Valuta Tomas

Restart


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dieser merkwürdigen und eigentlich geschlossenen Akte nachgehen. Es interessiert sie einfach, welche Verbindung zwischen dieser Neve und Sam bestand. Sie hat so viele Fragen im Kopf, die sie aber nicht beantworten kann.

      Eden muss unbedingt wieder arbeiten gehen, denn nur so, kommt sie an die Akte und kann ihren Wissensdurst stillen. Verdammte Stahlplatte!

      Wütend über ihren körperlichen Zustand, führt sie eine Hand an den Kopf und ertastet zuerst die kurzen stoppeligen Haare und dann die Narbe. Das wäre jetzt auch eine gute Gelegenheit einen Friseur zu suchen. Jemand der diesen Haufen Mist etwas besser aussehen lässt.

      »Guck mal Daddy«, reißt eine quiekende Stimme Eden aus ihren Gedanken. Sie blickt flüchtig zum Platz und sieht einen farbigen Jungen auf den Schultern eines farbigen Berserkers sitzen. Er trägt den Jungen zum Basketballkorb, woraufhin dieser einen Ball schwungvoll und treffsicher zum Korb wirft. Ohne den Ring zu berühren, flutscht der Ball dort hindurch. Er rutscht am Netz herunter, bis er der Schwerkraft folgt und patschend über den Asphalt hüpft.

      »Das war super, Damon‼«, ruft der farbige Mann von der Bank zu dem Jungen. Die beiden Frauen neben ihm klatschen begeistert Beifall, bis die jüngere von beiden sich zum Kinderbuggy vorbeugt. Sie greift hinein und holt ein farbiges Kind raus. Eden schätzt das Kind auf zwei Jahre. Plus / Minus ein halbes Jahr.

      Mit vorsichtigen Bewegungen hebt die Frau das Kind hoch und lächelt sie voller Stolz an.

      Eden tritt unauffällig näher an den Zaun und lauscht der Stimme der Frau, die freudig mit dem Kind spricht. Zuerst versteht sie nur kleine Fetzen, bis die Sätze deutlicher werden.

      »Es ist ein absolutes Wunder, dass die Kleine diesen Kugelhagel tatsächlich überlebt hat. Neves Körper war ja vollständig durchsiebt«, haucht sie offensichtlich Gedankenverloren. Sie blickt in das kleine Gesicht des farbigen Mädchens, das über ihrem Kopf schwebt und sie quiekend anlächelt. Das Kind schaut die Frau mit großen braunen Augen neugierig an und grinst bis zu den Ohren.

      »Ja, sie hat da schon bewiesen, dass sie ganz nach ihrer Mutter kommt. Eine kleine Kämpfernatur, die nicht so leicht aufgibt, nur weil es mal ein klein wenig eng wird«, bestätigt die farbige Frau neben ihr die Aussage und blickt ebenfalls zu dem Kind.

      »Das hast du echt super gemacht, kleine Precious!« Sie streckt eine Hand nach dem Kind aus, um ihr über den Kopf zu streicheln.

      Wie erstarrt blickt Eden zu dem Kind. Ungewollt muss sie schwer schlucken. Das stand nicht in der Akte. Dass diese Neve schwanger war, als sie erschossen wurde. Achtzehn Kugel hat ihr Körper empfangen und aus diesem Gemetzel haben die Ärzte tatsächlich noch ein lebendes Kind herausgeholt?? Das grenzt an ein Wunder! Das ist doch kaum möglich! Wie hat das Kind das nur gemacht? Ist sie in der Gebärmutter zwischen den Kugeln hin und her geflitzt? Wie kann ein Kind so einen Kugelhagel nur überleben?

      Eden schluckt und wirft ihren Blick zu den Frauen zurück. Ok, dieses Kind gehört dieser getöteten Neve, aber was haben die beiden Damen damit zu tun?? Offensichtlich kannten sie Neve und standen ihr recht nahe. Warum sollten sie sich sonst um ihr Kind kümmern? Vor allem, wie erklären sie dieser Precious später, wo ihre leibliche Mutter ist? Sie wird sie niemals kennenlernen. Sie wird sie niemals in die Arme nehmen können, um ihr zu sagen, dass sie sie lieb hat. Sie wird niemals den Duft ihrer Mutter einatmen können. Niemals wird sie von ihr abends ins Bett gebracht. Niemals wird sie ihr ihre Wunden versorgen können. Niemals werden Mutter und Tochter die schwere Zeit der Pubertät gemeinsam meistern müssen. Precious wird zwar offensichtlich mit viel Liebe und Hingabe großgezogen, aber es wird immer die leibliche Mutter fehlen. Etwas was niemals ersetzt werden kann. Wie kann man als Mensch auch nur so ein egoistisches Arschloch sein und eine hochschwangere Frau erschießen? Diese Neve hatte augenscheinlich einen Plan für ihr weiteres Leben. Sie wollte eine Familie gründen! Aber wollte sie auch der Kriminalität den Rücken kehren, um sich voll und ganz um ihr eigen Fleisch und Blut zu kümmern?

      Erneut schluckt Eden schwer. Erst jetzt bemerkt sie, wie ihr eine Träne die Wange entlangläuft. Was zum…? Sie nimmt sie mit einem Finger weg, schaut auf die salzige Flüssigkeit und wischt es sich mit einer flüchtigen Bewegung an der Hose ab. Was soll das? Wieso entweichen ihr Tränen, wenn sie über eine kriminelle Frau nachdenkt? Vielleicht deshalb, weil dieses Kind für immer alleine sein wird? Egal wie viele Menschen sich um sie kümmern, sie wird immer alleine sein. Denn die Liebe einer Mutter, ist das was ein Kind voll und ganz erfüllt.

      Mit einem Ruck reißt sich Eden herum, eilt zu ihrer Harley, startet sie hart und rast mit quietschenden Reifen vom Basketballplatz weg. Verdammt, diese Neve wurde mit einem Kind im Bauch erschossen und dieses wird ohne Mutter aufwachsen. Wie krank ist diese Welt eigentlich?

      Ohne einen Frisör aufgesucht zu haben, verschließt sie sich den Rest des Tages in ihrem Horrorzimmer und saugt jede einzelne Information der Akten von Neve und Sam auf. Sie durchforstet das Internet und erfährt lediglich, dass es einer der typischen Bandenkriege war. Ein Rachefeldzug der Dead Rabbits an den Five Dogs! Schon wieder diese verdammten Kaninchen!

      Bis tief in die Nacht arbeitet sich Eden durch sämtliche Informationen und stellt erstaunliche Sachen fest. Nach der Eingabe des Namens Samantha Rodriguez, spuckte ihr die Suchmaschine eine Autowerkstatt aus, die den Namen Rodriguez T.I.R. trägt. Ebenso eine Baufirma mit dem Namen Richmond & Rodriguez Immobilien. Was?? Warum bringt diese Samantha sich nach zehn Jahren Knast um, wenn sie auf freiem Fuß erfährt, dass sie zwei Firmen besitzt? Was zum Teufel hängt da nur dran? Was stimmt an dieser Geschichte nicht? Was ist da abgelaufen?

      Eden erfährt, dass dieser Richmond nach Sams Tod beide Firmen aufgekauft hat, die Firmennamen aber beibehält. Ein kluger Schachzug. Denn nach dem amerikanischen Recht, wären beide Firmen an den Staat gegangen. Das wollte dieser Michael Richmond offensichtlich verhindern. Michael Richmond, noch ein Name der in dieser merkwürdigen Verbindung steht. Noch ein Name, den sie überprüfen wird, wenn sie wieder arbeiten geht. Und das muss definitiv schnell passieren. Sie hält diesen Nervenkitzel kaum noch aus. Diese Anspannung um das fehlende Wissen, erträgt sie kaum noch. Sie muss arbeiten, verdammt.

      Fortschritt

      Wochenlang quält sich Eden zu Hause, bis sie es nicht mehr aushält. Sie ruft beim FBI an und hat einen gewissen Norton am Telefon. Dieser stellt sich als ihr Vorgesetzter vor. Ihr ist es egal, sie will endlich wieder arbeiten.

      Der gute Mann an der anderen Leitung begrüßt sie herzlich, fragt nach ihrem Wohlbefinden und ist über ihre Aussage erstaunt, dass sie ab kommenden Montag ihren Dienst wieder antreten möchte. Er versucht sie davon zu überzeugen, sich noch etwas zu erholen, aber sie lehnt vehement ab. Beide einigen sich darauf, dass Eden vorerst nicht auf der Straße agieren und die erste Zeit an ihrem Schreibtisch Akten wälzen wird. Er möchte ihr somit helfen, dass ihr Gedächtnis bezüglich ihrer Arbeit, nach und nach wiederkehrt.

      Was die Arbeit angeht, möchte sie jede einzelne Erinnerung zurückhaben, aber nicht was ihr Privatleben angeht. Bloß nicht! Der tägliche Anblick von Ryan versaut ihr schon morgens den Rest des Tages.

      Sie erklärt sich damit einverstanden, weil ihr das tatsächlich sehr gut passt. So kann sie die Akten von Neve Preston und Samantha Rodriguez sichten, ohne dass es auffällt, oder einem ihrer Kollegen merkwürdig vorkommt. Was kann ein Agent nur in alten und geschlossenen Akten suchen? Ganz einfach! Ihre Vergangenheit! Denn egal was ihr Verstand ihr sagt, ihr Herz sagt ihr, dass sie diese Akten sichten muss. Sie wird das Gefühl nicht los, dass ihr vorheriges Leben irgendetwas damit zu tun hat. Und da spielt die Tatsache, dass sie zwei Jahre ein Kaninchen war, nur eine minimale Rolle.

      Zuhause hat sie allerdings nicht so viel Glück. Ihr Vorgesetzter freut sich sie wieder in seinem Team begrüßen zu dürfen. Ryan hingegen zettelt einen regelrechten Streit an. Er möchte nicht, dass seine über alles geliebte Frau schon so früh nach der OP wieder arbeiten geht. Es sei viel zu gefährlich. Ihr Körper hätte die Stahlplatte noch nicht richtig angenommen und könnte abgestoßen werden. Ihr Gehirn könnte noch immer entzündet sein und sie könnte einen Anfall oder ähnliches erleiden, wenn sie ihren Kopf überanstrengt. Ryan bemuttert sie von vorne bis hinten und möchte sie