Andreas D. Werner

Buddhismus für Anfänger, Fortgeschrittene und Gottverlassene


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der Einführung des Wortes „Ohmm“ bekommen die zuvor aufgeführten drei Charakteristika des Richtigen Atmens eine neue Bedeutung, eine viel weiterreichende. Sie werden nun zu den Charakteristika und zugleich zum Kern für das Richtige Meditieren. Was ich bis jetzt unter dem Begriff Richtige Atemtechnik beschrieben habe, wird nun mit der Einführung des „Ohmm“ zur Richtigen Meditationstechnik.

Das einleitende Wort „Ohmm“ ist das
1. Charakteristikum für die Richtige Meditation.

      Nach dem Wort „Ohmm“ schließen sich nun die drei Charakteristika der Richtigen Atmung nahtlos an. Die Richtige Atmung wird zum 2. Charakteristikum der Richtigen Meditation. Zur besseren Verdeutlichung zeige ich dieses Konstrukt nochmals auf:

       Charakteristika der Richtigen Meditation:

      1 Charakteristikum: Einleitung durch das Wort „Ohmm“

      2 Charakteristikum: Die drei Charakteristika der Richtigen Atmung:

       Atmung bei geschlossenem Mund

       bewusstes und ausgedehntes Bauchatmen

       die richtige Auf- und Abwärtsbewegung der Zunge

      1 3. Charakteristikum: Die Meditation der Leere

      Für die von mir persönlich favorisierte Art der Meditation werden wir eine Methode praktizieren, die wohl ursprünglich aus dem Zen-Buddhismus überliefert ist. Diese Methode nennt sich Meditation der Leere.

      Die Meditation der Leere

Keinem Gedanken anhaften, geistige Ausgeglichenheit
und einen Zustand innerer Harmonie schaffen
ist das Ziel der Meditation der Leere.

      Keinem Gedanken anhaften heißt, keinen Gedanken aufnehmen, keinen Gedankenblitz weiterverfolgen, eine aufkeimende Idee nicht weiter ausspinnen, an keinem Gedanken festhalten.

      Während einer Meditationssitzung werden Gedanken permanent versuchen uns abzulenken. Zusätzlich zu dem Gedankenfeuerwerk werden uns auch noch die unterschiedlichsten Sinneseindrücke abzulenken versuchen, z. B. die Fliege an der Fensterscheibe, Geräusche, Gerüche. Wenn Ihnen das passiert, dann lassen Sie das Geräusch oder den Geruch einfach nur das sein, was es ist – ein Geräusch, ein Geruch. Das Geräusch an und für sich will von Ihnen nichts, es hat seine eigene Ursache, seine eigene Existenz, will Sie nicht ärgern, hat mit Ihnen nichts zu tun. Es besteht für Sie keine Notwendigkeit, eine Beziehung zu diesem Geräusch herzustellen oder sich anderweitig in Gedanken darauf einzulassen. Lassen Sie also das Geräusch einfach ein Geräusch sein. Nach diesem Prinzip halten Sie auch jeden Geruch, jeden Sinneseindruck, den Sie wahrnehmen, auf Abstand. So sollte Sie die Musik aus Nachbars Wohnung, das Hundegebell auf der Straße oder der Knoblauchgeruch aus dem Treppenhaus künftig überhaupt nicht mehr stören.

      Wie eingangs erwähnt, können wir unsere Gedanken nicht abschalten, aber keiner zwingt uns, sie zu verfolgen, weder die Gedanken noch die Sinneseindrücke. Genau das wollen wir ab jetzt bei der Meditation anstreben, das wollen wir ausgiebig üben.

      Das wird eine harte Übung. In 20 Minuten ist das nicht zu erlernen und das ist vermutlich auch der Grund, warum, an diesem Punkt angekommen, sich die Geister, der Spreu vom Weizen, trennen. Wer sich auf die Meditation der Leere nicht einlassen will, läuft Gefahr, auf dem Weg zur Erleuchtung nicht weiterzukommen.

      Sie sind jetzt schon so weit gekommen, geben Sie nicht auf. Halten Sie durch.

      Sie haben im letzten Absatz meine Formulierung „sich die Geister, der Spreu vom Weizen trennen“ gelesen. Blumige Sprache nennt man so etwas und gleichzeitig ist es eine Kombination volkstümlicher Sinnsprüche, aber nur auszugsweise und unvollständig. Ich gehe beim Schreiben davon aus, dass in unserem Kulturkreis jeder versteht, was ich mit meinen Formulierungen aussagen möchte. Auch die Mönche, Meister und Gelehrten aus Indien, China und dem Himalaja verfassten ihre Texte über den Buddhismus in ihrer jeweiligen Heimatsprache mit volkstümlichen Sinnsprüchen und in blumiger Sprache. Ein Inder oder Chinese wird mit großer Wahrscheinlichkeit meine schmückenden Redewendungen nicht verstehen. Und weil wir „eine andere Sprache sprechen“, fällt es uns Europäern schwer, deren Texte zu verstehen, insbesondere wenn sie erst ins Englische und anschließend vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurden.

      Das war übrigens ein Gedankenblitz, einer von denen, die an unpassender Stelle hervorbrechen und unbedingt Gehör finden wollen. Wenden wir uns wieder unserem eigentlichen Thema zu.

Die Meditation der Leere ist das
3. Charakteristikum der Richtigen Meditation.

       Und so geht’s. Wir üben die Meditation der Leere:

      Nehmen Sie Ihre bevorzugte Meditationsstellung ein. Eröffnen Sie Ihre Meditationssitzung mit dem Wort „Ohmm“, und atmen Sie in aller Ruhe bei geschlossenem Mund durch die Nase ein und aus. Atmen Sie so, wie Sie es zuvor geübt haben, konzentrieren Sie sich auf die intensive Bauchatmung und wechseln Sie den Zungendruck jeweils beim Ein- bzw. Ausatmen, ähnlich einem Kippschalter.

      Achten Sie nun bewusst auf Ihre Gedanken. Sie werden feststellen, dass Sie nicht ohne Gedanken sind. Irgendein Gedanke wird Ihnen durch den Kopf schießen, irgendein Gedanke wird versuchen, Sie an etwas zu erinnern, wird versuchen, Sie etwas tun zu lassen. Beobachten Sie einfach im Geiste das Treiben in Ihrem Kopf, genießen Sie Ihre geistigen Aktivitäten. Schließen Sie als Anfänger anfangs noch die Augen und dann lassen Sie die Gedanken ziehen: Üben Sie mit aller Hartnäckigkeit, keinen Gedanken aufzunehmen, einen Gedankenblitz gedanklich nicht weiterzuverfolgen, an keinem Gedanken festzuhalten.

      Vermutlich wird Ihnen das nur für wenige Sekunden glücken. Genießen Sie diese paar Sekunden der Nichtanhaftung an Ihre eigenen Gedanken. Sie werden nun eine bisher nicht gekannte Leere zwischen Ihren einzelnen Gedankenblitzen feststellen können. Konzentrieren Sie sich auf diese kleinen Pausen zwischen Ihren Gedankenblitzen und versuchen Sie, diese Pausen immer länger werden zu lassen, versuchen Sie, sich in diese Phasen der Leere hineinfallen zu lassen, versuchen Sie, jeden Gedanken, der aufkommt, einfach vorüberziehen zu lassen und in der Leere zwischen den Gedanken zu verweilen. Denken Sie aber nicht über die Pausen nach und denken Sie auch nicht, ob Sie es so richtig machen. Wenn Sie es irgendwann beherrschen, gehen Ihre Gedanken in die Leere – im wahrsten Sinne des Wortes.

      Anfänglich werden Ihnen diese Gedankenpausen nur für wenige Sekunden glücken, denn Ihre Gedanken werden vermutlich mit noch mehr Nachdruck und Intensität versuchen, Oberhand zu erlangen. Das ist völlig normal. Immer wenn Sie merken, dass Ihre Gedanken während dieser Übung wieder die Oberhand erlangen wollen und die Pausen nicht mehr aufrechtzuerhalten sind, dann gehen Sie in Gedanken die Reihenfolge aller Charakteristika für die Richtige Meditation erneut durch. Ich wiederhole diese gerne nochmals:

       Ich nehme die bevorzugte Meditationsstellung ein,

       eröffne die Meditationssitzung mit dem Wort „Ohmm“,

       atme