Monika Heil

Wenn die Idylle trügt


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mir am liebsten.«

      »Pizza?«

      »Perfekt. Rotwein ist im Haus.«

      »Gut bis später.«

      Er trennte die Verbindung und schaute sich um. Wann hatten sie die Küche das letzte mal gestrichen? Wie alt war die Einrichtung? Kurz überlegte er, sie zu erneuern. Doch was würde das bringen? Felix schüttelte den Kopf. Unsinnige Gedanken. Eine Renovierung würde den Charakter des Raumes verändern und dabei hing er doch an den Erinnerungen, die mit der Küche verknüpft waren. Schließlich hatten Liane und er den größten Teil ihrer gemeinsamen Zeit hier verlebt, als sie noch eine komplette Familie waren, als Felia und Liane noch mit ihm lebten und sie eine Einheit bildeten.

      Felix wechselte ins Wohnzimmer, ging zur Musikanlage und wählte eine klassische Komposition. Dann griff er nach einer Fachzeitschrift und versuchte, sich in einen Artikel über die Weltwirtschaft zu vertiefen.

      Alles wird gut. Zumindest in meiner kleinen Welt. Alles wird gut, schloss er seine privaten Gedanken beschwörend weg. Vorübergehend gelang es ihm.

      Sven Lewandowski legte auf und lehnte sich von seinem Schreibtisch zurück. Müde rieb er die Augen. War das jetzt richtig? Sein Schwiegervater und seine Frau hatten sich gestritten. Wahrscheinlich hatten beide Redebedarf. Und was machte er da gerade? Bot sich seinem Schwiegervater als seelischen Mülleimer an. Und Felia? Er fischte das Handy aus seiner Lederjacke, tippte ihre Nummer ein bevor sie Gelegenheit hatte, ebenfalls anzurufen. Er schrieb ihr eine SMS, dass er zum Abendessen nicht daheim sei. Den Grund erwähnte er nicht. »Feigling«, schimpfte er leise. Wir können ja später am Abend immer noch reden beruhigte er sein schlechtes Gewissen. Dann weiß ich auch mehr über Felix´ Befindlichkeiten. Er vertiefte sich wieder in den Vorgang ´Wirtschaftsskandal in Buxtehude` und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Kurz nach halb sechs fuhr er den Computer herunter. Schluss für heute. Der Feierabendverkehr von Hamburg nach Stade zog sich inzwischen zeitlich immer mehr in die Länge. Wenn er pünktlich bei Felix sein wollte, musste er jetzt unbedingt los.

      3.

      Er konnte sich nicht konzentrieren. Schwerfällig stand Felix Hansen auf und wechselte zu seinem Schreibtisch. Den Ordner hatte er im untersten Fach versteckt. Nun kramte er ihn hervor, blätterte, bis er den Obduktionsbericht fand. Spuren von Arsen. Niemand verdächtigte ihn. Außer vielleicht seine Tochter. Aber das war lachhaft. Nein, es war zum heulen. Wie war Arsen in Lianes Körper gekommen? Er blätterte durch die Abhandlungen, die er im Internet heruntergeladen hatte. Nichts passte. Außer vielleicht der Hinweis auf die Tatsache, dass viele Meeresfische arsenbelastet seien. Liane liebte Fisch und aß ihn mindestens zwei- bis dreimal die Woche. Felix schüttelte vehement den Kopf. Das kann nicht sein. Fisch, der in den Handel kommt, wird vorher lebensmitteltechnisch genau untersucht. Das ist Quatsch. Und wenn, erkrankt der Mensch langsam und über lange Zeiträume. Liane war beim Joggen umgefallen. Herzversagen. Dr. Fischer hatte die Diagnose gestellt und die war richtig. Sven hatte einen Freund bei der Staatsanwaltschaft. Olaf Franke. Den hatte sein Schwiegersohn unauffällig befragt. Es wurden keinerlei Ermittlungen gegen Felix in Erwägung gezogen. Er sollte endlich mit diesen Gedankenspielen aufhören.

      Es klingelte. Erstaunt blickte Felix auf seine Armbanduhr. Schnell räumte er den Aktenordner weg und ging zur Tür.

      »Sven, pünktlich auf die Minute. Schön. Komm rein.«

      »Hallo Felix. Nimmst du mir die Pizzakartons ab? – Danke.«

      Die beiden Männer gingen direkt in die Küche und luden ab, was Sven mitgebracht hatte. Pizza, Rotwein, fertig gemischte Salate.

      »Ich habe doch gesagt, Rotwein ist da.«

      »War im Preis inbegriffen.«

      »Dann kann er nichts taugen.«

      »Sag das nicht. Ist ein ordentlicher Landwein. Zur Pizza reicht er.«

      »Wenn du meinst. Wollen wir hier essen? Oder gehen wir ins Esszimmer?«

      »Komm, hier ist es doch gemütlich.«

      Felix deckte den Tisch, Sven entkorkte den Wein. Er holte zwei große Pizzateller aus dem Schrank und verteilte den Inhalt der Packungen.

      »Einmal mediterran für dich und einmal Sicilia für mich. Voila.«

      »Sind da auch keine Pilze drin?« Argwöhnisch stocherte Felix in dem Belag.

      »Ganz sicher nicht. Pizza Vegetarier hat Pilze, diese hier nur Oliven, Zucchini, Paprika, Schafskäse und italienische Gewürze. Hundert pro. Glaub mir. Und wenn du doch einen entdeckst, pulst du ihn raus.«

      »Ich will aber nicht pulen, ich will essen und dabei genießen und nicht Angst haben, dass doch ein Pilz dazwischen ist.«

      »Das nächste mal bringe ich für dich Pizza Hawaii mit. Auf der ist nur Schinken und Ananas.« Sven ärgerte sich über das Gemeckere seines Schwiegervaters. Man hörte es seiner Stimme an. »Lass es dir schmecken.«

      »Danke, du dir auch.«

      Aus dem Wohnzimmer klangen die letzten Akkorde von Grieg. Liane hätte es nicht gepasst, dass wir hier in der Küche sitzen, ging Felix durch den Kopf. Aber seine Frau war tot.

      4.

      Der nächste Tag versprach grau und düster zu werden und er hielt später sein Versprechen. Dass es ein Tag der kleinen Katastrophen werden sollte, konnte Sven Lewandowski so früh am Morgen nicht ahnen. Als er schlaftrunken die Augen öffnete, registrierte er die Uhrzeit und sofort anschließend die Tatsache, dass er vergessen hatte, den Wecker zu stellen. Was für ein Tag war heute? Es fiel ihm nicht ein.

      Er stand auf und versuchte, trotz herabgelassener Jalousien, durch das große Panoramafenster nach draußen zu schauen. Dicke Wolkenfetzen jagten einander. Nieselregen lag wie ein schmutziger Vorhang vor den Scheiben und erschwerte zusätzlich den Blick auf die Straße. Das Schwarz seines Cabrios sickerte dennoch durch. Schlimmer noch. Das Rot der Sitze signalisierte ihm, dass er vergessen hatte, das Dach zu schließen. Mist! Warum war er auch wieder einmal zu faul gewesen, den Wagen unter das Carport zu fahren? Jetzt fiel es ihm ein. Dort stand das Auto seiner Frau.

      Sein Hirn verweigerte die Antwort auf seine Fragen nach der letzten Nacht. Wie viele Flaschen Wein hatten Felix und er geköpft? Wann war er nach Hause gekommen? Das ´wie` hatte sein Cabrio beantwortet. Mist. Er hätte auf keinen Fall mehr fahren dürfen. Die Zerknirschung hielt nur kurz an. Der dumpfe Kopfschmerz würde durch eine kalte Dusche und einen starken Kaffee vergehen und erst dann die Erinnerung an das Gespräch mit seinem Schwiegervater freigeben. Das wusste er aus Erfahrung. Wenigstens bekam Felia seinen Zustand nicht mit. Sie hatte letzte Nacht bereits geschlafen, als er – nicht mehr nüchtern – nach Hause gekommen war. Hatte sie das wirklich?

      »Geh weg, du stinkst«, fiel ihm ein, als er darüber nachdachte, wie sie auf seinen Versuch, sie wachzuküssen, reagiert hatte. Er war daraufhin ins Bad gegangen. Als er zurückkam, schlief sie wieder. Oder? Heute morgen war das Bett neben ihm leer als er aufwachte. Mühsam setzte er die gedanklichen Brocken zusammen. Felia wollte irgendwo hinfahren. Wohin? Warum? Mit wem? Sven fiel es partout nicht ein.

      Als er eine halbe Stunde später sein privates Büro betrat, wusste er beim Anblick des Tageblattes auf seinem Schreibtisch, dass Felia heute morgen noch Zeit gehabt hatte, es zu lesen. Sonst läge das Exemplar noch im Briefkasten. Er musste grinsen. Das Hirn funktionierte wieder. Er nahm den gelb leuchtenden Merkzettel in die Hand.

      8.14 Uhr Metronom Buxtehude/HH

      9.00 Uhr Fa Schindeler, Buxtehude

      11.oo Metronom nach Hamburg

      12.30 Uhr Besprechung Fa. Hennemann

      ??? Uhr wieder zu Hause.

      20.00 Uhr Abendessen mit Adrian und Caroline,

      Blumen besorgen.

      Für wen ist dieses Memo? Für mich? Wer oder was ist Firma Schindeler?