Valuta Tomas

Restart


Скачать книгу

dicker Kloß bildet sich in ihrem Hals. Leichte Panik keimt in ihr auf.

      »Verdammt, wer hat dieses Gebäude entworfen?«, flucht sie ängstlich. Offensichtlich war es zu laut, denn sie kann den Mitarbeiter unten am Tresen kichern hören.

      »Ja, sehr witzig!«, flucht Eden und blickt an ihren Füßen vorbei. Unter ihr befindet sich nichts. Eine dicke Glasscheibe trägt ihr Gewicht und hält sie davon ab, als blutiger Fleck auf dem Gebäudeboden zu enden. Ein langer Steg erstreckt sich zur rechten Seite. Natürlich ist auch dieser nur aus Glas. Am Ende des Steges sieht Eden eine große Glastür, auf dem die Buchstaben R&R geklebt sind.

      »Rodriguez und Richmond Immobilien.« Flüchtig blickt sie noch einmal zu ihren Füßen herunter. Nur langsam wagt sie sich Schritt für Schritt voran.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit atmet sie erleichtert aus, als sie an der Eingangstür steht.

      Auch bei dem weiteren Tresen, stellt sie sich der Mitarbeiterin vor. Schon nach wenigen Sekunden wird sie zum Büro des Inhabers dieser Immobilienfirma geführt.

      »Agent Stewart, willkommen«, begrüßt sie ein Mann Mitte Fünfzig mit kurz geschnittenem Vollbart. Mit ausgestreckter Hand geht er auf sie, nimmt ihre gereichte Hand, schüttelt diese kräftig und zeigt danach auf einen Stuhl.

      »Bitte setzen sie sich.« Ihr wird noch ein Kaffee angeboten, den sie freundlich ablehnt. Michael Richmond lehnt sich auf seinen Schreibtisch, faltet die Hände und blickt Eden neugierig fragend an.

      »Was führt sie zu mir? Was kann ich für sie tun?«

      »Neve Preston und Samantha Rodriguez!«, schmeißt Eden ihm unverblümt an den Kopf. Schlagartig verändert sich Michaels Gesicht. Es wird mit Trauer, Schmerz und leichter Verzweiflung überzogen. Steif lehnt er sich in den Stuhl zurück. Niedergeschlagen blickt er zu seinen Händen herunter.

      »Es ist eine Tragödie, was mit den beiden geschehen ist«, murmelt er leise.

      »Was können sie mir über die beiden sagen?« Michael stützt sich mit einem Ellenbogen an der Armlehne des Stuhls ab, streicht sich mit einer Hand über den Bart und blickt zu der Glasfront des Gebäudes hinaus. Ohne zu antworten, steht er vom Platz auf und tritt an das Fenster. Konzentriert verfolgt Eden ihn mit ihrem Blick.

      »Neve ist… Entschuldigung, war, eine wundervolle Frau. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine solche starke und selbstbewusste Persönlichkeit kennengelernt. Sie war wie ein Fels in der Brandung. Ein Arbeitstier wie es im Buche steht. Sie hat bis zu zwanzig Stunden am Tag gearbeitet, nur um all das hier wahr werden zu lassen.« Mit einer wischenden Handbewegung deutet er über die Glasfront, was Eden im Augenblick nicht recht deuten kann.

      »Aus Liebe zu Samantha«, flüstert Michael und senkt den Kopf. Auch wenn diese Worte leise gesprochen wurden, versteht Eden jedes einzelne. Sie kann an Michaels Tonlage erkennen, dass er mit den Tränen kämpft. Ein dicker Kloß bildet sich in ihrem Hals. Was ist los mit ihr? Da werden nur wenige Sätze über Neve ausgesprochen und sie könnte schon wieder wie ein Schlosshund heulen?

      »Was genau möchten sie denn über die beiden wissen, Agent?« Lächelnd dreht sich Michael zu Eden um. Ein verzweifelter Versuch die Fassung zurückzuerlangen.

      »Wie haben sie die beiden kennengelernt? Wie kam es dazu, dass sie gemeinsam eine Firma gegründet haben? Wussten sie denn nichts von deren kriminellen Laufbahn?«, durchlöchert Eden ihn mit Fragen. Mit einem kleinen Schmunzeln setzt sich Michael in seinen Stuhl zurück.

      »Ich werde ihre Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.« Michael lehnt sich mit gefalteten Händen zurück und beginnt davon zu erzählen, wie er Neve kennengelernt hat. Schon nach wenigen Sätzen fällt Eden auf, das er hauptsächlich von ihr erzählt, aber nicht von Sam.

      »Natürlich wusste ich, dass die beiden eine dunkle Seite in ihrem Leben haben. Aber das war für mich kein Hindernis eine Firma mit ihnen zu gründen. Schauen sie sich das Ergebnis doch einmal an. Wir haben gemeinsam ein kleines Imperium geschaffen. Sam hat unglaubliche Gebäude entworfen. Sie war ein Ausnahmetalent. Ihre Arbeiten durften einfach nicht länger in irgendwelchen Schubladen verstauben. Das wäre ein sehr großer Verlust eines außergewöhnlichen Talentes gewesen!« Stirnrunzelnd zieht Eden eine Augenbraue hoch.

      »Welches Ergebnis soll ich mir anschauen?« Michael lächelt, hebt beide Hände und zeigt in alle Himmelsrichtungen. Nachdenklich blickt Eden nach oben. Es dauert etwas, bis bei ihr der Groschen fällt. Mit großen Augen schaut sie zurück zu Michael.

      »Dieses Gebäude hat Samantha entworfen?« Ein stolzes Lächeln wandert über Michaels Lippen.

      »Ja und noch viele andere. Sie hat das Gebäude ihrer Autowerkstatt entworfen und ihr eigenes Haus. Wir haben über zwei Jahre für den Bau gebraucht. Es war eine unglaubliche Herausforderung für Mensch und Maschine, aber wir haben es bis zum letzten Bleistiftstrich detailgetreu gebaut. Es sollte perfekt werden und Sam aus den Socken hauen, sobald sie aus dem Gefängnis entlassen wurde.«

      »Wenn Samantha aber im Gefängnis saß, wie konnten sie dann mit ihr diese Firma gründen? Das wäre doch gar nicht möglich gewesen. Jedenfalls nicht, ohne einen juristischen Eingriff in sämtliche Vorgänge.« Michael schmunzelt erneut.

      »Neve wurde oft unterschätzt«, lächelt er stolz.

      »Sam wusste von all dem hier nichts. Die Firmengründung der Autowerkstatt und dieser hier, hat Neve in die Wege geleitet. Sie wollte Sam nach dem Gefängnis damit überraschen. Ich habe also praktisch sämtliche Verträge und Arbeiten mit Neve abgeschlossen. Sam zeichnete im Gefängnis die Gebäude ihrer Fantasie weiter, ohne zu wissen, dass diese tatsächlich gebaut wurden. Ich bin Sam nur ein einziges Mal begegnet. Am Tag ihres Todes!« Erneut überzieht ein trauender Ausdruck Michaels Gesicht.

      Erschlagen von den neuen Erkenntnissen, lehnt sich Eden in den Stuhl zurück. Nüchtern betrachtet sie den älteren Herren vor sich. Wie konnte das alles funktionieren? Neve hat für Sam alles getan? Firmen gegründet, um ihr ein sicheres zu Hause zu geben und dann sterben die beiden? Nur einen Tag nachdem Sam von Neves unglaublicher Arbeit erfahren hat? Einer Arbeit, die aus purer Liebe getan wurde?

      Ohne sich anmerken zu lassen, dass sie sich am liebsten selbst eine Kugel in den Kopf jagen möchte, weil sie für Neves Tod verantwortlich ist, rückt Eden nervös in ihrem Stuhl hin und her. Was zum Teufel hat sie da nur gemacht? Kriminelle Laufbahn hin oder her, das was Neve hier geschaffen hat, ist ein unglaubliches Wunder. Und Eden hatte nichts Besseres zu tun, als sie zu erschießen?

      »Wissen sie zufällig wie Neve und Samantha sich kennengelernt haben? Ich meine, die beiden waren von Grund auf absolut verschieden. Samantha war kriminell, Neve war Polizistin und dennoch entstand zwischen ihnen eine Liebe, die vom Grundschatz eigentlich keinen Nährboden haben durfte! Auch gab es einen Altersunterschied von immerhin elf Jahren. Wie konnte das passieren?« Ein ehrliches Lächeln huscht über Michaels Gesicht.

      »Die Liebe kennt keine Grenzen, meinen sie nicht auch? Wie Neve und Sam sich aber kennengelernt haben, müssen sie Laura Campbell fragen. Dazu kann ich ihnen leider nicht genug erzählen. Laura war die beste Freundin der beiden.« Schlagartig stellen sich Edens Nackenhaare auf. Laura, Laura, Laura!

      »Ich begleite sie.« Plötzlich erhebt sich Michael von seinem Stuhl und blickt Eden erwartungsvoll an.

      »Laura arbeitet hier?«, platzt ihr plump heraus. Ein Nicken von Michael zerschmettert ihre Hoffnung, das Gespräch mit Laura noch etwas hinauszuzögern.

      »Natürlich. Laura ist seit Jahren für das Management dieser Firma verantwortlich und hat nach Neves Tod ihre Aufgaben übernommen. Ohne Laura würde diese Firma schon lange nicht mehr existieren.« Wie Raketen schnellen Edens Augenbrauen hoch. Einen so verantwortungsvollen Eindruck machte Laura gestern auf dem Friedhof keineswegs auf sie.

      Edens Puls beginnt zu rasen, als sie Michael aus dem Büro begleitet, wenige Türen hinter sich lässt und dann vor einer Milchglastür stehen bleibt, auf dem =Laura Campbell – Management= geklebt steht. Tief durchatmend bereitet sie sich auf diese ungewollte Konfrontation vor. Sie zittert leicht, als Michael gegen das Glas klopft und