Schritten zum Schlafzimmer hinüber und reißt die Tür auf. Wie vermutet liegt Ryan im Bett und lässt sich fröhlich von einer Frau reiten. Er beachtet nur sie, nimmt dann aber den Blick von ihr weg und schaut zu Eden an die Tür. Sie steht da und weiß nichts mit der Situation oder dem Anblick anzufangen. Sie ist nicht wirklich wütend über dieses Bild, trotzdem passt es ihr keineswegs.
»Hallo Schatz«, trällert Ryan freudestrahlend. Eden presst ihren Kiefer zusammen, lockert diesen aber, als die Frau sich umdreht und sie dann in das Gesicht von Jill blickt.
»Hallo Schätzchen‼«, trällert sie in ihrer gewohnten und quietschenden Stimme. Dann streckt sie eine Hand nach ihr aus.
»Komm her, Schätzchen. Wir haben schon ohne dich angefangen. Ryan hatte keine Ahnung wann du nach Hause kommst«, quiekt ihre beste Freundin weiter und grinst noch immer wie ein Honigkuchenpferd.
Anstatt sich in Bewegung zu setzen, so wie Jill und Ryan es sich erhofft haben, macht Eden nur einen Schritt zur Seite und gibt den Blick auf die offenstehende Schlafzimmertür frei.
»Raus‼ Alle beide‼«, zischt sie stattdessen und bringt ihren Ehemann mit ihrem Blick um.
»Was??«, quietscht Jill lächelnd, weil ihr diese Aussage scheinbar etwas fremd vorkommt. Ryan schaut sie ebenso fragend an.
»Raus, habe ich gesagt‼«, wiederholt Eden wütend ihre Aussage.
»Aber…!« Ryan erhebt sich etwas aus seiner liegenden Haltung. Eden kann regelrecht dabei zusehen, wie unzählige Fragezeichen über seinem Kopf schwirren. Jill steigt stattdessen von ihm herunter und macht ein paar Schritte auf Eden zu.
»Was ist denn los, Schätzchen?«, trällert sie.
»Es ist doch Freitagabend und…!« Eden denkt nicht eine Sekunde nach und greift sich an den Rücken. Mit einer schnellen Bewegung zieht sie ihre Waffe aus dem Holster und richtet diese entsichert in das pervers geschminkte Gesicht von Jill.
»Ich wiederhole mich nur ungerne‼ Ihr sollt verschwinden‼ Alle beide‼«, faucht sie rasend und wandert mit der Waffe zwischen ihr und Ryan hin und her.
»Schatz…!«
»RAUS‼!«, brüllt Eden aus dem Bauch heraus. Sie spürt, wie sie vor Wut fast zu platzen droht.
Erschrocken über diese unbekannte Reaktion von ihr, wendet Jill sich leicht von ihr ab und rafft ihre Kleidung zusammen, während Ryan sich lediglich eine Shorts anzieht.
»Schatz, was soll das?? Du kennst das doch von uns. Seit Jahren…!«
»Halt die Klappe und verschwinde‼«, knurrt Eden und hält ihm ihre Waffe direkt vor das Gesicht.
Nach nicht enden wollenden fünf Minuten, hat Jill, in Begleitung von Ryan, das Haus verlassen, während Eden noch immer im Schlafzimmer steht und nicht glauben kann, welches Leben sie offensichtlich zuvor gelebt hat. Hat sie tatsächlich öfters einen Dreier mit ihrem Mann und ihrer besten Freundin gehabt? Und dann am besten noch mit dem verdammten Spielzeug, das so wundervoll im Kleiderschrank versteckt ist?? Wie konnte sie nur? Was hat sie dazu getrieben? Wie viel Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein hatte sie nur, dass sie diese Nummer mitgemacht hat? Sie kann sich nicht vorstellen, dass sie dies freiwillig gemacht hat. Vielleicht stellte sie irgendwann fest, dass Ryan scharf auf Jill war und das auf Gegenseitigkeit beruhte. Hat sie sich deswegen auf dieses Theater eingelassen? Um ihren Mann halten zu können? Lieber so eine Nummer mitmachen, als eine Scheidung ertragen zu müssen? Wie schwach war sie nur? Beim FBI verbringt sie offensichtlich halbe Weltwunder, aber sobald sie zu Hause ist, wird sie zur kleinen grauen Maus und verhält sich wie ein Kleinkind, nur um ihr liebstes Kuscheltier nicht verlieren zu müssen? Wie tief ist sie nur gesunken?
Durch das offenstehende Schlafzimmerfenster kann sie hören, wie Jill und Ryan sich draußen unterhalten. Sie kann kein Wort verstehen, sondern vernimmt nur die Stimmen. Sie will es auch nicht. Sie will nicht wissen, was die beiden besprechen. Sie will nur noch ihre Ruhe haben und die Wut in ihrem Körper zum Schweigen bringen. Sie weiß nicht auf wen sie am meisten wütend ist. Auf Ryan? Auf Jill? Auf sich?? Eden weiß es nicht. Sie will nur noch mit sich selbst klarkommen. Aber die Stimmen der beiden fressen sich wie Säure in ihre Ohren.
»Haltet doch endlich eure verdammten Klappen‼«, keift sie wütend, stürzt zum Schrank und holt von unten die Spielkiste heraus. Mit wenigen Schritten eilt sie an das Fenster und reißt es kraftvoll auf.
»Ey ihr beiden‼ Ihr habt eure Spielsachen vergessen‼«, brüllt sie über die ganze Straße, hebt die Kiste vom Boden, hält sie aus dem Fenster und kippt den Inhalt aus. Wie ein Regenschauer prasseln sämtliche Sextoys auf die beiden ahnungslosen Erwachsenen herunter. Entgeistert starren sie zu Eden hoch.
»Eden…!«, beginnt Ryan einen neuen Satz, kann diesen aber nicht beenden, weil seine Frau das Fenster mit einem lauten Knall zuschlägt.
Wütend auf sich und ihr altes Leben, stürmt sie zur Küche herunter und macht sich einen Kaffee. Als die Maschine ihren Job endlich erledigt hat, geht sie in ihr Horrorzimmer, knallt die Tür zu und bleibt wie angewurzelt stehen. Mit großen Augen starrt sie auf die beiden Kartons, die wartend auf dem Schreibtisch stehen. Neve Preston und Samantha Rodriguez. Große schwarze Buchstaben fressen sich in ihre Augen. Ungewollt muss Eden schwer schlucken, als ihr die Worte von dem alten Mann aus dem FBI Archiv ins Gedächtnis kommen.
»Ok ihr beiden‼«, schimpft sie gedämpft, schreitet mit wenigen Schritten auf den Schreibtisch zu und stellt die Tasse ab. Mit zitternden Händen, zündet sie sich eine Zigarette an, nimmt ein paar Züge und greift nach dem Deckel des obersten Kartons. Der Karton von Neve. Als wenn sie erwarten würde, dass dort eine hochgiftige Schlange herauskommen würde, nimmt sie das Stück Pappe vorsichtig hoch, schiebt es zaghaft zur Seite und blinzelt daran vorbei. Erleichtert atmet sie aus, als sie keine Schlange sieht. Wäre auch sehr ungewöhnlich, wenn so ein Reptil so lange in einem geschlossenen Karton überleben würde.
Eden sieht keine Schlange, sondern lediglich private Sachen. Ein Schlüsselbund, Portemonnaie, Zigaretten, eine Waffe und ein Holster. Darunter befindet sich ein großer durchsichtiger Plastikbeutel. Ehrfürchtig, wegen dem was sie in diesem Karton alles finden und somit erfahren wird, nimmt sie die Zigarette zwischen die Lippen, legt den Kartondeckel zur Seite und führt in Zeitlupe ihre Hand in den Karton. Erschrocken zieht sie diese plötzlich zurück. Sie hat etwas vergessen. Auch wenn die Beweise sicher nicht mehr gebraucht werden, weil der Fall abgeschlossen ist, will sie keine Fehler machen. Von daher greift sie sich in die Hosentasche und streift sich gleich darauf Handschuhe über. Ein Zug von der Zigarette und die Hand gleitet erneut in den Karton. Zuerst holt sie das uninteressanteste hervor. Die Schachtel mit dem Suchtmittel. Sie legt es beiseite und bemerkt erst nach wenigen Sekunden, dass ihre Augen auf der Schachtel kleben bleiben. Diese Neve hat dieselbe Marke geraucht, wie sie? Egal, weiter geht es. Schlüsselbund, ebenfalls nichts Besonderes. Mehrere Schlüssel und ein Autoschlüssel. Ein Wagenschlüssel, der ihrem eigenen sehr ähnlich sieht, weil er denselben silbernen Stern trägt, wie ihrer. Egal, weiter geht es. Die Waffe. Eine Walther CO2 Pistole und das dazugehörige schwarze Holster. Beides recht uninteressant. Das Portemonnaie. Eden beginnt unbewusst zu zittern, als sie das braune Leder in den Händen hält. Gleich wird sie mehr von dieser Neve erfahren. Nur ob sie das wirklich wissen will, weiß sie nicht ganz genau. Wie soll sie aber mit diesem alten Fall weiterkommen, wenn sie sich nicht Knöcheltief reinkniet? Wie soll sie Antworten erhalten, wenn sie sich ihren Fragen nicht stellt? Wie soll sie mit ihrem Gefühl weiterkommen, wenn sie zu feige ist, um so ein einfaches Stück Leder zu öffnen?
Eden atmet tief durch, schließt die Augen und klappt die eine Seite des Portemonnaies um. In Zeitlupe öffnet sie die Lider und blickt sofort in das Gesicht dieser Samantha Rodriguez. Was zum...? Eden sieht ein Foto dieser Frau hinter einem kleinen Stück Folie kleben. Was sucht diese Frau in dem Portemonnaie von Neve? Was für eine Verbindung steckt da nur bei den beiden Frauen?
Fast eine geschlagene Minute starrt Eden das Foto an und muss zugeben, dass diese Samantha verdammt gut aussieht. Auch wenn sie selber keinerlei Interesse an dem weiblichen Geschlecht hat, spürt und weiß sie unbewusst, dass diese Frau ihr auf eine gewisse Art und Weise gefährlich werden könnte.