ist sein einziges Leben. Bis er den Kellner Schorsch kennenlernt. Lebprov dröhnt sich zu und lacht, bis er sich selber nicht mehr erkennt. Erst er-schrickt er, dann fühlt es sich gut an. Aber die Ermittlung, die ist auch noch da. Und die fühlt sich weniger gut an.
Außerdem von Frank Strick erschienen: Krimi jetzt, Kunz ist auch noch da
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Der Autor
ist 1965 in Düsseldorf geboren. Er hat in München Geografie studiert. Heute arbeitet er dort als Netzwerktechniker. Null Jahreszeiten ist sein dritter Roman.
Ähnlichkeiten der in diesem Roman vorkommenden Personen und Institutionen mit Personen und Institutionen, die real existieren, existiert haben oder existieren werden, sind nicht beabsichtigt.
1. Auflage 2016
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ISBN 978-3-943970-03-6
01. Donnerstag, 21.11.2013 |
Wen interessiert schon die Jahreszeit! Corinna zieht die Kapuze in den Nacken und hebt den Blick. Hauptsache, das Wetter passt! Ihr Großvater ist Dachdecker, und das Einzige, vor dem er sich fürchtet, sind Eisregen, Orkanböen und seine Tochter. Zwei Flussmöwen fliegen gegen den Wind an. Im obersten Stock des Gebäudes steht eine Gestalt. Umriss und Haltung lassen auf einen Mann schließen. Auf einen Mann mit gewaltigen Ohren und gewaltigem Bart.
Das Gebäude gehört zum psychologischen Institut der Berliner Humboldt-Universität. Es ist Teil des Campus Adlershof und mit Straßenbahn, Bus und S-Bahn zu erreichen. Corinna hat die Straßenbahn genommen. Die Fassade des Gebäudes hat breite Fensterfronten und ist in der Farbe Grün gehalten. Wer Grün liebt, ist zuverlässig, empathisch und sozial kompetent.
Hokuspokus, die Welt will getäuscht werden, meine liebe Süße, also täusche die Welt, und die Welt wird dir zu Füßen liegen. Der Organisationsplan hängt neben dem Treppenaufgang. Du wolltest schon als junges Mädchen auf die Universität, meine liebe Süße, weil du nämlich damals schon schlau warst, und jetzt, jetzt holen wir uns mit deiner Schlauheit die Welt zurück, hörst du, unsere Welt, die sie dir und mir genommen haben. Im September hat sie sich eingeschrieben. Heute geht es darum, ein Seminar zu belegen. In der drittletzten Zeile findet sie, was sie sucht. Sie nimmt die Treppe. Sie hat keine Erinnerung an das, was sie als junges Mädchen wollte. Es ist 13 Uhr 20.
Sie klopft, tritt dann unaufgefordert ein und sieht sich einer jungen Frau gegenüber, die ihr rotblondes Haar nach oben drapiert hat und Kopfhörer trägt. Die Frau zieht ein Polster vom Ohr. „Kann ich etwas für dich tun?“ Die Musik läuft weiter. Es riecht nach Apfelsine. Corinna macht sich an den Knöpfen ihres Mantels zu schaffen. „Es war aber nicht abgesperrt.“ Die Frau vermittelt ihr das Gefühl, nicht erwünscht zu sein. Das Gefühl gefällt ihr nicht. „Die Tür war aber offen.“ Die Füße der Frau liegen auf dem Schreibtisch und stecken in Cowboystiefeln, wie man sie zuletzt in den 80ern getragen hat. Knallrotes, dickes Rindsleder. Hoher, weiter Schaft, der oben mit einer Stickerei abschließt. „Sind Sie jetzt die Sekretärin hier?“ Die Frau nimmt die Füße runter und legt den Kopfhörer weg. „Officemanagerin.“ Corinna glaubt, ein Lächeln zu erkennen. Das Kinn deutet auf den Kassettenrecorder. „Wenn die Maschinerie mal angelaufen ist, dann gibt es nicht mehr viel zu tun in diesem Puff.“ Das Kinn zeichnet einen Halbkreis in die Luft, der den gesamten Campus mit einschließt. Corinna fixiert das Abspielgerät. Ihre Mutter hat auch so eins gehabt. Vorne eine Reihe schwarzer Tasten, die an ein Klavier erinnern. Ich habe das Geschehen dokumentiert, meine liebe Süße, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Neben dem Recorder steckt ein Küchenmesser in der Schreibtischplatte. „Haben Sie gerade Puff gesagt?“
„Ich?“ Die Officemanagerin zieht die Augenbrauen hoch, tut jetzt empört. „Du musst dich verhört haben.“
„Sie haben Puff gesagt und dabei so gelächelt.“ Corinna macht das Lächeln nach.
„Was kann ich für dich tun?“
„Ich brauche ein Seminar, so etwas wie Verhaltensforschung. Und es muss Empirie dabei sein, das unbedingt.“
„Empirie, unbedingt?“ Die Officemanagerin mustert den Kalender, der hinter Corinna an der Wand hängt. „Das Semester läuft schon eine ganze Weile, meine Liebe.“
„Corinna.“ Sie setzt sich auf den Besucherstuhl. „Corinna Tillmann.“ Die Officemanagerin zieht das Küchenmesser aus der Schreibtischplatte und deutet damit auf die Besucherin. „Liebe Corinna, besitzt du Musikkassetten?“
„Zum Henker mit der Liebe.“
„Und die Kassetten?“
„Chromdioxid, ein ganzer Umzugskarton. Wie viele?“
Ihr Gegenüber breitet die Arme aus. „Eine Einkaufstüte. Im wievielten Semester bist du?“
„Wie viele Kassetten sind eine Einkaufstüte?“
„Du willst es aber genau wissen.“
„Genau.“ Corinna hat an Selbstsicherheit gewonnen. Bestechung lässt sich berechnen. „Ich will es genau wissen.“ Die Finger der Officemanagerin finden eine Haarsträhne und stopfen sie zurück in die Frisur. „Vierzig. Ist das genau genug?“ Corinna stützt sich mit den Ellenbogen auf der Schreibtischplatte ab. Ihr Gegenüber kann kaum älter sein als sie selber. Sie hat eine Stupsnase mit Sommersprossen, eine helle Hautfarbe und einen üppigen Busen, über den sich ein T-Shirt spannt. Corinna liest: Das ist ein T-Shirt. Darunter in kleinerer Schrift: Und wenn du ein Mann bist, dann lebst du gerade gefährlich. Über dem Kragen ein kreisrundes Muttermal. Auf den Armen mehr Sommersprossen. Die Augen haben keine Farbe und stehen in einem unnatürlichen Winkel zueinander. Es ist schwer auszumachen, aber wenn man es einmal erkannt hat, ist es deutlich: Die Officemanagerin schielt. Corinna winkelt ihren Unterarm an und lässt den ausgestreckten Mittelfinger in Augenhöhe stehen. „Bin kein Mann.“ Ihr Gegenüber spitzt die Lippen und lässt hörbar Luft ab. „Erstes Semester“, fügt die Besucherin hinzu. Die Officemanagerin nimmt einen Ordner und liest: „Das Grundstudium vermittelt vorwiegend grundlegende theoretische und methodische Kenntnisse sowie eine Orientierung über Forschungsergebnisse.“ Sie stellt den Ordner zurück. „Gerne ignoriere ich die Studienordnung, wenn es gute Gründe dafür gibt. Gibt es gute Gründe, Corinna Tillmann?“ Corinna beugt sich ihr entgegen. „Vierzig Kassetten sollten dir Grund genug sein.“
„Und deine Gründe, Corinna Tillmann?“
Corinnas Lächeln entblößt ihre untere Zahnreihe. Vom linken unteren Eckzahn ist hinten ein Stück weggebrochen. „Die Kassetten und das Bekenntnis, dass mein Interesse der männlichen Gesellschaft gilt.“ Die Officemanagerin lässt sich in ihren Stuhl zurückfallen. Diese Frau hat was. Sie ist derb und verletzlich und schön und alles zugleich. Der Körper ist obenrum schlank. Untenrum, da wirkt er etwas gedrungen. Große, hellblaue Augen, eine hohe Stirn und hohe Wangenknochen. Das auf zwei Zentimeter gestutzte, wasserstoffblonde Haar steht dornig vom Kopf weg. Vor was tust du dich schützen, Corinna Tillmann? Die Gesichtszüge sind harmonisch, fast weich, bis auf eine tiefe Falte in der Stirn. Das Lächeln wirkt aufgesetzt und entwaffnend zugleich. Keine wirkliche Schönheit, aber was ist schon wirklich, und wer will schon einen Körper, der vollkommen ist, aber ansonsten eine Menge Ärger einbringt. Genaugenommen