      Inzwischen waren bereits zwei Fahrten mit dem Schiff gelaufen. Emile Collignon hatte nicht zu viel versprochen. Schon nach der ersten Fahrt hatten sie 1,2 Millionen eingenommen. Die Kosten für die kleine Mannschaft und das Dieselöl, der Frachter gehörte nicht zu den sparsamsten, für die Miete und diverse Bestechungsgelder waren deutlich geringer als sie ursprünglich gerechnet hatten. Das Geschäft war so lukrativ, dass Le Meur sich sogar überlegte, aus seinen anderen Geschäften auszusteigen und sich nur noch auf das Transportwesen zu konzentrieren. Auch ein zweites Schiff zu mieten wäre eine Idee. Sein einziges Problem bestand darin, zuverlässige Leute zu finden, die nicht in die eigene Tasche wirtschafteten und vertrauenswürdig waren. Auf Emile und Mike Ngoya konnte er sich verlassen. Vielleicht wäre Mike für eine solche Stelle passend. Dann fehlte noch ein weiterer korrupter Kapitän, wie der, den Emile in Tunesien aufgetrieben hatte. Eine zweite Mannschaft zusammenzustellen war kein Problem. Es gab genügend Vietnamesen, Chinesen oder Kroaten und Russen, die zu jedem Job bereit waren, wenn die Bezahlung stimmte.

      Seitdem Le Meur ins Frachtgeschäft eingestiegen war, verfolgte er die Nachrichten aufmerksam. Die unzähligen ertrunkenen Flüchtlinge wären besser mit ihnen gereist. Er kam sich beinahe wie ein Wohltäter vor, wenn er die Bilder der ertrunkenen, halb erfrorenen, schikanierten und ausgelaugten Menschen auf dem Bildschirm sah. Da hatten es seine Kunden deutlich besser. Er sorgte dafür, dass sie sicher nach Frankreich kamen und dort Asyl beantragen konnten. Er machte sich natürlich keine Gedanken darüber, wie es den Menschen erging, nachdem sie an einem einsam gelegenen Strand in der Bretagne abgesetzt worden waren. Das gehörte nicht mehr zu seinem Transportauftrag, redete er sich ein und grübelte nicht weiter darüber nach.

      Yves Le Meur griff zum Handy und wählte Emiles Nummer.

      „Wie weit seid ihr mit dem Entladen der Fracht?“, fragte er betont sachlich.

      „Noch zwei Fahrten, dann haben wir alle an Land gebracht. Unsere Boote fassen höchstens 25 Personen.“

      „Wie viele waren diesmal an Bord?“

      „Etwas weniger als bei der ersten Fahrt, 330 konnten die Gebühr bezahlen.“

      „Okay, wir können die Anzahl der Überfahrten ja entsprechend anpassen. Du läufst nur aus Afrika aus, wenn wir mindestens 300 zahlungsfähige Passagiere haben.“

      „Geht klar, Boss. Hast du schon etwas wegen der Zuschauer unternommen?“

      „Mike Ngoya kümmert sich bereits darum. Das ist bis Morgen gelöst.“

      „Gut, Boss, ich melde mich, sobald wir hier fertig sind und wieder zurückfahren können. Wir müssen vorher noch Diesel bunkern.“

      Yves Le Meur legte auf. Der Transport hatte ihm wieder mindestens eine Million eingebracht. Noch ein paar Fahrten und er könnte sich auf seinen Ruhestand vorbereiten. Davon hatte er eine klare Vorstellung. Er würde sich eine Villa in der Nähe von Antibes kaufen, eine Motoryacht anschaffen und ansonsten möglichst faul am Pool oder Strand liegen. Die schönen Mädchen und er würden sich gegenseitig verwöhnen. Gutes Essen und Trinken gehörte auch zu seinem Lebensabend. Ja, so stellte er sich seinen Rückzug aus dem Berufsleben vor. In eine Strafanstalt ginge er auf keinen Fall zurück. Der Aufenthalt in Brest hatte gereicht, trotz aller Privilegien, die er durch sein Geld genossen hatte. Diese Lebenszeit hatte dieser Ewen Kerber ihm gestohlen. Sollte er ihm das eines Tages heimzahlen? Er war sich über diese Entscheidung noch nicht im Klaren.

      Kapitel 8

      Mike Ngoya hatte den Besitzer des Bootes Le Bras I, mit der Kennung DZ für Douarnenez, nach einer guten Stunde herausgefunden. Auch den Liegeplatz hatte er gefunden. Jetzt musste er nur noch auf das Eintreffen des Bootes warten. Die beiden Segler hätten keine Zeit mehr, jemandem von ihren Erlebnissen zu erzählen, sie würden einfach von der Bildfläche verschwinden. Mike saß in seinem Van mit den abgedunkelten Scheiben und starrte auf die Hafeneinfahrt. Der Liegeplatz ihres Bootes lag am hinteren Ende des Hafens.

      Die Flut näherte sich langsam dem Höhepunkt, so dass Ngoya nicht mehr lange auf die Männer der Le Bras I warten müsste. Er stand noch keine Stunde am Pier als er die Segelyacht ausmachte, die langsam mit Motorkraft ihren Liegeplatz ansteuerte. Geduldig ließ er die Männer das Boot festmachen und über die Pontons zum Kai kommen. Dann stieg er aus, öffnete die seitliche Schiebetür und vergewisserte sich, dass ihm niemand Beachtung schenkte. Die beiden Männer kamen direkt auf den Van zu. Er griff nach seiner Pistole mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer.

      „Los ins Auto, aber dalli!“, rief er den verdutzten Männern zu. Marc Le Bras sah ihn entgeistert an und blickte in die Mündung der Pistole. Hervé Floc´h wusste nicht was da geschah und wollte einfach weitergehen.

      „Bist du lebensmüde? Rein in den Wagen habe ich gesagt“, donnerte Mike Ngoya ihm entgegen.

      Jetzt erst verstand Hervé, dass es dem Typen verdammt ernst war. Er folgte seinem Freund Marc. Ngoya stieg nach den beiden ins Fahrzeug, schloss die Tür und befahl.

      „Setzen! Und die Hände auf den Rücken!“ Sie folgten dem Befehl. Er legte ihnen Kabelbinder um die Hände und zog fest zu. Dann band er sie mit einem Seil an den Gepäckösen auf dem Boden des Fahrzeugs fest.

      „Wenn ich unterwegs nur einen Ton höre, könnt ihr euer Testament machen, denn danach bleibt euch keine Zeit mehr dafür!“ Er stieg wieder aus, schloss die Seitentür, ging zum Fahrersitz und fuhr los.

      „Was will der Typ von uns?“, flüsterte Marc.

      „Ich habe keine Ahnung! Ich kann mir vorstellen, dass es sich um den Frachter handelt und um den Menschenschmuggel. Bestimmt haben die gesehen, dass wir sie beobachtet haben. Diese Schleuser sind brutale Charaktere, die kennen kein Pardon“, antwortete Hervé ebenfalls flüsternd.

      „Aber wie sind die so schnell auf uns gekommen?“

      „So wie wir an sie kommen wollten, über den Namen des Schiffs.“

      „Und was hat der jetzt mit uns vor?“

      „Keine Ahnung! Vielleicht uns umbringen?“

      „Wir müssen hier rauskommen“, meinte Marc verzweifelt und zog an dem Seil, mit dem er am Fahrzeugboden befestigt war.

      „Das können wir vergessen“, zischte Hervé. „Wir können das Seil oder diese blöden Kabelbinder nicht durchtrennen.“

      „Doch,